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Sind E-Autos teurer zu reparieren?

Werkstätten verrechnen bei E-Autos oft extrem hohe Arbeitskosten. ÖAMTC-Experte gibt Hoffnung auf sinkende Reparaturkosten.

Reparaturen nach einem Unfall sind bei Elektroautos oftmals spürbar teurer als bei vergleichbaren konventionellen Modellen.
Reparaturen nach einem Unfall sind bei Elektroautos oftmals spürbar teurer als bei vergleichbaren konventionellen Modellen.

Geht es nach dem Beratungsunternehmen Gartner, so könnten Elektroautos bereits ab dem Jahr 2027 im Durchschnitt günstiger herzustellen sein als Verbrenner. Gute Nachrichten, von denen jedoch alljene nichts haben, die bereits heute ein E-Fahrzeug besitzen. Zwar fällt auch bei diesen eine Vielzahl von Komponenten und Verschleißteilen weg, die im Laufe eines herkömmlichen Autolebens über kurz über lang zu tauschen sind, darunter Kupplung, Zahnriemen, Auspuff oder Katalysator. Auch ein Großteil der Betriebsmittel, die bei Verbrennern im Rahmen der Wartungsintervalle regelmäßig zu tauschen sind, etwa Motor- oder Getriebeöl, sind bei Stromern schlichtweg nicht notwendig. Und nicht zuletzt sorgt auch die Rekuperationsfähigkeit der Elektromotoren dafür, dass Bremsbeläge und -scheiben weitaus länger halten und somit weniger häufig getauscht werden müssen.

Reparaturkosten nach Unfällen: Elektroautos teurer als Verbrenner?

Im Gegensatz dazu legt eine Untersuchung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kürzlich nahe, dass die Reparaturkosten bei Elektroautos nach Unfällen im Durchschnitt um etwa 30 bis 35 Prozent höher liegen als bei vergleichbaren Verbrennern. Als Hauptgründe für die höheren Reparaturkosten bei Elektroautos nennt der GDV die Kosten für beschädigte Antriebsbatterien und die Unsicherheit im Umgang mit beschädigten Elektrofahrzeugen. Ein Lokalaugenschein in der Werkstatt eines großen Salzburger Autohandelsbetriebs unterstreicht diese These: Hier wird für eine Mechaniker-Arbeitsstunde bei einem Elektroauto doppelt so viel verrechnet als bei einem Verbrenner. Wie kann das sein?

Spezialisierte Werkstätten: Herausforderungen bei E-Auto Reparaturen

Wolfgang Sonnleitner, Geschäftsführer des gleichnamigen Autohandelsgruppe mit aktuell 15 Standorten in Oberösterreich, Wien, Salzburg und Bayern, ist sich dieser Problematik durchaus bewusst - wenngleich er gleich zu Beginn betont, dass die verrechneten Stundensätze in den eigenen Betrieben nicht derart extrem auseinandergehen würden. "Die Reparatur eines E-Autos für einen Betrieb alles andere als günstig. Das beginnt bei der notwendigen Ladeinfrastruktur vor Ort sowie den speziellen Werkzeugen, beispielsweise der speziellen Hebevorrichtungen, um den schweren Akku aus dem Fahrzeug zu bekommen. Von den Kosten für die permanente Fortbildung der Mitarbeiter ganz zu schweigen. Schließlich darf nur Fachpersonal mit den notwendigen Kenntnissen und Ausbildungen bestimmte Reparaturen durchführen." Ein weiterer Grund sei, dass die verbaute Technik bei Elektroautos zwar weniger fehleranfällig und wartungsintensiv sei als bei konventionell angetriebenen Modellen. Im Falle einer notwendigen Reparatur sei das Handling in der Werkstatt aber vergleichsweise komplizierter. So gäbe es bei modernen Fahrzeugen praktisch keine Reparatur mehr, bei der nicht mindestens ein Diagnosegerät angesteckt werden müsse. "Bei Elektroautos sind aktuell unzählige Arbeitsschritte notwendig, bevor mit der eigentlichen Reparatur begonnen werden kann."

"Die Reparatur eines E-Autos ist für einen Betrieb heute alles andere als günstig."
Wolfgang Sonnleitner
Geschäftsführer Autohaus Sonnleitner

Fahrzeugelektronik erschwert E-Auto Reparaturen

Die Ursache dafür sieht Wolfgang Sonnleitner in der Fahrzeugelektronik, die zunehmen komplexer und damit auch fehleranfällig sei. "Das Prozedere, bis man tatsächlich den Schraubenzieher in die Hand nehmen und mit der Reparatur beginnen kann, wird immer komplizierter. Das liegt auch daran, dass es sich bei den heute verwendeten E-Autos nicht selten um elektrifizierte Fahrzeuge auf Basis konventioneller Modelle handelt, die auch noch die gleichen Komponenten wie klassische Verbrenner verbaut haben, etwa normale 12-Volt-Starterbatterien." Die Hoffnung bestehe nun darin, dass in den kommenden Jahren immer mehr von Grund auf neu entwickelte Stromer auf den Markt kommen, deren Komponenten in der Folge einfacher zu warten und zu reparieren seien.

Innovationen erwarten: Der Zukunft der E-Auto-Reparatur

An dieser Stelle setzt auch Christian Klejna an: Der Technikexperte beim Mobilitätsclub ÖAMTC stellt sogar eine ganze Reihe von technischen Verbesserungen in Aussicht, welche die Reparatur von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in naher Zukunft einfacher und damit günstiger machen werden. "Schon heute ist die Herangehensweise je nach Automarke unterschiedlich und kann nicht pauschal bewertet werden." Wurde beispielsweise bei einem Unfall von der Bordelektronik eine bestimmte Airbagstufe ausgelöst, tauschen manche Hersteller die teure Antriebsbatterie automatisch aus, selbst wenn diese äußerlich keine Beschädigungen aufweist. Bei anderen Marken sei man derweil schon dazu übergegangen, die Akkus zunächst einer genauen Prüfung zu unterziehen. "Sind auch die einzelnen Module unbeschädigt und zeigt die Analysesoftware keine Fehler an, so darf der Akku weiter verwendet werden", so der E-Mobilitätsexperte. Ein ähnlicher Evolutionssprung kündigt sich auch in Hinblick auf die mögliche Brandgefahr an: Um das Risiko eines gefährlichen Schwelbrandes zu minimieren, wurden Unfallfahrzeuge bis dato meist für viele Stunden in eigens dafür konstruierten Wassertanks gelagert - mit dem Resultat, dass die betroffenen Autos unweigerlich zum Totalschaden wurden. "Immer häufiger haben Versicherungen dann aufgrund der enormen Kosten nachgefragt, ob die Flutung tatsächlich notwendig gewesen wäre." Eine wirtschaftlichere Alternative bietet der von der Firma Saubermacher konstruierter Container, der permanent die Temperatur des eingelagerten E-Autos kontrolliert. Nur wenn eine akute Hitzeausstrahlung einen beginnenden Akkubrand signalisiert, wird der Container vollautomatisch binnen kürzester Zeit geflutet. Ganz generell lässt Christian Klejna die Argumente seitens der Autohändler nur bedingt gelten: "Der technische Fortschritt war schon vor dem Umstieg auf Elektroautos rasant. Dass ein Techniker mit dem Diagnosegerät zusätzlich zu den Assistenzsystemen auch die Ladesteuergeräte kontrolliert, erklärt nicht die teils signifikanten Preisunterschiede." Zudem mache es in der Praxis auch einen großen Unterschied, ob ein Betrieb defekte Komponenten tatsächlich vor Ort repariert oder lediglich austauscht, und ob gewisse Reparaturen von vornherein an externe Spezialisten vergeben werden.

Langfristige Kostenvorteile von Elektroautos

Auch wenn eine Reparatur mitunter teurer ausfallen kann, gibt eine Kostenanalyse des Fraunhofer-Instituts aus 2023 Grund zur Hoffnung: Demnach dürften bei E-Autos die Einsparungen bei den Betriebskosten trotz der höheren Anschaffungskosten auf lange Sicht überwiegen.