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BMW-Steyr-Chef über den Spagat zwischen E-Antrieb und Verbrennungsmotor: "Wir halten alle Wege offen"

BMW in Steyr startet ins Elektrozeitalter. Aber auch bei den Motoren für Verbrenner wurde aufgerüstet. China fürchtet man nicht.

Auch die Produktion des V8-Motors wurde von München zu BMW Steyr verlegt.
Auch die Produktion des V8-Motors wurde von München zu BMW Steyr verlegt.
Klaus von Moltke ist seit November 2022 Werksleiter bei BMW Steyr und hat in weltweit acht weiteren BMW-Werken die Leitung für Antriebsmaschinen.
Klaus von Moltke ist seit November 2022 Werksleiter bei BMW Steyr und hat in weltweit acht weiteren BMW-Werken die Leitung für Antriebsmaschinen.
4500 Beschäftigte zählt das BMW-Werk in Steyr. In den Aufbau der E-Antriebsfertigung fließen eine Milliarde Euro.
4500 Beschäftigte zählt das BMW-Werk in Steyr. In den Aufbau der E-Antriebsfertigung fließen eine Milliarde Euro.

Der Geschäftsführer des BMW- Motorenwerks im oberösterreichischen Steyr zeigt sich im offiziellen Foto im Blaumann. Im SN-Gespräch erklärt Klaus von Moltke, wie der Spagat zwischen E-Antrieb und Verbrennungsmotor gelingt, wie er die Konkurrenz aus China sieht und warum man zum Dieselmotor steht.

Herr von Moltke, die BMW Group testet humanoide Roboter. Wann sehen wir Menschenroboter bei BMW in Steyr? Wie sicher sind denn die 4500 Jobs im Werk noch? Klaus von Moltke: Also wir sehen keine Gefahr, dass diese Jobs gefährdet wären. Da wir die Verbrenner weiter bedienen und mit neuen Antrieben auch in die E-Mobilität einsteigen, haben wir für unsere Belegschaft zunächst einmal Stabilität. Der Einsatz von Robotern wird immer wieder untersucht, aber eher als Unterstützung am Band, für kritische Aufgaben, mehr Sicherheit und für die Stärkung der Qualität. Aktuell arbeitet BMW weltweit an Pilotprojekten, damit sind wir früh dran.

Steyr hat vom BMW-Fahrzeugwerk in München, das ab 2027 vollelektrisch wird, die Motorenmontage übernommen. War das eine Rettung oder Aufwertung? Die Transformation in München ist auch gelungen, weil wir in Steyr den Weg dafür geebnet haben. Im Herbst haben wir noch die Fertigung des V8-Motors bekommen, es ist der stärkste Motor, der je in Steyr produziert wurde. Die 500 Einzelteile werden großteils in Handarbeit montiert. Die Verlagerung der Motormontage ist nun abgeschlossen. Und ja, in Summe hatten wir 2023 ein gutes Produktionsvolumen, die Jahreszahlen werden wir im März präsentieren, aber so viel darf man sagen: Wir hatten ein gesundes Wachstum.

Soll BMW Steyr auch vollelektrisch werden oder das letzte Werk sein, das noch Verbrennungsmotoren baut? Wir leben nach wie vor stark von der Produktion der Verbrennungsmotoren, die werden wir auch weiterhin entwickeln und bauen, solange sie auf dem Weltmarkt nachgefragt werden. In Summe entfallen noch vier Fünftel des Volumens der BMW Group auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Der Anteil vollelektrischer Fahrzeuge bei unseren Neuzulassungen soll 2025 auf 25 Prozent steigen, bis 2030 sollen es dann 50 Prozent sein.

Vollelektrisch ist also kein Ziel für das Werk in Steyr? Es kann eine Möglichkeit sein, aber wir wissen es nicht. Sobald der Markt kippt, gibt es auch einen Weg dorthin, dann können wir in Richtung E-Mobilität noch ausbauen und aus den Verbrennern aussteigen. Technisch gesehen ist die Alternative da, aber es ist keine Entscheidung, die momentan von uns getroffen werden muss.

Mit welchem Rückgang rechnen Sie bei den Motoren? Zuletzt hat sich erstaunlicherweise und gegen unsere Prognosen der Dieselmotor eher stabilisiert, wir hatten mit einem deutlich schnelleren Rückgang gerechnet, als wir ihn jetzt sehen. Für uns ist das eine erfreuliche Nachricht, wir stehen zu unseren hocheffizienten Dieselmotoren, und er ist für viele Kunden immer noch relevant.

Wie weit ist man in Steyr nun mit dem Aufbau der E-Antriebs-Fertigung? Sehr weit. Die neuen Produktionshallen mit 60.000 Quadratmetern auf mehreren Etagen sind fertig, gerade werden 300 Maschinen und Anlagen im Wert von über 500 Mill. Euro aufgebaut und installiert. Im Sommer gehen wir mit den ersten E-Antrieben in die Vorserienproduktion, ab Ende 2025 liefern wir dann für die vollelektrische Neue Klasse direkt ins neue Fahrzeugwerk nach Debrecen in Ungarn. Wir können bis zu 600.000 E-Antriebe pro Jahr bauen, nach aktuellem Planstand sollen Ende 2026 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den E-Antrieb tätig sein.

Sind das neue Arbeitskräfte oder umgeschulte? Wir stellen uns flexibel auf und kommunizieren das auch offen mit unserer Belegschaft. Mit unseren bestehenden Kompetenzen können wir den Einstieg in die E-Mobilität gut darstellen. Es gibt viele automatisierte Bereiche und unsere Spezialisten können bei Bedarf und je nach Kompetenz von der Verbrennerwelt in die E-Mobilität gehen und umgekehrt. Niemand kann heute sagen, wie es mit dem Hochlauf der E-Mobilität genau weitergehen wird. Wir bedienen einen Weltmarkt, und der entwickelt sich unterschiedlich.

In Ungarn will auch der chinesische Autobauer BYD im nächsten Jahr sein erstes E-Auto-Werk in Europa eröffnen. Es gibt Prognosen, wonach ein chinesischer Autobauer in zehn Jahren Marktführer in Europa sein wird. Macht Sie das nicht nervös? Nein, wir sehen Wettbewerb als Stärke, das ist ein gesunder Druck, um mit neuen und innovativen Produkten auf den Markt zu kommen. Und wir sind mit unserem Produktportfolio bestens aufgestellt. Und in der E-Mobilität starten wir mit der neuen Klasse erst so richtig.

Tesla fordert Handelsschranken gegen chinesische Hersteller. Was sagen Sie dazu? Wir glauben nicht an Handelsbarrieren, wir denken offen. Und BMW verkauft auch in China immer noch sehr gut.

In Europa stottert der E-Auto-Markt gerade ziemlich, es wird eine wilde Rabattschlacht erwartet, dazu kommen viele günstige Einsteigermodelle auf den Markt. Was macht der Premiumautobauer BMW? Unsere Strategie ist, dass wir unsere Produkte dort platzieren, wo sie hingehören. Wir haben nicht den Zwang oder die Notwendigkeit, in einen Preiskampf zu gehen. Wir hatten 2023 ein Rekordwachstum.

Sie sehen keine Krise in Europas Autoindustrie? Nein - nicht, was die BMW Group betrifft.

Bundeskanzler Karl Nehammer hat das BMW-Credo der Technologieoffenheit in sein Wahlprogramm aufgenommen und eine Investitionsoffensive über eine Milliarde Euro für den "grünen Verbrenner" angekündigt. Wie viel fällt für BMW Steyr ab? Das wissen wir nicht, aber wir werden uns bemühen, den Standort weiter zu stärken. Wir wollen sowohl in der Produktion als auch in der Entwicklung als technisches Kompetenzzentrum gesehen werden. In Steyr haben wir auch eine große Entwicklungsmannschaft mit 700 Beschäftigten.

Was ist für Sie eigentlich ein "grüner Verbrenner"? Der Ansatz zur CO₂-Neutralität im Verkehr ist wichtig, und den verfolgen wir auch. Aber es ist auch wichtig, offene Wege zu haben. Wir haben neben den neuen E-Antrieben gerade auch eine erste Testflotte an Fahrzeugen mit Wasserstoff-Brennstoffzelle vorgestellt. Wir arbeiten an der Effizienzsteigerung der Motoren, und auch bei den E-Fuels wird die BMW Group Teil der Geschichte sein, wenn das einmal ein seriöses Angebot ist. Und wir wollen am Ende alle Materialien wiederverwerten und keinen Abfall produzieren. Wir fokussieren uns nicht auf einen Weg, und das wird uns in die CO₂-Freiheit führen.

Klaus von Moltke leitet seit Ende 2022 die BMW Motoren GmbH in Steyr. Der gebürtige Venezolaner hat Ingenieurswissenschaften studiert und ist seit 1998 im BMW-Konzern tätig. Neben der Werksleitung in Steyr hat er für weltweit acht weitere BMW-Werke die Leitung für Antriebsmaschinen. Im Vorjahr wurden in Österreich 20.154 BMW und Mini - davon 6313 vollelektrisch - neu zugelassen.

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