Amtshandlung in Mittersill

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Die Alte Glocknerhausstraße, die 1908 eröffnet wurde und von Heiligenblut als Mautstraße bis zum Glocknerhaus führte. Mit der Eröffnung der Gletscherstraße 1932 wurden die Reste der Straße, die nicht in die Südrampe der Großglockner Hochalpenstraße und die Gletscherstraße integriert wurden, aufgelassen. Hier eine historische Aufnahme zur Zeit der Begehung anlässlich der Amtshandlung in Mittersill.
Die Fuscher Lacke zur Zeit der Begehung anlässlich der Amtshandlung in Mittersill.

Die sogenannte Amtshandlung in Mittersill 1922 war der Beginn der Geschichte der Großglockner Hochalpenstraße und der Großglockner Hochalpenstraßen AG.

Hintergrund

Österreich kämpfte mit den katastrophalen wirtschaftlichen Folgen der Niederlage im Ersten Weltkrieg. 55 Milliarden Kronen an Reparationszahlungen waren Österreich am 2. September 1919 von den Siegermächten im Vertrag von Saint Germain (Frankreich) auferlegt worden - also 8.500 Kronen pro Österreicher (Österreich zählte damals 6,5 Millionen Einwohner). Das Staatsbudget 1919–1920 von 6,3 Milliarden Kronen konnte gerade einmal zwei Fünftel der Ausgaben (!) decken. Die österreichische Regierung musste immer mehr Geld als Papierfetzen drucken und die Inflation stieg. Mit ihr auch die Zahl der Arbeitslosen.

In diesen Jahren wurden auch Grundlagen der heutigen Sozialgesetzgebung geschaffen: Acht-Stunden-Arbeitstag, bezahlter Urlaub, Arbeitslosenversicherung und Überstundenschläge. Doch man wollte auch Versuche unternehmen, die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu schaffen und den Fremdenverkehr zu intensiveren.

Am 25. August 1922 erging ein Schreiben des damaligen "Büros für Fremdenverkehr" im Bundesministerium für Handel, Industrie und Bauten" an den Salzburger Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl. Darin wurde eine Begehung für eine befahrbare Wegverbindung zwischen Bad Fusch (in einem Seitental des Fuscher Tals) im Salzburger Pinzgau über das Hochtor bis zum Anschluss an die Alpenvereinsstraße, der alten Glocknerhausstraße, die in Kärnten von Heiligenblut zum Glocknerhaus führte, angekündigt. Weiters sollte eine zweite Straßenbesichtigung von Windisch Matrei über den Felber Tauern nach Mittersill erfolgen.

"Zweck der Begehung ist die Feststellung der Ausbauwürdigkeit dieses Weges zu einer fahrbaren Straße behufs Förderung des Fremdenverkehrs, sowie der Herstellung einer kürzeren Verbindung nach Osttirol. Aus diesem Grunde findet die Begehung ihre Fortsetzung in der Besichtigung der Straßenverbindung von Windisch-Matrei über die Felber Tauern nach Mittersill."

Das Ziel dieser Begehungen sollte die Feststellung einer fahrbaren Straße zur Förderung des Fremdenverkehrs sein.

Die Amtshandlung 1922

In dem als "Amtshandlung in Mittersill"[1] bekannt gewordenen Treffen vom 30. August bis 4. September wurde unter dem Vorsitz und auf Einladung des Leiters des Büros zur Förderung des Fremdenverkehrs, Bundesbahn-Oberinspektor Adolf Jahn aus dem Bundesministerium für Verkehrswesen (eine Vorgängerorganisation der "Österreich Werbung") gemeinsam mit weiteren Vertretern des Bundes sowie der Länder Kärnten, Salzburg und Tirol, die technische Machbarkeit einer befahrbaren Wegverbindung von Fusch nach Heiligenblut und von Mittersill über den Felber Tauern nach Windisch-Matrei anhand von intensiven Diskussionen und Begehungen in den Hohen Tauern geprüft und maßgeblich der eindeutigen Ergebnisse auch die Grundlage für die Errichtung der Großglockner Hochalpenstraße geschaffen.

Mittersill wurde gewählt, um gleich vor Ort im Anschluss an die Sitzung die Gebiete zu besichtigen. Zum Ende dieser Amtshandlung gibt es unterschiedliche Angaben. Der Erbauer Hofrat Wallack schreibt in den beiden Auflagen seines Buches "Die Großglockner Hochalpenstraße - die Geschichte ihres Baues" als Ende den 4. September. Clemens M. Hutter und Georg Rigele schreiben jedoch in ihren wesentlich jüngeren Büchern 5. September. In der jüngsten Literatur - "100 Jahre Mittersiller Amtshandlung Geburtsstunde der Großglockner Hochalpenstraße" (2022) - wird als Ende der Amtshandlung wieder der 4. September angeführt.

Oberinspektor Jahn griff dabei eine Idee von Oberbaurat Ing. Raimund Pierl (* 1846; 1923[2]) aus dem Jahr 1895 auf, der die Realisierung einer Straße über das Hochtor zwar untersucht, aber wegen Unmöglichkeit wieder verworfen hatte. Pierl gilt als Gründer der alten Glocknerhausstraße. Jetzt war aber eine neue wirtschaftliche Komponente dazu gekommen: Am Alpenhauptkamm der Zentralalpen der Ostalpen gab es zwischen dem Radstädter Tauern und dem Brenner auf 156 km Luftlinie keinen anderen befahrbaren Alpenübergang. Vor allem von Nordtirol musste man, um nach Osttirol zu gelangen, den Umweg über Südtirol, das mittlerweile zu Italien gehörte, nehmen (bei Waren gab es zolltechnische Probleme). Eine innerösterreichische, kürzere Verbindung wäre hier also dringend notwendig.

Über beide Begehungen entstanden umfangreiche Protokolle. Dieser Artikel nimmt nur zu Angaben auf die Hochtor-Variante Bezug. Nach dieser ersten Begehung im Fuscher Tal entschieden die Ingenieure, dass der Beginn der Straße nicht bei Bad Fusch hinauf in die Berge geeignet wäre. Außerordentliche steile und lawinengefährdete Hänge waren die Begründung. Man hielt an der Straßenführung durch die Bärenschlucht nach Ferleiten und von dort hinauf zum Hochtor fest.[3] In den weiteren Ausführungen wurde schon relativ genau eine mögliche Trasse über die Piff Alm und in Serpentinen zum Fuscher Törl hinauf und von dort über das Mittertörl über das Hochtor ins Mölltal beschrieben. Schon damals nahm man auch auf die Schneelage bedacht und sah in dieser Streckenführung, vor allem in der späteren Scheitelstrecke, die Möglichkeit einer Öffnung der Straße von Mitte Juni bis Ende Oktober. Diese Überlegungen waren neben anderen Punkten dann 1933 in der Beendigung des Variantenstreits zwischen Rehrl und Wallack ausschlaggebend. Die Fahrbahnbreite wurde aus Kostenüberlegungen auf 3,6 Meter festgelegt.

Das Ministerium hatte aber auch erkannt, dass ein Übergang genau im Zentrum der Hohen Tauern über die Tauern wahrscheinlich eine der schönsten Panoramastraßen darstellen könnte und somit besonders für den Fremdenverkehr fördernd wäre. Geografisch bevorzugte man den Übergang über das Hochtor, weil kürzer als über den Felber Tauern (26,5 zu 49,6 km), mit dem Nachteil, dass zwischen Hochtor und Fuscher Törl die Straße auf 5,5 km starken Schneeverwehungen ausgesetzt sein wird.

Jahn erkannte auch, dass der touristische Nutzen einer solchen Straße deutlich höher läge als jede andere Verwendung einer solchen Straße. Er meinte damit, sie sei nicht als Durchzugsstraße gedacht, die die kürzeste Verbindung zwischen Nord und Süd darstellen sollte. Ähnliche Gedanken hatte später auch der Salzburger Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl. Die Vertreter Kärntens waren begeistert von der Idee, dass Heiligenblut eine Verbindung nach Ferleiten erhalten sollte.

Die Folgen der Amtshandlung

Es folgen monatelange Debatten von Verfechtern beider Varianten, die Finanzierung wurde diskutiert. Am 23. Jänner 1924 beschloss die Salzburger Landesregierung Kontakte mit den Landesregierungen von Kärnten und Tirol mit dem Ziel des Ausbaus einer "Glocknerstraße" aufzunehmen. Landesrat Dr. Otto Troyer informierte dann am 8. Mai desselben Jahres den Salzburger Landtag darüber, dass ein Kostenvergleich der beiden Trassen - Felber Tauern und Hochtor - eindeutig günstiger für die Hochtorvariante ausgefallen sei (39 Milliarden Kronen zu 24 Milliarden Kronen). Außerdem war er von der Kärntner Landesregierung bereits angefragt worden, ob nicht ein Treffen von Vertretern beider Bundesländer sinnvoll wäre.

Überraschend machte sich etwa gleichzeitig die Tiroler Landesregierung für die Felber-Tauern-Variante stark. Es wäre die schnellste Verbindung zum getrennten Osttirol. Das wiederum rüttelte die Kärntner Landesregierung auf, die sich mit der Hochtor-Variante eine Belebung des Fremdenverkehrs nicht nur um Heiligenblut, sondern auch im Seengebiet erhoffte.

Also luden die Kärntner am 3. Juni 1924 zu einer Sitzung nach Klagenfurt: 48 Vertreter des Bundes, der Länder Salzburg und Kärnten, sowie der Handelskammern und Fremdenverkehrsverbände - aber niemand aus Tirol! Die Variante über das Hochtor wurde beschlossen. Dabei wurde auch die spätere Bezeichnung der Straße vom Salzburger Landesrat Dr. Otto Troyer geprägt: Großglockner-Hochalpenstraße (anfangs noch mit Bindestrich geschrieben). Am Ende der Sitzung wurde die Gründung des Ausschusses zur Erbauung einer Großglockner-Hochalpenstraße beschlossen.

Nach diesem Treffen machte man sich auf die Suche nach einem geeigneten Fachmann, der dieses Projekt technisch verwirklichen könnte. Und man fand diesen in der Person von Franz Friedrich Wallack beim Kärntner Landesbauamt.

Siehe auch

Literatur

Quellen

Einzelnachweise

  1. "Amtshandlung für die Zeit vom 30. August bis zum 5. September 1922" war der amtsdeutsche Wortlaut des Protokolls
  2. www.alpinwiki.at
  3. Wallack, Franz: Die Großglockner Hochalpenstraße - die Geschichte ihres Baues, Seite 2
Baugeschichte der Großglockner Hochalpenstraße