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Architekt:innen - "Projekte vom Entwurf bis zur Schlüsselübergabe begleiten"

Architekt:innen sind sehr viel breiter als "nur" gestalterisch tätig. Als Generalisten übernehmen sie auch Aufgaben im Bereich des Bau- und Kostenmanagements und der Qualitätskontrolle.

Beim Rotkreuz-Übergangsquartier in Innsbruck wurde eine Wiedernutzung in die Kosten miteinkalkuliert.
Beim Rotkreuz-Übergangsquartier in Innsbruck wurde eine Wiedernutzung in die Kosten miteinkalkuliert.

Ob Neubau, Zubau, Aufstockung oder kreativer Lösungsansatz: Architekt:innen und Ziviltechniker:innen begleiten und beraten ihre Kunden von der ersten Entwurfsphase bis hin zur Fertigstellung.

Architektin Melanie Karbasch
Architektin Melanie Karbasch

Über spezifische Angebote und Leistungen haben die "Salzburger Nachrichten" mit der Architektin Melanie Karbasch gesprochen. Das zweite Jahr ist sie im Salzburger Kammervorstand und in der Sektion der Architekten tätig. Zudem steht sie auch dem Ausschuss für Wettbewerb und Vergabe vor.

SN: Frau Karbasch, die Architekten und Ziviltechniker sind jedes Jahr auf der Messe Bauen+Wohnen vertreten. Welche Absichten sind mit der Messepräsenz verbunden?
Melanie Karbasch: So viel einmal gleich vorweg: Unsere Absicht auf der Messe ist ganz klar, nicht potenzielle Bauherren und Auftraggeber zu akquirieren. Für uns als Berufsgruppenvertreter geht es vielmehr darum, Besucher und Besucherinnen zu informieren, welches Leistungsspektrum wir anbieten. Die Bauen+Wohnen richtet sich ja hauptsächlich an private Bauherren. Das wiederum ist eine Zielgruppe, die meist nur ein Mal im Leben baut und dafür auch viel Geld in die Hand nimmt. Umso wichtiger ist es, sich für so ein Projekt eine kompetente Beratung zu holen! An diesem Punkt kommen wir Architekten ins Spiel. Es ist vielen privaten Bauherren oft nicht ganz bewusst, dass auch unsere Berufsgruppe die Beratung und Betreuung rund ums Bauen in vollem Umfang leisten kann. Uns haftet da oft der Ruf der Entwerfer an, die nicht so viel von der Praxis verstehen. Das Gegenteil ist der Fall: Fakt ist, dass wir Architekten Bauprojekte vom Entwurf bis zur Schlüsselübergabe begleiten, mit Bauaufsicht und allem, was da so dazugehört.

SN: Man kann Architekten und Architektinnen also auch mit einzelnen Leistungen beauftragen, etwa dafür, um eine Grundidee zu entwickeln?
So ist es. Erst vor Kurzem habe ich ein Projekt betreut, bei dem die Aufgabenstellung lautete, ein Konzept für ein Grundstück mit einem Bestandsobjekt zu entwickeln. Der Auftrag bestand darin, die optimale städtebauliche Lösung in einer Machbarkeitsstudie zu erarbeiten bzw. nachzuweisen, dass die gewünschte Ergänzung Platz auf dem Grundstück hat und sich in den Kontext einfügen kann. Das Ergebnis war positiv und die Bauherren haben sich für das Projekt gemeinsam mit mir entschieden. Es gibt verschiedene Leistungsphasen, die in Anspruch genommen werden können. Das beginnt mit der Grundlagenermittlung, aufbauend darauf erfolgen Konzept und Vorentwurf. Die nächsten Schritte bestehen in der Entwurfsplanung, der Einreichung und einem positiven Bescheid. Die Leistungsphase fünf besteht in der Ausführungsplanung, danach folgt die Ausschreibung der Bauleistung auf Basis der Pläne. Den Schlusspunkt bilden die örtliche Bauaufsicht und die Dokumentation. Es gibt eine Reihe von Kollegen und Kolleginnen, die Projekte allerdings nur bis zur Einreichung betreuen und danach übergeben. Persönlich schätze ich es sehr, eine Idee konsequent bis zum Ende umsetzen zu können. Ich halte eine komplette Projektbegleitung für sehr sinnvoll.

SN: Warum lohnt es sich, in eine sorgfältige, umfassende Planung zu investieren? Welche Aspekte werden von Architekten und Architektinnen anders beurteilt?
Für uns steht eine städtebauliche Betrachtung immer am Beginn eines Konzepts - bevor wir beginnen, uns mit Grundrissen auseinanderzusetzen, werden Kubaturen, Ausrichtungen, Nachbarbebauungen, Dachformen etc. untersucht. Eine Analyse des Kontexts, sprich: zu schauen, wie ein Grundstück ausgerichtet ist und wie es sich in die Umgebung einfügt, ist von enormer Bedeutung. Hier liegt meines Erachtens auch die große Stärke der Architekten: Sie arbeiten als Generalisten und beziehen eine Vielzahl von Aspekten in ihre Betrachtungen mit ein. Das ist nicht nur für das gebaute Objekt selbst sinnvoll, sondern attraktiviert auch die gesamte Umgebung. Das "Feintuning" erfolgt dann unter Einbeziehung der Fachplaner und Fachplanerinnen. Und auch das macht sich bezahlt, denn: Ist ein Projekt ganzheitlich und clever geplant, dann sinkt auch die Fehleranfälligkeit. Das wiederum spart dem Bauherrn, der Bauherrin Kosten. Eine solide Planung bildet immer die Basis für Kostensicherheit.

SN: Zum Thema Bauen im Bestand: Werden solche Aufträge in Ihrer beruflichen Praxis häufiger?
Zurzeit betreue ich gerade ein Projekt in der Stadtmitte von Wels. Dabei handelt es sich um ein sehr großes Einkaufszentrum älteren Datums, das aufgestockt werden soll. Insgesamt werden hier 40 zusätzliche Wohnungen realisiert. Der bestehende Bau ist tragwerkstechnisch sehr ausgereizt, weshalb bei der Erweiterung Holz als Baustoff zum Einsatz kommt. Geplant ist unter anderem auch, dass die Dächer begrünt werden, das Gebäude soll zu 80 Prozent entsiegelt werden. Worauf ich hinauswill: Dieses Projekt steht exemplarisch dafür, wie gute Architektur auf die Fragen der Zeit reagieren kann. Bestandsnutzung, Aufstockung, Flächenversiegelung, innerstädtisches Wohnen nahe an der bestehenden Infrastruktur - das sind genau jene Themen, die uns auch künftig beschäftigen werden. Bauen im Bestand wird auf jeden Fall immer wichtiger, Aktivierung wird eines der Kernthemen der nächsten Jahre sein, davon bin ich überzeugt.

SN: Antworten auf die Fragen der Zeit zu finden gehört für Sie somit auch zum Berufsbild?
Das möchte ich entschieden mit Ja beantworten, aber es wäre anmaßend zu behaupten, dass es immer die richtigen Antworten sind, aber es sind immerhin Antworten.
SN: Apropos Lösungen: Eines Ihrer jüngeren Projekte ist das Interimsquartier der Leitstelle des Roten Kreuzes in Innsbruck. Dort haben Sie unter Beweis gestellt, dass ein Holzbau günstiger sein kann als eine Containerlösung ...
Wir haben bei diesem Projekt die gesamte Lebenszyklusbetrachtung, also Planung, Errichtung, Betrieb, Abbau und Wiedererrichtung, miteinbezogen und dann Container- und Holzbaulösung miteinander verglichen. Die Holzbaulösung hat mit außerordentlich großem Mut des Roten Kreuzes Freiwillige Rettung Innsbruck zu unkonventionellen Lösungen gegenüber der üblichen Containerlösung das Rennen gemacht. Das Gebäude ist ein sogenannter Edelrohbau, der komplett rückbaubar ist, die Wiedernutzung bietet viele Möglichkeiten. Einzelne Gebäudeteile könnten getrennt voneinander weiterverwendet werden oder aber fertig ausgebaut. Meine Idee wäre, dass so ein Bausatz weiterwandern könnte - immer dahin, wo er gerade gebraucht wird, zum Beispiel von Stadt zu Gemeinde für unterschiedliche provisorische Nutzungen.

SN: Das tägliche Brot der meisten Architekten und Architektinnen besteht also nicht darin, große künstlerische Visionen umzusetzen, sondern eher im Finden praktikabler Lösungen?
Ich kann ehrlich sagen: Mein tägliches Brot sind Kosten und Zeitdruck. Projekte wie das in Innsbruck haben gar nichts mit Prestige- oder Hochglanzarchitektur zu tun. Dabei handelt es sich um knallharte Gebrauchsarchitektur, die aber mindestens genauso wichtig ist.

SN: Welche Botschaft würden Sie den Messebesuchern und Messebesucherinnen auf der B+W gerne mitgeben?
Aus meiner Erfahrung wird gerade bei Einfamilienhäusern oft viel zu groß gebaut und auch zu komplex gedacht. Mein Rat an die Häuslbauer wäre, sich mit dem eigenen Lebenszyklus auseinanderzusetzen und über die nächsten zehn Jahre hinauszudenken, was etwa die Garagenplätze oder das Raumprogramm betrifft. Zudem: Viel Fläche bedeutet nicht automatisch eine bessere Architektur oder eine bessere Nutzbarkeit. Das Um und Auf ist immer noch ein guter Grundriss! Und es lohnt vielleicht, darüber nachzudenken, was wirklich für gutes Wohnen und den Betrieb eines Gebäudes notwendig ist. Es sind nicht immer nur die Baukosten, die so hoch zu Buche schlagen, sondern auch, dass durchwegs zu komfortabel und zu groß gebaut wird.


Die Kammer der Architekt:innen und Ziviltechniker:innen, Salzburg/Oberösterreich finden Sie auf der diesjährigen "bauen-wohnen"-Messe vom 8. bis 12. Februar im Salzburger Messezentrum in Halle 10 / Beratungsstraße