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Krankenstand: Gesunde Arbeitskultur, gesunde Belegschaft

Was Unternehmen beitragen können, wenn es darum geht, krankheitsbedingte Ausfälle gering zu halten.

Kurzkrankenstände belasten – vor allem kleine Betriebe.
Kurzkrankenstände belasten – vor allem kleine Betriebe.

Österreich hustet, schnupft und fiebert: Seit der Pandemie sind zu den üblichen Grippefällen und Infekten die Coviderkrankten hinzugekommen. Das wirkt sich auf die Krankenstandtage aus. Lagen diese in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt bei 12 bis 13 pro Jahr, sind sie 2022 um rund 20 Prozent nach oben gegangen: Die Österreicherinnen und Österreicher waren zuletzt 14,9 Tage pro Jahr krank, zeigen die Zahlen des Dachverbands der Sozialversicherungsträger.

Das Problem: Krankenstände sind teuer

Allein die direkten Kosten für Wirtschaft und Sozialversicherung sollen laut Wirtschaftsforschungsinstitut bei mehr als vier Milliarden Euro pro Jahr liegen. "Wir schätzen, dass Unternehmen für einen Tag Krankenstand rund 250 Euro in die Hand nehmen müssen", sagt auch Lorenz Huber, der den Bereich Sozial- und Arbeitsrecht der Wirtschaftskammer Salzburg leitet. Er erläutert: "Einerseits geht die Arbeitsleistung und damit Wertschöpfung verloren. Andererseits haben die Betriebe Mehrkosten, weil sie zum Beispiel zusätzlich zum Lohn die Überstunden von Kolleginnen und Kollegen zahlen müssen." Gerade Kurzkrankenstände können teuer kommen, zeigt der aktuelle Fehlzeitenreport: So tun sich besonders Kleinbetriebe schwer, solche Ausfälle zu kompensieren, denn sie können weniger flexibel umdisponieren als Konzerne.

Krankenstand als Symptom

Da ein Tag, dort einmal zwei. Wenn sich kürzere Krankenstände häufen, könne das ein Hinweis darauf sein, dass im Unternehmensgefüge etwas nicht stimmt, weiß Birgit Artner. Sie ist Leiterin der Arbeits- und Organisationspsychologie beim AMD Salzburg, der Gesellschaft für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Arbeitspsychologie.

"Betriebe haben selten ohne Grund vermehrte Krankenstände."
Birgit Artner
Leiterin Arbeitspsychologie, AMD

"Betriebe müssen sich dann fragen: Ist das Arbeitspensum zu hoch? Liegt es an einer Führungskraft? Oder an einem neuen Programm, das die Leute überfordert, weil sie nicht darauf eingeschult wurden?", sagt die Expertin. "Denn es gibt selten ohne Grund vermehrte Krankenstände."

Krank machende Arbeitsbedingungen aufdecken

Artner rät Unternehmen dazu, Belastungen am Arbeitsplatz zu evaluieren, um krank machende Arbeitsbedingungen herauszufinden. Aktuell sei die Arbeitsverdichtung durch den Fachkräftemangel ein großes Thema. "Es bleibt mehr Arbeit für weniger Leute. Da muss ich mir als Arbeitgeber anschauen, wie der Workload verteilt ist. Gebe ich bestimmten Personen mehr zu tun als anderen?"

Das ist auch im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, das auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzielt. Inzwischen weite sich diese Fürsorgepflicht immer mehr auf psychische Themen aus. "Wenn ich das Gefühl habe, ich bin überlastet oder werde gemobbt, und kommuniziere das meinem Arbeitgeber, dann sollte er im Idealfall auch darauf reagieren", empfiehlt die Arbeitspsychologin im Sinne der Prävention.

Gute Führungskraft muss Warnsignale von Mitarbeitern erkennen

Eine gute Führungskraft bemerke bereits an einer veränderten Körperhaltung, daran, dass Mitarbeitende sich zurückziehen, grantiger sind als üblich oder plötzlich Abgabefristen vergessen, dass etwas nicht stimmt. "Ich rate dazu, die Führungsverantwortung wahrzunehmen, mit den Leuten zu reden, sie zu fragen, was sie brauchen", so Artner. Der AMD schule Betriebe in genau diesem Erkennen von Warnsignalen und gebe Führungskräften einen Leitfaden mit, wie sie Themen wie Scheidung, Depression oder ein drohendes Burn-out ansprechen können.

Präsentismus: Nicht zu unterschätzen ist die Vorbildwirkung von Führungskräften

Birgit Artner: "Wenn Führungskräfte verschnupft und verrotzt im Onlinemeeting sitzen, teilen sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unbewusst mit, was im Unternehmen erwartet wird." Präsentismus heißt es, wenn man trotz Krankheitssymptomen arbeitet. "Weder vom arbeitsrechtlichen Standpunkt noch im Sinne der Genesung ist es gut, wenn jemand kränklich sein Pensum erfüllen will", sagt Artner. "Wir beobachten, dass dieses Phänomen durch Corona zugenommen hat, weil viele die Gelegenheit nutzen, im Homeoffice zu arbeiten." Diesen Eindruck bestätigt eine ÖGB-Umfrage, laut der 92 Prozent der Befragten schon einmal krank zur Arbeit erschienen sind. Artner räumt ein: "Oft setzen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus falsch verstandener Loyalität und Pflichtbewusstsein hier selbst unter Druck."

Prävention: Anerkennend Gesundheit fördern

Welchen Einfluss haben nun Unternehmen selbst auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Gerade bei psychischen Erkrankungen, die zwar nur 3,2 Prozent der Fälle, aber 11,4 Prozent der Krankenstandtage ausmachen, könne man mit Prävention viel erreichen. Die Leute ernst nehmen, Wertschätzung, Anerkennung, so weit wie möglich Handlungsspielraum bieten - all das seien gesundheitsförderliche Bedingungen, betont die Expertin: "Indem Betriebe ihren Mitarbeitern zeigen, dass diese ihnen wichtig sind, können sie viel gegen Krankenstände tun."