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Ich kaufe eine Hose und ich hasse es

Über einen Traum vor dem großen Spiegel in einer Umkleidekabine.

Bernhard Flieher

Tanja gibt mir eine Hose in die Hand. Das wäre mal etwas Frisches für dich, sagt sie. Ich sage, ich hätte gerne wieder genau die eine Hose, die ich damals bei ihr gekauft habe. Diese Hose von dem Anzug, sage ich. Naturgemäß erinnert sie sich. Man könnte sagen, dass Tanja die Modeberaterin meiner Wahl ist. Daher treffe ich sie sehr selten. Neue Kleidung brauche ich nur im Notfall. Ausgeleierter Pullover. Eingerissenes Sakko. Durchgewetzte Hose. Dann muss ich hin. Und ich ärgere mich, dass ich beim letzten Einkauf wieder den Fehler gemacht habe, nicht gleich mehrere Stücke vom selben gekauft zu haben. Auf Vorrat. Denn immer, wenn ich komme, ist, was ich einmal kaufen konnte, nicht mehr da, ist der Raserei der Mode zum Opfer gefallen. Out of fashion, quasi. Nicht mehr erhältlich. Dabei bin ich sicher, gar nichts gekauft zu haben, das jemals in fashion war. Ich verabscheue die Mechanismen der Modewelt. Ich kaufe nie Mode. Ich kaufe Gewand, das passt. Seit Jahren dieselben T-Shirts, dieselben Jeans, dieselben Hosen. Immer recht ähnliche Jacken. Während in der Musik, beim Lesen, im Kino das Abenteuer darin liegt, neue Welten zu betreten, bereitet mir das Betreten eines G'wandgeschäftes Unbehagen. Ich bin nicht gemacht fürs Probieren. Und schon gar nicht bin ich gemacht für Entscheidungen, die sich am Optischen orientieren. "Passt" oder "Passt nicht" beziehe ich auf Weite und Länge, nicht auf die äußere Wirkung. Ich brauche Buchstaben, Wörter und Sätze, um mich zwischen Gut und Böse entscheiden zu können. Ein Spiegel ist da keine Hilfe. Zwischen schön aufgelegten Pullovern und fein sortieren Hosen gehe ich verloren. Da bin ich verstoßen in eine Welt, die dauernd ihre Form verändert, weil sie sich nach diesem Geschäftsmodell dreht. Tanja sagt, dass sie sich eh erinnert, an den Anzug. Aber es gebe halt Sachen, die es dann nicht mehr gibt, weil die Leute auch gerne etwas Neues anziehen. Zu diesen Leuten, die nach Saison einkaufen, gehöre ich nicht, na ja, vielleicht bei Obst und Gemüse. Dann schlüpfe ich missmutig in eine Hose, von der ich vor dem Schließen von Reißverschluss und Knopf schon weiß, dass ich sie nicht haben will, egal wie gut sie passt. Und ich schaue in den Spiegel in der Umkleidekabine. Und ich sehe mir zu, wie ich anfange, davon zu träumen, dass ich einen Kleiderschrank besitzen möchte, der für das ganze Leben reicht. Dann nehme ich zwei Jeans, die ich immer habe, von denen ich aber nicht wusste, dass Tanja sie im Sortiment führt - eh nicht mehr lange, zerstört sie meine Hoffnung auf eine sorglose Hosenzukunft. Und dann gehe ich in die Buchhandlung.