SN.AT / Wirtschaft / Welt / Wirtschaft

Billigware von Temu, Shein & Co.: VKI prüft Klage gegen chinesische Onlinegiganten

Chinesische Onlinegiganten wie Temu und Shein dehnen ihre Präsenz in Europa aus dank Billigware und aggressiver Werbung. In Österreich untersuchen Konsumentenschützer des VKI derzeit, ob rechtliche Schritte gegen diese Geschäftspraktiken eingeleitet werden können.

Temu, Shein & Co.: Die Apps der chinesischen Onlinegiganten nutzen auch viele in Österreich.
Temu, Shein & Co.: Die Apps der chinesischen Onlinegiganten nutzen auch viele in Österreich.

"Es ist eine Müllstraße, die sich da von China bis nach Österreich zieht. Und die Dimension ist längst gewaltig", sagt Rainer Will, Chef des Handelsverbandes. 20 Millionen Pakete mit Billigware aus China - ob Mode, Elektroartikel oder Schuhe - seien schon im Vorjahr nach Österreich geliefert worden, sagt Will. Tendenz rasant steigend. Denn die chinesischen Onlinegiganten wie Temu, Shein & Co. drängen zuletzt massiv auf den europäischen Markt. "Und das unter absolut unfairen Wettbewerbsbedingungen", kritisiert der Handel.

Nicht nur würden Arbeitsbedingungen und Umweltstandards nicht eingehalten. Laut einer von Greenpeace beauftragten Studie seien bei Laboruntersuchungen von 47 aus China bestellten Billigtextilien bei 96 Prozent gefährliche Chemikalien gefunden worden. Datenschutz sei kein Thema, bestellt werde fast ausschließlich über Apps, die sich laut Datenschützern durch eine Datensammelwut auszeichnen. Der Umweltschaden sei enorm, nicht nur in der Produktion der Billigwaren, importiert würden die Produkte zudem fast ausschließlich mit dem Flugzeug. Glatt betrogen werde aber auch bei Zöllen, sagt Will. "Uns liegt ein Retourenformular vor, bei dem der Kunde explizit darum gebeten wird, bei möglichen Rücksendungen den Warenwert mit maximal 9,99 Euro anzugeben, um so Zölle zu vermeiden." Zölle werden für die Einfuhr nach Europa erst ab einem Warenwert von 150 Euro eingehoben.

Zwei Drittel könnten falsch deklariert sein

Die EU-Kommission selbst gehe für 2023 von rund zwei Milliarden Paketen aus, die aus China unter dem Titel "zollfrei" nach Europa geliefert wurden. Zwei Drittel davon könnten falsch deklariert sein, so die Vermutung. Und auch bei der Umsatzsteuer werde damit kräftig betrogen, betont Will. Die frühere Regelung, dass erst ab 22 Euro Warenwert Umsatzsteuer beim Import eingehoben wird, wurde zwar 2021 gekippt. "Wer aber einen geringeren Warenwert angibt, zahlt weniger Umsatzsteuer." Österreichs Händler fordern daher seit Langem das Fallen der Zollgrenze von 150 Euro - und mehr Fairness im Wettbewerb. Geflogen würden die Waren im Übrigen fast ausschließlich nach Ungarn und dann nach Österreich weitertransportiert, sagt Will, weil dort der Zoll "offenbar laxer" gehandhabt werde.

Auch die heimischen Konsumentenschützer haben die neue Billigflut aus China im Visier. Der VKI habe in den vergangenen Monaten eine stete Zunahme von Beschwerden zu Onlineplattformen wie Temu und Shein festgestellt, sagt Petra Leupold, die Leiterin der Klagsabteilung beim VKI. Beschwerden beträfen vor allem lange Lieferzeiten, kostspielige und unklare Retouren, etwa durch hohe Rücksendekosten ins EU-Ausland, schlechte Produktqualität oder gefälschte Produkte. Teilweise werde auch das in Europa geltende zweiwöchige Rücktrittsrecht nicht anerkannt oder versucht, Verbraucherinnen und Verbraucher mit Gutscheinen abzuspeisen. "Der VKI prüft daher derzeit die Rechtslage und wird gegebenenfalls mit Verbandsklagen gegen Temu vorgehen", so Leupold.

Erst in der Vorwoche hat die deutsche Verbraucherzentrale angekündigt, rechtliche Schritte gegen Temu zu prüfen. Der Vorwurf: Willkürlich erscheinende Rabatte, fragwürdige Bewertungen und manipulative Designs würden Konsumentinnen und Konsumenten verunsichern. Laut Verbraucherzentrale sei unklar, wie ausgewiesene hohe Rabatte zustande kommen. Außerdem werbe die Plattform damit, dass sich der CO₂-Fußabdruck verringere, wenn die bestellten Waren nicht nach Hause, sondern zu einer Abholstelle geliefert werden. Dabei hätten die Produkte bis zur Zustellung bereits lange Wegstrecken zurückgelegt. Während des Bestellens würden Kunden darüber hinaus unter Druck gesetzt mit eingeblendeten Hinweisen wie "Beeil dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb". Die deutsche Verbraucherzentrale sieht darin ein manipulatives Design, sogenannte Dark Patterns.

Die Rechtslage sei bei all diesen Verstößen in Österreich ident, erläutert VKI-Expertin Leupold. Onlineplattformen seien verpflichtet, von manipulativen Verkaufstechniken wie Countdowns abzusehen. Bei Rabatten in Beträgen oder Prozenten sei der vorherige niedrigste Preis der letzten 30 Tage anzugeben. Verboten sei auch die Behauptung, dass Onlinebewertungen eines Produkts "echt" sind, wenn das nicht vorher geprüft wurde.

Auch in anderen EU-Ländern werden Maßnahmen gegen Temu und Co. erwogen

Temu selbst wies gegenüber der deutschen Verbraucherzentrale die Vorwürfe zurück. Man verpflichte sich, "sicherzustellen, dass unsere Praktiken fair sind", sagte eine Sprecherin gegenüber der dpa.

Auch in anderen EU-Ländern werden bereits Maßnahmen erwogen. In Frankreich verabschiedete das Parlament zuletzt ein Gesetz zum Verbot der Werbung für Schnäppchenkleidung und eine Umweltabgabe von bis zu zehn Euro auf Billigartikel.

Scharfe Kritik kommt auch von Umweltorganisationen wie Greenpeace. "Das sind Billigstklamotten, die designt sind, um sie ein Mal zu tragen und dann wegzuwerfen", kritisiert Lisa Panhuber. "Umweltschädlicher geht es nicht." Slogans wie "Einkaufen wie ein Milliardär" würden zudem zu unüberlegten Käufen verführen.

Der chinesische Onlinegigant Shein ist erst Ende 2022 in Europa gestartet, 30 Milliarden Dollar Umsatz macht er weltweit. Im Frühjahr 2023 folgte Temu, die chinesische Mutter PTT setzt 37 Milliarden Dollar um.

WIRTSCHAFT-NEWSLETTER

Abonnieren Sie jetzt kostenlos den Wirtschaft-Newsletter der "Salzburger Nachrichten".

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.

KOMMENTARE (2)

Dietmar Martsch

warum sollte ich aus einem totalitären Land wie China Waren kaufen?
Antworten

Manfred Siebinger

Dank der chinesischen Originalpreise wissen wir nun, was die Händler aufschlagen / verdienen. zuerst WISH, nun TEMU. Ich war und bin immer zufrieden mit der Qualität ❣️
Antworten

Mehr zum Thema