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Ratlos bei der Studiumswahl: Etwas mit Bio oder Medien

Noch nie haben so viele junge Menschen in Österreich studiert. Die Generation Z hat 2700 Studiengänge zur Auswahl und ist von der schieren Menge oft überfordert.

390.000 junge Menschen waren im Vorjahr an einer Hochschule eingeschrieben.
390.000 junge Menschen waren im Vorjahr an einer Hochschule eingeschrieben.

Die Zahl der jungen Menschen in Österreich, die eine akademische Karriere einschlagen, war noch nie so hoch. 390.000 Personen, jeder vierte 18- bis 25-Jährige, waren im Vorjahr laut Bildungsministerium an einer Hochschule eingeschrieben (24,7 Prozent der Altersklasse laut Statistik Austria, bereits 29,8 Prozent bei den Frauen). Und während Wissen und Bildungsangebot explodieren, ist die Generation Z bei der Studiums- und Berufswahl oft rat- und orientierungslos. Das Angebot ist zu groß, und die alten Lebenswege sind aus der Zeit gefallen. Man lässt sich von Eltern keinen Beruf mehr eintrichtern, man wird auch nicht mehr Arzt oder Anwältin, weil das in der Familie immer schon so war.

Die Vielfalt der Möglichkeiten bei der Wahl der Ausbildung

Das Angebot an den 22 öffentlichen Universitäten des Landes, 21 Fachhochschulen, 14 Pädagogischen Hochschulen, zwei Privathochschulen und 17 Privatuniversitäten ist mittlerweile nicht mehr überschaubar. Die Plattform Online-Tutor studium.at listet sage und schreibe 2691 Studiengänge auf.

Neben den klassischen "alten" Fächern wie Jurisprudenz, Medizin oder Geisteswissenschaften gibt es Tausende Spezial- und Nischengebiete, wie eine willkürliche Auswahl zeigt: Accounting, Auditing and Taxation, Afrikawissenschaften, Advanced Nursing Practice, Animal Breeding and Genetics, Sustainability Marketing & Leadership, Nachhaltige Regional- und Destinationsentwicklung, Peace and Conflict Studies, Umweltmanagement in Bergregionen, Facility und Immobilienmanagement. Man wird Bachelor oder Master und ist somit EU-kompatibel.

Was verbirgt sich hinter Lehrgängen mit klingenden Namen

Doch was sich hinter den klingenden Lehrgängen verbirgt und welche Berufschancen damit verbunden sind, ist eine Frage, die nicht nur Junge überfordert.

Es sei "echt zum heulen", meint eine Schulabgängerin auf der deutschen Seite Studis online in der für Social-Media-Kommunikation üblichen Sprache ohne Punkt und Komma und gängige Rechtschreibregeln. "Ich bin eine von denen die mit der Studienwahl absolut überfordert ist. Bei den paar Sachen die mich interessieren hab ich natürlich nach Erfahrungen was Berufschancen angeht gegoogelt und finde viele die von den Studiengängen abraten. Ich finde zum Beispiel Naturwissenschaften, vor allem Bio, sehr interessant, aber ich glaube jeder hier weiß was über Berufe in dem Bereich gesagt wird." Es gebe zwei Möglichkeiten: "Mach das was dir gefällt und was dich wirklich interessiert, der Rest wird sich schon ergeben oder … studier lieber was mit Zukunft und wo dir n Job sicher ist. Was kann man denn dann studieren außer Medizin, BWL, Jura, Lehramt, Informatik oder Ingenieurwissenschaften? Alles andere wird ja als brotlos bezeichnet …", meint die junge Frau mit dem passenden Nicknamen keinplanvomleben.org.

Biologie sei nicht zwangsweise eine brotlose Kunst, antwortet Dimitri. "Ich selbst bin mit mehreren Biologen befreundet und da ist niemand arbeitslos. Allerdings arbeiten viele von denen auf Stellen, die eigentlich gar nicht für Biologen sind, sondern für Laboranten, und entsprechend ,wenig' verdienen sie dort auch. Gerade wenn man nur einen Bachelor hat, sollte man nicht damit rechnen, direkt in eine leitende Position zu kommen. Selbst ein Master ist kein Garant dafür. Eine der heiß ersehnten Stellen bekommst du ohnehin nur, wenn du einer der 1,0er-Studenten bist, die ihren Lebenslauf mit Toppraktika optimieren", spielt Dimitri auf den in Deutschland gefürchteten Numerus clausus an.

Nach der Matura: Zeit zum Orientieren

Magdalena aus Salzburg ist heuer 18 geworden und hat die Matura mit dem begehrten Notenschnitt von 1,0 abgeschlossen. Sie sei stolz und fühle sich befreit, aber sie ist auch besorgt.

"Ich bin froh, dass der Stress vorbei ist. Es ist da aber auch eine Leere: Wie soll es weitergehen?"
Magdalena
Maturantin, Salzburg

"Ich bin wirklich froh, dass dieser ganze Stress vorbei ist, dass der Druck ein Ende hat. Andererseits ist da auch eine Leere, weil ich nicht weiß, wie es weitergeht, und weil mit dem Schulabschluss ganz viel zu Ende geht. Dass ich meine Freunde nicht mehr sehen werde und die bekannten Gesichter. Ich werde jetzt dauernd gefragt, wie es nach der Matura weitergeht. Ich weiß das aber noch nicht." Die 18-Jährige will zunächst ein Jahr Pause machen, arbeiten, Geld verdienen und dann weitersehen.

Mit einem Gap Year zur Orientierung ist nichts verloren

Das sogenannte Gap Year, ein Sozialjahr im Ausland, ein Praktikum im Inland, wird laut Experten immer häufiger gewählt.

"Da ist nichts verloren, das kann ein Orientierungsjahr sein, eine Auseinandersetzung mit dem echten Leben", meint Lukas Mang, Leiter des Talentecheck der Wirtschaftskammer Salzburg.

Das klassische Gymnasium bereite nicht auf das Berufsleben vor. Und nur 35 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der siebten Klasse nehmen am Karrierecheck teil, der speziell für sie angeboten wird. Beim Talentecheck für die 13-Jährigen seien die Eltern noch (verpflichtend) dabei. "Die 16-, 17-Jährigen sind dann in einem Alter, wo sie sich mehr abkapseln wollen, die wollen Autonomie." Mehr Bewusstsein wäre wünschenswert, meint Mang. AHS-Maturantinnen und -Maturanten ohne weitere Berufsausbildung haben vergleichsweise hohe Arbeitslosenraten.

Bei der Wahl des Studiums tun sich laut Mang zwei Gruppen am schwersten: "Die mit zu wenig Talenten und die, die überall gut sind oder überdurchschnittliche Leistungen abliefern. Wenn die Potenzialanalyse in der Testung viele Möglichkeiten ergibt, macht es das nicht einfacher, die Möglichkeiten einzuschränken." Er rät, strukturiert zu recherchieren: Optionen, Fähigkeiten, Neigungen. Oftmals übersehen werde dieser Aspekt: "Was ich locker und leicht geschafft habe in der Schule, ist oft auch mein besonderes Potenzial."

Maturant:innenberatung Salzburg hilft bei der Studienwahl

Michaela Poxleitner von der Studienberatung der Fachhochschule Puch kennt die Nöte der jungen Maturantinnen und Maturanten. "Viele sind orientierungslos, ein bisschen ist das auch noch Corona geschuldet. In der Zeit des Homeschoolings hatte die Bildungsberatung nicht die höchste Priorität, weil ganz andere Themen zu stemmen waren."

Die FH Puch hat zusammen mit der Wirtschaftskammer, der Universität Salzburg, der Hochschülerschaft und der Privatuniversität Schloss Seeburg das Projekt "Maturant:innenberatung Salzburg" ins Leben gerufen. "Wir führen viele Beratungsgespräche im Jahr, bei uns kann man anrufen, ein E-Mail schreiben. Wir beraten unabhängig. Wir wollen auch die Ängste nehmen, dass man sich falsch entscheidet. Wir versuchen, bei alldem in die Lebenssituationen der Schülerinnen und Schüler einzutauchen." Immer schon (und nach wie vor) im Trend in Puch: "Alles rund um Medien" und Physiotherapie. Und wie an vielen Hochschulen wird in Sachen künstlicher Intelligenz scharf aufgerüstet.