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Zehntausende Wohnungen fehlen pro Jahr: Österreich steuert auf Notstand zu

Baubewilligungen haben sich binnen vier Jahren halbiert, während die Bevölkerungszahl wächst. Bauträger fordern Gegenmaßnahmen.

Die Baubewilligungen halbieren sich, während die Bevölkerungszahl weiter steigt. Das geht sich nicht aus, meinen auch Experten.
Die Baubewilligungen halbieren sich, während die Bevölkerungszahl weiter steigt. Das geht sich nicht aus, meinen auch Experten.

Die Baubranche, die während Corona satte Gewinne eingefahren hat, ruft nach dem Staat, um einen drohenden Wohnungsnotstand im Land abzuwenden. Hintergrund ist der Einbruch der Wohnbautätigkeit. Seit 2017 hat sich die Zahl der Baubewilligungen mehr als halbiert - von 71.000 auf nun 33.900 Wohneinheiten im Jahr. Torsten Kreft, Chef von Hagebau Österreich, spricht von "einem echten Absturz", der sich heuer und 2025 fortsetzen werde. Weil parallel die Bevölkerungszahl und der Bedarf weiter spürbar steigen, steuere das Land auf "massive Wohnungsknappheit und noch stärker steigende Mieten" zu. Mindestens 10.000 bis 20.000 neue Wohneinheiten würden jährlich fehlen. "Wir müssen vier Gänge raufschalten", sagt Baumit-Geschäftsführer Georg Bursik. Erschwinglicher Wohnraum sei ein soziales Grundbedürfnis. Das stehe auf dem Spiel, ebenso die Zukunftsperspektive junger Menschen, sich Immobilienbesitz zu schaffen oder zu erwerben. Zudem seien ohne politisches Gegensteuern "Tausende Arbeitsplätze" in der Baubranche gefährdet, sagt Kreft. Die Baubranche beschäftigt über 305.000 Menschen, das sind acht Prozent der Unselbstständigen im Land. 18 große Bauträger, darunter auch Wienerberger, haben nun die Initiative "Mein Zuhaus'" gegründet - samt zahlreichen Vorschlägen, um die Situation zu entspannen.

Die Baubewilligungen halbieren sich, während die Bevölkerungszahl weiter steigt. Das geht sich nicht aus, meinen auch Experten.
Die Baubewilligungen halbieren sich, während die Bevölkerungszahl weiter steigt. Das geht sich nicht aus, meinen auch Experten.

Geförderter Wohnbau steht im Fokus

Ein zentrales Vehikel, der geförderte Wohnbau, steht dabei im Fokus. Er ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Wohnungskrise in Österreich noch nicht so gravierend ist wie etwa in Deutschland. Fast 40 Prozent der Mieterinnen und Mieter im Land garantiert er aktuell günstigen Wohnraum, doch auch hier fehlt nötiger Nachschub, weil der Neubau zum Erliegen kommt. Dafür verantwortlich ist auch der Umstand, dass die öffentlichen Wohnbaugelder massiv zurückgefahren wurden - von über drei Milliarden Euro im Jahr 2000 auf zuletzt 1,9 Milliarden Euro. Der Anteil der Wohnbaufördermittel am BIP hat sich damit mehr als halbiert - von 1 auf 0,4 Prozent. Während der Niedrigzinsphase war das praktikabel, doch jetzt, da sich die Zinsen vervielfacht haben, wird es zum akuten Problem. Zusätzliche 500 Mill. Euro pro Jahr müsse der Bund bereitstellen, sagt Robert Jägersberger, Innungsmeister in der Bausparte in der Wirtschaftskammer. Die Länder, die für die Wohnbauförderung zuständig sind, täten aktuell einiges, um Förderungen nach oben zu schrauben.

Kreditvergaberichtlinien sollen gelockert werden

Trotzdem pochen die Bauträger darauf, dass die Einnahmen für die Wohnbauförderung - Arbeitgeber wie Beschäftigte zahlen je 0,5 Prozent des Bruttolohns (bis zur Höchstbeitragsgrundlage von 6060 Euro) - wieder zweckgewidmet werden. Nach deren Abschaffung 2008 hätten Länder diese Wohnbaumittel auch verwendet, um andere Budgetlöcher zu stopfen, so die Bauträger. Weiters werden steuerliche Anreize für Private gefordert. Beim Erwerb oder der Schaffung von Wohnraum sollte bis 100.000 Euro die Mehrwertsteuer gestrichen werden. Auch die strengen Kreditvergaberichtlinien, die einen De-facto-Zusammenbruch des Baus von Einfamilienhäusern mitverursacht haben, sollen gelockert werden. Die aktuelle Maximalgrenze von 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für die Kredittilgung solle auf 60 Prozent erhöht werden. Für das Erreichen des nötigen Eigenkapitals von 20 Prozent sollten auch zinsfreie Darlehen der öffentlichen Hand anrechenbar sein.

Finanzministerium reagierte nicht auf Forderungen

Den Umstand, dass die Bauträger in den Vorjahren übermäßig gut verdient haben, lassen die Branchenvertreter übrigens nicht gelten. "Ich sehe keine Übergewinne, wenn ich in die Bilanzen unserer Lieferanten schaue", sagt Baumit-Chef Bursik. Vielmehr seien die Kosten in allen Bereichen stark gestiegen. Auch das Faktum, dass die Baupreise zuletzt deutlich stärker zulegten als die Baukosten, stellt die Branche infrage. In diesen Berechnungen fehlten einige Parameter wie die stark gestiegenen Zinsen, sagt Robert Jägersberger von der Wirtschaftskammer. Das müsse bereinigt werden. Und die Margen seien mit 0,5 bis drei Prozent jedenfalls bescheiden, meinen die Branchenvertreter.

Das Finanzministerium reagierte auf die neuen Forderungen nicht. Zuletzt hatte man betont, dass im Finanzausgleich jährlich zusätzliche 300 Mill. Euro für Sanierungen und geförderten Wohnungsneubau vereinbart worden seien.

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