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Kein Autoboom mehr ohne China

In der EU wird über Strafzölle für E-Autos aus China diskutiert. Dabei sind in der Industrie und beim Absatz die Karten längst neu gemischt.

Es ist ein Event, das heuer mit Garantie besonders viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Wenn am 25. April in Peking die große "Auto China"-Schau eröffnet, werden die Chinesen ihre im Vorjahr errungene Weltmarktführerschaft im E-Auto-Bereich einzementieren.

4,9 Millionen vollelektrische Autos wurden 2023 in China verkauft, das ist ein Marktanteil von 22,6 Prozent. Die EU kam auf nur 1,5 Millionen E-Autos (14,6 Prozent Marktanteil), die USA dümpelten bei 1,2 Millionen Stück herum (7,7 Prozent). Damit wurden im Vorjahr zwei Drittel aller vollelektrischen Fahrzeuge in den drei Wirtschaftsräumen in China gekauft, wie das deutsche CAR-Institut in einer aktuellen Analyse zusammenfasst.

Auch über alle Antriebe hinweg ist China Spitzenreiter. "Ohne China geht nichts mehr", betont der deutsche Autoexperte und Leiter des CAR-Instituts Ferdinand Dudenhöffer. China sei zum Herz und zur Lokomotive der weltweiten Autoindustrie geworden, und das aus mehreren Gründen.

Einerseits spiele in China der Ersatzbedarf für Autos, von dem die Märkte in den USA und Europa leben, eine Nebenrolle. "Der chinesische Markt lebt von neuen Kunden, nicht alten, die ein Auto auswechseln", erklärt Dudenhöffer. Entsprechend leichter tue man sich beim Absatz der E-Autos, zudem werde in China der E-Auto-Kauf stark gefördert, während in Europa die Prämien zurückgefahren wurden. Die günstigeren Preise chinesischer E-Autos kämen auch durch die höhere Produktionsmenge zustande. "Nirgendwo sonst werden Lithium-Ionen-Zellen so kostengünstig produziert wie in China." Dazu seien die Chinesen in die digitale Welt "verliebt", das intelligente, softwaredefinierte E-Auto mit Smart Cockpit werde zum "Must-have".

Auf dem so wichtigen Markt will die Branche nun wieder aufholen - mit mehr "In China für China". So stellt VW auf der Autoshow in Peking den ID.UNYX vor, das erste im neuen China-Zentrum Anhui von VW entwickelte Elektroauto, das noch heuer in den Markt geht. Auch BMW zeigt seine "neue Klasse" in Peking, die ab 2026 auch in China in Shenyang gebaut wird. Für Dudenhöffer ist klar: "Das Auto der Zukunft hat in China seine Heimat und seinen Schwerpunkt."

Österreichs Autozulieferbranche will ihre starke Position nicht so einfach aufgeben. 350.000 Jobs und 18 Mrd. Euro direkte bzw. 30 Mrd. Euro totale Bruttowertschöpfung zeigen laut Günther Kerle, Verbandschef der Autoimporteure, wie wichtig dieser Sektor für Beschäftigung und Wohlstand in Österreich sei. Um den Standort zu halten und zu stärken, müssten aber "technologieoffene Forschung und Entwicklung" möglich sein. Kerle spielt damit auf das geplante Aus für klassische benzin- und dieselbetriebene Neuwagen in der EU ab 2035 an. Alle Hersteller setzten auf elektrifizierte Antriebe und Null-Emissions-Autos, wichtig sei aber, andere alternative Antriebsformen wie Wasserstoff nicht zu vergessen, die große Reichweiten, kürzere Betankungsdauer sowie witterungsunabhängigen Betrieb ermöglichten.

Auch im Motorenwerk von BMW in Steyr wird - neben Verbrenner- und Elektroantrieb - auch an Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie geforscht. "Weil wir daran glauben", sagt Entwicklungsleiter Josef Honeder. Für den Bus- und Schwerverkehr werde Wasserstoff entscheidend sein und das werde "eine Schneepflugwirkung für Pkw mit einem derartigen Antrieb" haben, wenn die Infrastruktur für das Tanken vorhanden sei.

Unterstützung holen sich die Autobauer und -zulieferer von Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Der Sektor sei "die Aorta für den europäischen Wirtschaftsstandort", sagte sie am Dienstag bei einem gemeinsamen Auftritt mit den Branchenvertretern. Im Wettbewerb der Ideen müssten sich die Besten durchsetzen. "Das Aus für den Verbrennermotor ist definitiv der falsche Weg", kritisiert die ÖVP-Ministerin erneut den Fokus der EU-Kommission auf Klimaschutz. Europa sei dabei, den technologischen Vorsprung "mutwillig aufzugeben". Österreich werde "alles tun", um Wertschöpfung und Arbeitsplätze der Branche zu halten. Die Regierung will vor allem von Brüssel grünes Licht für weitere staatliche Beihilfen. Gegen wettbewerbsverzerrende Praktiken in China müsse sich die EU zur Wehr setzen, aber mit Fingerspitzengefühl.

Autoexperte Dudenhöffer hält Strafzölle auf chinesische Elektroautos für "schädlich". Für Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie stehe längst China und nicht Brüssel. Von den rund 14 Millionen verkauften Pkw der deutschen Autobauer wurden im Vorjahr mehr als 34 Prozent in China abgesetzt, 12 Prozent in Deutschland, 17 Prozent in der EU (ohne Deutschland). "Die deutsche Autoindustrie ist ohne China nicht vorstellbar", betont er.

IEA-Bericht zu E-Mobilität

Weltweit steigt die Nachfrage

Von 75,5 Mill. Pkw, die 2023 verkauft wurden, entfielen 29 Prozent auf China, 20 Prozent auf die USA und 14 Prozent auf die EU.


Der Markt für E-Autos wird global 2024 weiterwachsen. Laut der Internationalen Energieagentur werden 17 Millionen Elektroautos verkauft, um 20 Prozent mehr als 2023 - zehn Millionen davon in China, wo fast jedes zweite neu zugelassene Auto heuer elektrisch fährt. In Europa soll 2024 fast jedes vierte verkaufte Auto mit Strom betrieben sein, in den USA jedes neunte.

Im ersten Quartal 2024 wurden weltweit drei Mill. E-Autos verkauft - ein Plus von 25 Prozent und in etwa so viele wie im Gesamtjahr 2020. Der Großteil des Zuwachses entfiel erneut auf den chinesischen Markt. In Österreich lag der Anteil im ersten Quartal bei 17 Prozent. Laut IEA nimmt der Übergang zur Elektromobilität aber in immer mehr Ländern an Fahrt auf, darunter in Vietnam und Thailand, wo der Elektroanteil an verkauften Autos 2023 15 bzw. 10 Prozent ausmachte.


Für Europa rechnet die IEA heuer mit rund 3,5 Millionen verkauften E-Autos. Das wären rund zehn Prozent mehr als 2023. Die IEA führt das vergleichsweise moderate Wachstum auf eine generelle Abkühlung am EU-Automarkt und das Auslaufen von Förderungen in einigen Mitgliedsstaaten zurück.

Bis 2035 könnte unter den heutigen politischen Rahmenbedingungen jedes zweite verkaufte Auto weltweit elektrisch betrieben werden, so die Energieagentur. Würden die von Regierungen weltweit angekündigten Klimaziele tatsächlich umgesetzt, könnten sogar zwei von drei neuen Autos mit Strom fahren. Bis dahin müsste sich das Ladenetz laut IEA weltweit versechsfachen.

Hohe Investitionen in die Produktion und Lieferketten, begünstigende regulatorische Maßnahmen und sinkende Kosten für E-Autos und die Batterieproduktion dürften das Wachstum laut IEA ankurbeln. In China seien E-Autos oft schon jetzt günstiger als Verbrenner - anders als in Europa und den USA.

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