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Oberbank-Chef: "Arbeit ist nicht die dunkle Seite des Lebens"

Sie zahlt und verdient selbst gut. Dennoch plagen die Oberbank Sorgen. Jetzt sollen es Teilzeitkräfte und Ältere richten.

Arbeiten ist ein wenig in Verruf geraten. Die öffentliche Debatte dreht sich vorwiegend um Arbeitszeitverkürzung und Work-Life-Balance. Oberbank-Chef Franz Gasselsberger kritisiert das und sagt, Arbeit sei so viel mehr als Geld verdienen.
Arbeiten ist ein wenig in Verruf geraten. Die öffentliche Debatte dreht sich vorwiegend um Arbeitszeitverkürzung und Work-Life-Balance. Oberbank-Chef Franz Gasselsberger kritisiert das und sagt, Arbeit sei so viel mehr als Geld verdienen.
Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger.
Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger.

Die Oberbank ist heuer 40 Jahre unabhängig. Für deren Generaldirektor Franz Gasselsberger ist dies der Erfolgsgarant - wie auch das Ringen ums Personal.

Banken gehören zu den bestzahlenden Branchen, dennoch rennen ihnen die Menschen nicht gerade die Tür ein. Woran liegt das? Franz Gasselsberger: Wir kämpfen alle mit der Demografie und der Fluktuation. Auch wenn wir mit sieben Prozent Fluktuation unter dem Branchenschnitt von zehn Prozent liegen. Es genügt nicht, Leute zu finden, sondern wir müssen sie an uns binden. Für mich sind die Fluktuationsrate und der Anteil von weiblichen Führungskräften kriegsentscheidend. Ich wurde vor fünf Jahren belächelt, als ich die Frauenquote eingeführt habe. Seither sind wir von einem Anteil von 19 auf 28 Prozent gekommen, das Ziel ist eine Frauenführungsquote von 30 Prozent bis 2025.

Sehr viele Unternehmen sprechen schon lange davon, dass sie mehr Frauen in die Führung bringen wollen. Allein es hapert in der Praxis. Was wäre zu tun? Bei Kosteneinsparungen und Produktionssteigerungen sind wir an natürliche Grenzen gestoßen. Wir sehen als Dreh- und Angelpunkt die Führungskräfte. Deren Qualität ist der Schlüssel, wir investieren viel in die Ausbildung, und das Thema beschäftigt uns das ganze Jahr über. Früher haben wir das neue Jahr mit Verkaufsschulungen begonnen, jetzt sind es Führungskonferenzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Es hängen auch Teile des variablen Einkommens von der Führung ab. Wir schauen uns die Führungskräfte an, wie gehen sie mit Potenzialen um, wie entwickeln sie Potenziale, wie hoch ist die Fluktuationsrate und erfüllen sie die Ziele punkto Frauenquote? Du brauchst eine gewisse Geduld.

Warum sprechen Sie aktuell verstärkt Teilzeitkräfte an? Manche Unternehmen übersehen, dass sie mehr Potenziale im Haus haben, als sie glauben. Wir haben 700 Teilzeitkräfte, überwiegend Frauen. Vor Kurzem haben wir gemeinsam mit Belegschafts- und Gewerkschaftsvertretern alle eingeladen, um ihnen bewusst zu machen, auf wie viel Lebenseinkommen und Pension sie verzichten. Wir haben auch gesagt, auf wie viel wirtschaftliche Unabhängigkeit sie mit Teilzeit verzichten. Teilzeitkräfte sind zudem seltener bereit, sich weiterzubilden, so kommen sie in eine Negativspirale. Das Echo war so positiv, wie ich mir das in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt habe.

Was ist das konkrete Ziel solcher Initiativen? Wenn unsere Teilzeitmitarbeiterinnen im Schnitt zwei Stunden mehr pro Woche arbeiten, dann entspricht das 40 Vollzeitäquivalenten. Ich glaube, dass man Impulse geben und den Sinn vermitteln muss. Wenn Kinder jünger sind, geht es oft ohne Teilzeit nicht, aber wenn einen die Kinder weniger brauchen, dann übersehen manche den Sprung zu Mehrarbeit. Mir ist klar, dass man da in die Privatsphäre eindringt. Aber wenn man Mitarbeiterinnen vorrechnet, was sie verlieren, und ihnen sagt, dass 35 Prozent der Partnerschaften auseinandergehen und was Teilzeit für die wirtschaftliche Unabhängigkeit bedeutet, denken viele nach.

Die Teilzeitkräfte allein werden Ihren Personalbedarf nicht decken. Darum wollen wir auch, dass die Langdienenden, die erfahrenen Mitarbeiter, die Werte- und Leistungsträger, jene, die die Jungen ausbilden, nicht frühzeitig in Pension gehen. Wir wollen zudem, dass sie über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus bleiben. Dazu muss man ihnen das sagen, und nicht das Gefühl vermitteln, alt und teuer zu sein. Es muss ihnen frühzeitig ein Höchstmaß an Wertschätzung entgegengebracht werden.

Warum bürsten Sie gegen den Strich? Die Debatten über Arbeitszeiten, Stichwort Work-Life-Balance, laufen doch in eine völlig andere Richtung. Arbeit ist nicht die dunkle Seite des Lebens. Sie ist Lebensinhalt, heißt Eingebettetsein in ein soziales Umfeld, bedeutet Erfolgserlebnisse und Freude. Nur das wird in der öffentlichen Debatte nicht thematisiert. Und die Unternehmen müssen auch nachdenken, worauf es ankommt. Nicht darauf, dass sie Mopeds herschenken und Führerscheine bezahlen. Es geht um Inhalte und Sinnerfüllung.

Nicht zuletzt ums Geld. Die Industrie, und damit Ihre Kunden, äußerte sich zuletzt öffentlich sehr negativ zu ihren Erwartungen für 2024. Was sind Ihre? Die Industrie in Österreich und Deutschland kämpft mit hohen Lohnabschlüssen, Energiepreisen, Zinsen, einem Reformstau der Politik und Bürokratie. Das alles drückt auf die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität. Andererseits überrascht es mich, dass unsere jüngste Kundenbefragung bei 1000 Unternehmern viel optimistischer für 2024 ausgefallen ist als jene vor einem Jahr für 2023. Der Grund: Die Unternehmen haben nicht aufgehört, in künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu investieren. Sie investieren in produktivitätssteigernde Maßnahmen. 2024 wird wirtschaftlich gesehen nicht das stärkste werden, aber positiv überraschen. Der Konsum wird deutlich anspringen, wir haben Reallohnzuwächse wie noch nie, auch wenn das zulasten der Wettbewerbsfähigkeit geht. Die Lagerbestände sind niedrig, die Erzeugerpreise gehen zurück, vielleicht macht sich eine Aufbruchstimmung breit.

Die Zinsen sinken zudem auch noch. Mit welchen Senkungen rechnen Sie? Die Marktmeinung der vergangenen Wochen zu den Zinsen - minus ein Prozentpunkt am Kapitalmarkt - hat uns überrascht. Auch dass die US-Notenbank ein Zinssenkungsszenario in den Raum gestellt hat. Die Marktmeinung lautet, es würden 2024 fünf Zinssenkungen kommen und der Leitzins werde von 4,5 auf 3 Prozent zurückgehen. So weit wird es nicht kommen. Aber die Europäische Zentralbank hat ihren Job gut gemacht. Ich war ein harter Kritiker der EZB, aber sie hat sich Lob verdient, weil die Wirtschaft weich landet und die EZB sich Spielraum erarbeitet hat zu gestalten, wenn sie es braucht. Sie hat ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit zurückgewonnen. Wir werden Zinssenkungen sehen, die wir uns nicht vorstellen können.

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KOMMENTARE (2)

Horst Ebner

Das kommt auf das Unternehmen und den/die Vorgesetzten an. Einige Unternehmen führen autokratischer und dirigistischer als je zuvor - es gibt wieder mehr Führungskräfte die sich narzistisch anmutend als Obermaß aller Dinge sehen. Bei so einer Kultur wird dann die Arbeit mehr als zur "dunklen Seite". Nur leider sanktioniert diese Führungskrafte, sie wirken langfristig mehr als toxisch für das Unternehmen niemand, denn kurzfristig liefern sie hervorrsgende "Angstergebnisse" ab! In Wahrheit sind Mitbestimmung, Beteiligung, Selbstbestimmung, Auftragsprinzip uvvm. - Agile eben, mehr als ein "Fremdwort". Leider auch in Banken!
Antworten

Heinz Polak

Das ist doch marxsche Gebablerei! Ich habe als Unternehmer mit rund 500 Unternehmen teilweise sehr eng zusammengearbeitet. Aber ich habe keinen Unternehmer getroffen der so wie hier im Kommentar geschrieben sich aufgeführt hat. Das ein Unternehmer manchmal unliebe Entscheidungen treffen muss, fällt ihm selbst sicher oft auch nicht leicht, muss aber manchmal sein. Er muss ja am Schluss auch mit allen Konsequenzen dafür gerade stehen.

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