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Kündigung: "Oft fehlt nur ein Schubs"

Kündigen oder bleiben? Bei vielen Menschen läuft diese Frage in Endlosschleife im Kopf. Unterstützung bei der Entscheidung holt man sich am besten von neutraler Seite.

Die Tür zu Neuem aufschließen: Der Start ins neue Jahr bietet dafür ideale Bedingungen.
Die Tür zu Neuem aufschließen: Der Start ins neue Jahr bietet dafür ideale Bedingungen.
Wachsen kann man erst an Veränderungen.¦Sarah Vaclav¦Coachin und Mentaltrainerin
Wachsen kann man erst an Veränderungen.¦Sarah Vaclav¦Coachin und Mentaltrainerin

Sarah Vaclav ist Schreibcoachin, Autorin und Mentaltrainerin. Als solche hat sie sich auf Veränderungsmanagement spezialisiert. Für alle, die schon länger mit dem Gedanken eines beruflichen Wechsels spielen, hat die Wienerin Tipps, wie man den Mut zur Veränderung gerade jetzt zusammennimmt. Immerhin bietet der Jahreswechsel ideale Bedingungen: Viele Unternehmen planen genau dann ihre Personalressourcen für das kommende Jahr.

Haben Sie schon einmal eine Kündigung bereut, Frau Vaclav? Sarah Vaclav: Nein. Ich selbst nicht und auch nie ein Klient - wenn er diese Veränderung bewusst wollte und er sich klargemacht hat, dass nach der Kündigung etwas auf ihn wartet.

Gut die Hälfte der Österreicher war 2023 bereit, den Job zu wechseln, zeigt eine vom Karrierenetzwerk Xing in Auftrag gegebene Langzeitstudie. Dennoch ist die Angst vor beruflicher Veränderung weit verbreitet. Wie kommt das? Meist sind das unbewusste Ängste, die man aufgeschnappt hat: Von klein auf wird uns eingetrichtert, dass wir auf Sicherheit zu spielen haben. Dann ist auf dem Arbeitsmarkt noch alles ständig in Bewegung: Einmal braucht man viele Lehrer, viele Mediziner, dann wieder nicht. Außerdem vergessen wir oft, dass nach einer Kündigung etwas kommt, häufig sogar etwas Besseres. Aus all diesen Gründen haben viele so furchtbare Angst vor Veränderung.

Ein großer Hemmschuh ist oft auch die Angst vor dem Scheitern. Wie kann man lernen, mit dieser umzugehen bzw. sie zu überwinden? Die meisten haben deshalb eine enorme Panik vor dem Scheitern, weil sie nicht wissen, dass Scheitern zum Prozess gehört. Ich hatte einen Klienten, der hatte die Erwartung, in spätestens einem Monat habe er einen neuen Job. Er bekam aber 30, 40 Absagen. Bei einer Veränderung gibt es mitunter eben auch eine Trockenperiode. Als Mentaltrainerin erarbeite ich mit meinen Klienten zuerst einen Pool an Ängsten, die sie mir schildern: finanzielle, jene vor Statusverlust, Ächtung durch das soziale Umfeld. Dann versuchen wir uns in diese Situationen hineinzuversetzen, sie zu fühlen. Wenn man jedes dieser Szenarien auf der emotionalen Ebene durchspielt, dann hat man in der Situation, in der etwa die Ablehnung eintritt, ein Tool, wie man damit umgehen kann.

Wann ist es an der Zeit für das Gespräch mit einem Coach? Viele tragen sich sehr lange mit dem Gedanken zu kündigen, schaffen es aber nicht, selbstständig eine Aktion zu setzen. Sie lassen sich häufig von ihrem Umfeld beeinflussen, von dem sie hören, sie seien zu alt, eine Kündigung sei zu gefährlich. Die meisten kommen dann zu mir, wenn sie sich von diesen sozialen Faktoren nicht abgrenzen können, wenn es an Unterstützung fehlt.

Wie kann ein Coaching konkret weiterhelfen? Das kommt darauf an, welchen beruflichen Wechsel jemand anstrebt. Wenn jemand Lehrer ist und einfach nur an eine andere Schule will, ist das etwas anderes, als wenn ein Rechtsanwalt Schauspieler werden will. Ich hole meine Klienten individuell dort ab, wo sie stehen: Oft brauchen Leute nur einen Termin und haben dann den Mut für den Absprung, weil ihnen nur der letzte kleine Schubs gefehlt hat. Andere wissen nur, sie sind unzufrieden, aber nicht, wohin die Reise gehen soll, kennen oft nicht einmal ihre Fähigkeiten. Mit all meinen Klienten erarbeite ich einen Lebensplan, wir überlegen, wie sie diesen umsetzen können, erstellen Bewerbungs- und Motivationsschreiben.

Resilienz und Neugier sind Schlüsselfaktoren, wenn es darum geht, Veränderungen zu bewältigen. Wie lassen sich diese Fähigkeiten stärken? Indem man Menschen daran erinnert, wie viele Neuanfänge sie schon bewältigt haben. Die meisten vergessen, wie resilient sie in diesen Momenten waren, wie viel Stärke sie bewiesen haben. Mit meinen Klienten erarbeite ich diese Situationen und auch, welche Resilienzfaktoren sie haben: Ist es ein Partner, der sie unterstützt? Ist es ihr Mut, ihre Neugier? So lässt sich herausarbeiten, was ihnen guttut im Umgang mit Veränderungen und wie sich das im Alltag leben lässt.

Welche Chancen bieten Veränderungen im Berufsleben? Wachsen kann man erst, wenn man sich Veränderungen stellt. Auch wenn die Veränderung eine kleine ist, wie der Wechsel in eine andere Abteilung, bekommt man es mit ganz neuen Elementen zu tun: einer neuen Führung, neuen Kollegen, neuen Computerprogrammen. Selbst wenn man merkt, dass das Neue nicht zu einem passt, lernt man mehr über sich, nämlich was man möchte.

Besonders die jüngeren Generationen bewegen sich agiler auf dem Arbeitsmarkt. Wie müssen sich Unternehmen darauf einstellen? Unternehmen können nicht wie früher davon ausgehen, dass ein neuer Mitarbeiter für die nächsten Jahrzehnte bleibt. Junge Menschen wollen heute mehr von der Arbeit haben als ein Gehalt. Unternehmen sollten sich daher fragen, was sie bieten, damit sich ihre Mitarbeiter wohlfühlen und wachsen können. Das heißt aber auch, dass sie mehr investieren müssen und gute Führungskräfte brauchen, die sich auf unterschiedliche Bedürfnisse und Altersgruppen einstellen können, ein Herz haben, auf Augenhöhe kommunizieren. Wenn Mitarbeitern das gegeben ist, ist die Chance hoch, dass sie bleiben.