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30 Jahre Fachhochschulen in Österreich

30 Jahre Fachhochschulen in Österreich - die Fachhochschulkonferenz (FHK) feiert 2024 das Jubiläum des Sektors. Präsidentin Ulrike Prommer über bisherige Leistungen, aktuelle Herausforderungen und langfristige Ziele.

„Am stolzesten sind wir auf unsere erfolgreichen Alumni“
„Am stolzesten sind wir auf unsere erfolgreichen Alumni“

Wenn Sie an den Beginn des FH-Sektors zurückdenken - welche Dinge gehen Ihnen dann durch den Kopf? Ulrike Prommer: 1994 hat ein innovatives Gesetz zur richtigen Zeit eine große Möglichkeit geschaffen. Es gab deshalb eine ebenso große Aufbruchsstimmung. Aus den damals rund 500 Studierenden in wenigen Studiengängen ist heute der zweitgrößte Hochschulsektor in Österreich mit 532 Studiengängen und mehr als 60.000 Studierenden an 21 Fachhochschulen geworden.

"Es geht auch künftig um qualitatives und vor allem bedarfsorientiertes Wachstum."
Ulrike Prommer
Präsidentin Fachhochschulkonferenz

Was empfinden Sie als größte Leistung des Sektors? Am stolzesten sind wir auf unsere knapp 200.000 Absolventinnen und Absolventen. Die Fachhochschulen stehen damals wie heute für Praxisorientierung, wir sind die Brücke zu Wirtschaft und Gesellschaft. Meilensteine waren dabei unsere Vorreiterrolle bei der vollständigen Implementierung der Bologna-Struktur mit Bachelor- und Masterstudien, die Akademisierung eines gesamten Praxisfeldes in den Gesundheitswissenschaften, die Entwicklung der angewandten Forschung unter anderem mit Josef-Ressel-Zentren, die starke Internationalisierung und Mobilität und insgesamt unsere mit alldem verbundene Schnelligkeit und Innovationskraft, wenn es um das Reagieren auf Bedarfe aus Wirtschaft und Gesellschaft geht.

Gab es neben den Höhen auch Tiefen für den Sektor? Natürlich gab es auch schwierige Zeiten. Das Auskommen mit finanziellen Mitteln ist immer wieder ein Thema und es gab Zeiten, in denen die Gesprächsbasis mit der Politik nicht gut war. Aber das sind keine großen Tiefen, sondern eher Herausforderungen - von denen einige noch offen sind. Wir sind noch nicht überall dort, wo wir hinwollen.

In welchen Bereichen? Erstens braucht es mehrere Veränderungen bei der Finanzierung der Fachhochschulen: Eine laufende Indexierung ist wie in anderen Bereichen auch notwendig, das hat sich insbesondere in den letzten Jahren gezeigt. Dazu sollte die Kleinteiligkeit im Bereich Studienplatzfinanzierung flexibilisiert werden. Und natürlich braucht es endlich eine Basisfinanzierung für Forschung, die wir im Gegensatz zu den Universitäten nicht haben. Zweitens brauchen wir damit in Verbindung auch Doktoratsstudien als Perspektive für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der wiederum für die weitere Entwicklung in der Forschung wesentlich ist. Wir müssen die Leute halten können. Und drittens braucht es eine Entbürokratisierung, Stichwort: keine externe Programmakkreditierung mehr. Wir müssen noch schneller mit neuen Studiengängen auf die Bedarfe aus der Industrie reagieren können. Dazu braucht es mehr Vertrauen in die Fachhochschulen - sie können wie die Universitäten auch selbst erfolgreich Curricula entwickeln.

Stichwort neue Studiengänge: Es wird im kommenden Jahr 700 neue Studienplätze an FHs geben - so viele wie lange nicht. Ausgeschrieben sind inhaltlich wieder MINT-Fächer (Mathematik - Informatik - Naturwissenschaft - Technik, Anm.), diesmal aber auch Studien in "Mangelberufen". Wir sind mit der Ausschreibung sehr zufrieden. Nur 100 Prozent Mangelberufe wären noch schöner gewesen. Die FHs haben das Ohr an der Wirtschaft, das Vertrauen ist da, dass wir das Richtige für Wirtschaft und Gesellschaft einreichen. Nicht zufrieden sind wir mit der Tatsache, dass die Fachhochschulen nun doch keine Psychotherapie-Studien sollen anbieten können: Ursprünglich war vorgesehen, dass alle Hochschultypen einreichen können, jetzt hat man die FHs wieder rausgenommen. Das ist unverständlich: In manchen Bundesländern gibt es gar keine anderen Hochschulen, außerdem haben die Fachhochschulen in Gesundheits- und Therapieberufen Erfahrung und Kompetenzen. Wir hoffen, dass diese Lücke im Zuge der Behandlung des Gesetzes im Nationalrat noch geschlossen wird.

In diesem Gesetz wird auch die Möglichkeit geschaffen, dass sich Fachhochschulen künftig auch "Hochschulen für angewandte Wissenschaften" nennen. Über diese Wahlmöglichkeit sind wir sehr glücklich. Man sieht in anderen Ländern wie Deutschland, dass das sehr nützlich sein kann. Es wird ein Prozess sein: Jede Fachhochschule nimmt sich die Zeit, das zu diskutieren und zu entscheiden, was das Beste ist. Der Sektor ist sehr divers, es gibt kleine und große FHs, spezifische zum Beispiel nur für Technik oder Gesundheit, FHs in Regionen oder in Ballungszentren. Je nachdem wird dann die Entscheidung ausfallen. Meine FH, das IMC Krems, wird sich beispielsweise umbenennen: Wir sind sehr international ausgerichtet und es war immer schwierig, den Terminus Fachhochschule im Ausland zu erklären. Da tun wir uns mit Hochschule für angewandte Wissenschaften - wie die FHs in der englischen Übersetzung ja immer schon heißen ("Universities of Applied Sciences", Anm.) - viel leichter.

Vorerst geht es in zwei Wochen aber mit dem FH-Forschungsforum weiter. Das stimmt - es ist bereits das 17. Forum. Angefangen haben wir übrigens mit dem ersten in Salzburg. Damals hatte es vor allem einen Zweck: das Zeigen der Forschungsleistungen auch nach außen. Das ist immer noch ein Ziel, jetzt geht es aber vermehrt auch um Vernetzung mit allen wichtigen Stakeholdern in der Forschung: Wirtschaft, Industrie, Förderstellen, Politik. Es ist ein Forum, bei dem alle sich auch zur angewandten Forschung positionieren. Diesmal ist unser Motto passenderweise: "Let's Apply Science!"

Blicken wir am Schluss noch in die fernere Zukunft: Wo stehen die Fachhochschulen - bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften - in 30 Jahren? Man wird dann nicht mehr über kleine Themen diskutieren. Es wird eine Selbstverständlichkeit sein, dass Österreich als kleines Land einen starken Hochschulsektor hat, der das Ohr an der Praxis hat und nahe an der Wirtschaft und Gesellschaft ist. In manchen Themen wird der Sektor führend vorangehen, im angewandten MINT-Bereich beispielsweise. Und natürlich sind auch die vorhin genannten Herausforderungen bewältigt, aber dafür brauchen wir hoffentlich nicht 30 Jahre, sondern nur eine weitere Regierungsperiode. Nicht entscheidend sind die dann vorherrschenden Größendimensionen, auch wenn wir natürlich wachsen werden. Vielmehr geht es um qualitatives und vor allem bedarfsorientiertes Wachstum und als Ergebnis viele weitere erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen.