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Die Kleider der Kaiserin

Historisch und doch modern, sind die Kostüme der Netflix-Serie "Die Kaiserin" ein echter Hingucker. Ein erheblicher Teil davon wurde in Wien gefertigt - von Michaela Mayer-Lee und Monica Ferrari-Krieger.

Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.
Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.

Letzten November hat die Historienserie "Die Kaiserin" den International Emmy als beste Dramaserie geholt. Frau Mayer-Lee, Frau Ferrari-Krieger, Sie beide haben einen Teil der Kostüme beigesteuert - fühlen Sie sich von dieser Auszeichnung ebenfalls gewürdigt?
Monica Ferrari-Krieger & Michaela Mayer-Lee: Es ist immer eine große Freude, zu sehen, wenn ein Projekt, an dem man lange Zeit mitgearbeitet hat, einen großen Erfolg erzielt.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Gabriela Reumer, der hauptverantwortlichen Kostümbildnerin der deutschen Produktion?
Monica: In den 90er-Jahren habe ich bereits in Berlin mit Gabriela als Kostümbildnerin zusammengearbeitet. Danach bin ich nach Wien übersiedelt, wo ich nun als Freelance-Designerin und Schnittdirektrice für verschiedene Unternehmen tätig bin. Die Lust, wieder ein gemeinsames Projekt zu machen, ist geblieben und wir waren im ständigen Kontakt miteinander. Als Gabriela dann von ihrem Netflix-Projekt erzählt hat, ist die Idee einer Zusammenarbeit aufgekommen. Die Art, wie Michaela ihre Kreationen fertigt, zum Beispiel das Drapieren, konnte ich mir gut bei dieser Produktion vorstellen.

Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.
Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.


Die Marke Costumes Couture haben Sie beide für dieses Filmprojekt gegründet - hatten Sie vorher schon Erfahrungen in der Kostümschneiderei und/oder im Filmbusiness gemacht?
Michaela: Ja, dieses Label haben wir ursprünglich eigens für diese Produktion gegründet. Monica hatte sehr viel Erfahrung in diesem Bereich, ich habe bis dahin nur Kostüme für eine Theaterproduktion gemacht, allerdings wurde mir erst im Zuge des Projektes bewusst, wie anders diese Herangehensweise ist.

Was genau sind denn die unterschiedlichen Herausforderungen bei Couture bzw. Kostümanfertigungen?
Michaela: Es sind zwei Welten. Wie unterschiedlich, wurde mir erst klar, als ich in dieser Kostümwelt gelandet bin. Beim Film geht es um viel mehr als ein Kleid, es geht darum, eine Stimmung, ein Gefühl, eine Haltung in einer Kreation auszudrücken - eine komplett andere Herangehensweise. Bei der Couture-Kollektion hingegen geht es um ein Design, einen Look, den man transportiert, und man hat normalerweise nur mit einer Kundin zu tun. Wohingegen beim Film sehr viele Meinungen und Bedürfnisse eine wesentliche Rolle spielen - das verändert den Entstehungsprozess wesentlich. Oft wurden etwa fertige Kreationen einfach gestrichen oder mussten nochmals überdacht werden.

Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.
Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.


"Die Kaiserin" gilt als Historiendrama, wobei vieles an der Produktion - die Schauplätze, die Charaktere und eben auch die Kostüme - nicht 100-prozentig historisch korrekt dargestellt wird. Welche konkreten Vorgaben haben Sie von Frau Reumer bekommen und wie viele Freiheiten hatten Sie?
Monica & Michaela: Bei den Besprechungen hat uns Gabriela ihr Konzept erklärt und hat Moodboards für jede Episode bzw. jede Kreation vorgegeben, um die Stimmung einzufangen. Dies war die Basis. Die Farben waren relativ klar mit den Moods definiert, es wurde dann über die Materialauswahl diskutiert und gemeinsam entschieden. Gabriela hat uns von Anfang an großen Freiraum eingeräumt, was Formen und Schnitte betrifft, es war ihr ausdrücklicher Wunsch, dass es nicht 100-prozentig historisch sein soll. Anfangs war noch nicht so klar, wo genau die Grenze war und wo wir die Historie verlassen durften.

Waren dabei ganz bestimmte moderne Einflüsse erwünscht? Und wie haben Sie letztlich zu einem durchgängigen Stil gefunden, der die von Ihnen designten Kleidungsstücke eint?
Michaela & Monica: Modern im Sinne von modern war nicht das Thema, aber es war ganz klar, dass alles unseren Stil haben soll und somit automatisch eine moderne Handschrift zeigt. Teilweise haben wir sogar Schnitte aus der aktuellen Kollektion (von Michel Mayer, Anm.) verwendet, die in diesem Kontext sofort einen historischen Ausdruck gekriegt haben. Das war vielleicht das Überraschendste für uns, nämlich zu sehen, wie moderne Schnitte auch in einem historischen Zusammenhang funktionieren können.

Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.
Alle Kostüme der Erzherzogin Sophie sowie etliche Kreationen der Kaiserin Sisi – u. a. das aufwendige Brautkleid – wurden in Wien von Costumes Couture geschneidert.


Am Anfang wurden Sie nur mit der Anfertigung des Brautkleids von Sisi beauftragt. War dieses Stück das Aufwendigste in seiner Produktion? Vielleicht können Sie uns ein bisschen etwas über die Herstellung des Kleids erzählen ...
Michaela: Als ich die Moods für das Hochzeitskleid gesehen habe, hatte ich sofort eine Spitze im Kopf, die ich vor langer Zeit in meiner Abendkollektion verwendet habe. Diese habe ich dann eigens in Vorarlberg für dieses Kleid nochmals anfertigen lassen. Insgesamt haben wir an die 50 Meter an Material verarbeitet, rückblickend kann ich mich nur noch daran erinnern, dass wir es im Hochsommer angefertigt haben und es sehr heiß war. Die Arbeitsstunden, die wir zu zweit mit Hunderten Perlen und Pailletten in Handarbeit verbracht haben, haben wir dann irgendwann nicht mehr gezählt. Es war mit Abstand das anspruchsvollste Teil in der ersten Episode. Die Basis, die Unterkonstruktion, war bereits sehr aufwendig und mit dieser enormen Rockweite der Krinoline und Schleppe hat es gerade noch ins Atelier gepasst.

Letztlich haben Sie aber noch viele weitere Kostüme der Produktion hergestellt.
Monica & Michaela: Uh … Bei der ersten Staffel sind alle Kostüme von Sophie von uns sowie ein Großteil von Elisabeth. Wir erinnern uns nicht mehr, wie viele, aber der Lkw war voll, unser Atelier dann leer.

Woher haben Sie die passenden Stoffe bezogen - das stelle ich mir nicht ganz leicht vor bei "historisch" anmutenden Kleidungsstücken?
Monica: Ein Teil wurde von großen italienischen und französischen Haute-Couture-Stofflieferanten bezogen, teilweise waren auch sehr alte Stoffe und großartige Qualitäten dabei. Für die Rolle der Sophie wollten wir unbedingt mit der Traditionsfirma Backhausen zusammenarbeiten, deren Stoffe aufgrund ihres zeitlosen Designs auch sehr historisch anmuten und gut funktioniert haben.

Während Ihrer Produktionsphase (2020/21) herrschte ziemlich lange Lockdown. Hat dieser Umstand Ihre Arbeit erschwert. Und wenn ja, inwiefern?
Michaela & Monica: Ganz im Gegenteil, so gesehen war es "perfektes Timing". Hätte es keine Lockdowns gegeben, hätten wir gar nicht die Kapazität für beide Rollen gehabt. In dieser unsicheren Zeit von Lockdowns und Beschränkungen waren wir sehr dankbar für diese neue große Herausforderung.
Michaela: Im Herbst 2020, als wir das erste Mal vom Projekt erfahren haben, war bereits absehbar, dass es keine Ballsaison geben wird, und daher wurde unsererseits auch der Entschluss gefasst, weit mehr als nur ein Brautkleid anzufertigen. Mit der Planung haben wir dann bereits im Herbst 2020 begonnen, die Umsetzung der Entwürfe inklusive der Anproben fand dann im Zeitraum Februar bis August 2021 statt.

Wie war es für Sie, Ihre Kleidungsstücke später in der Serie zu sehen?
(Beide lachen.)
Monica: Wir waren mit unserem Atelier in Wien immer sehr weit weg von der ganzen Produktion und haben nicht viel mitbekommen, abgesehen von den Fittings.
Michaela & Monica: Wir haben aber am Release-Tag ein kleines Fest im Atelier veranstaltet, mit Livestream. Es war sehr emotional, zu sehen, wie die Kleider zum Leben erweckt wurden. Es war eine schwer zu beschreibende Aufregung, unsere Babys letztendlich am Schirm zu sehen.

Es soll ja eine zweite Staffel der Netflix-Serie geben. Sind Sie bei dieser Produktion wieder mit dabei?
Monica & Michaela: Schon erledigt! Die zweite Staffel wurde soeben abgedreht. Diesmal haben wir allerdings aus Zeitgründen (keine Lockdowns) nur die Rolle der Sophie übernommen, mehr verraten wir nicht.

Und haben Sie mit Ihrem Label Costumes Couture nach "Die Kaiserin" auch noch weitere Aufträge im Bereich Film/Kostüm übernommen?
Michaela: Ja, mehrere Projekte, eines ist noch nicht spruchreif, ein anderes größeres Projekt war das Design für die Mitarbeiterausstattung für das österreichische Parlament.

Frau Mayer-Lee, Frau Ferrari-Krieger, seit wann arbeiten Sie schon zusammen, was hat Sie zusammengeführt?
Monica & Michaela: Seit beinahe zehn Jahren! Eine Freundin hat uns damals einander vorgestellt, so ist eine wunderbare langjährige Zusammenarbeit entstanden.

Frau Mayer-Lee, was sind die größten Herausforderungen, um sich in der Modebranche einen Namen zu machen? Qualität, Handwerk oder doch außergewöhnliches Design? Und welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit?
Michaela: Eine Kombination aus allem, aber vorrangig Qualität und Individualität - beim Material wie auch beim Handwerk selbst. Nachhaltigkeit war für uns eine gelebte Selbstverständlichkeit, noch bevor das Thema ein Thema wurde. "Modedesigner" ist für mich ein altmodischer Begriff, der nicht mehr in diese Zeit passt. Es geht vielmehr darum, einer Sprache eine Form zu geben, die sich nicht an Trends und diversen Themen orientiert und vielleicht irgendwann auch nicht mehr in einer ganzen Kollektion Ausdruck finden muss.

Welche Projekte stehen bei Ihnen jeweils als Nächstes an?
Michaela: Eines, über das wir derzeit noch nicht reden dürfen …
Monica: Und vielleicht eine dritte Staffel?

Michaela Mayer-Lee (l.) und Monica Ferrari-Krieger (r.).
Michaela Mayer-Lee (l.) und Monica Ferrari-Krieger (r.).

Zu den Personen
Michaela Mayer-Lee absolvierte die HBLA Herbststraße und eröffnete 1995 ihr eigenes Bekleidungsgeschäft. Bereits ein Jahr später etablierte sie mit Michel Mayer ein Modelabel für Ready-to-wear- und Couture-Kollektionen. Mit Michel Mayer war die Wiener Designerin im Laufe der Jahre an verschiedenen Projekten beteiligt, darunter Modeschauen im In- und Ausland, Corporate-Design-Entwicklungen für Gastronomie und Theaterproduktionen sowie diversen Kooperationen mit internationalen Marken. Der Fokus des Labels verschob sich zunehmend auf die Couture-Kollektionen, mit denen Michel Mayer längst zu einer wichtigen Institution für Wiener Design und nachhaltige Produktion geworden ist.

Monica Ferrari-Krieger schloss 1988 ihr Diplom an der Höheren Fachschule für Bekleidungstechnik in Lugano, Schweiz, ab. Nach einer erfolgreichen Zeit als Modedesignerin und Kostümbildnerin in Berlin gründete sie 1997 unter dem Label Monica Ferrari ihr eigenes Atelier in Wien. Zudem arbeitet Ferrari-Krieger als Schnittdirektrice und Maßschneiderin für verschiedene Designer und gehört seit 2014 zum Team von Michel Mayer.

Seit 2021 arbeiten Michaela Mayer-Lee und Monica Ferrari-Krieger unter dem Label Costumes Couture gemeinsam an Kostümen für die Filmindustrie.

Sie wollen noch weitere Geschichten zu den Themen Fashion & Lifestyle lesen? Dann schauen Sie in die SN-Beilage „Salome“ – ab 19. April kostenlos im E-Paper oder in der SN-App.

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