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BYDs unaufhaltsamer Aufstieg

BYD hat soeben Tesla weltweit als Nummer eins der E-Auto-Hersteller abgelöst. Es war nicht der erste Streich der jungen China-Marke - und ganz sicher nicht ihr letzter.

Das Portfolio des Techriesen BYD reicht von Pkw über Lkw und Busse bis zu Zügen, dazu kommt die Sparte der stationären Energiespeicher.
Das Portfolio des Techriesen BYD reicht von Pkw über Lkw und Busse bis zu Zügen, dazu kommt die Sparte der stationären Energiespeicher.

Diese jüngsten Erfolge von BYD stellen nur die Spitze des Eisbergs dar - und die Geschichte lehrt uns, dass selbst die ausreicht, um scheinbar unverwundbare Giganten zu versenken. Jedenfalls ist das Unternehmen keine kurzfristige Randerscheinung des chinesischen Wirtschaftswunders und auch nicht Teil einer künstlichen Elektroauto-Blase wie die US-Börsenhasardeure Tesla, Fisker oder Lucid. Das Programm der Marke lautet stetige Verbesserung - und meint damit durchgehenden Erfolg.

Der Aufstieg von BYD: Vom Akkuhersteller zum Branchenführer

1995 beginnt der damals 29-jährige Chemiker Wang Chuanfu mit der Fertigung von wiederaufladbaren Akkus - ein sich rasch entwickelnder Markt, den damals die japanischen Techriesen Sanyo und Sony beherrschen. 2003 hat sie BYD bereits überholt und expandiert mit der Übernahme eines chinesischen Autoherstellers. Zwei Jahre später wird der Prototyp des weltweit ersten Plug-in-Hybrids mit 200 Kilometern E-Reichweite präsentiert. Das erste bei uns angebotene Fahrzeug dieser Bauart kommt sieben Jahre später von Mitsubishi - und mit voller Akkuladung gerade einmal 35 Kilometer weit. 2008 kauft sich Börsenguru Warren Buffett mit zehn Prozent in die im Westen noch weitgehend unbekannte Firma ein. Zwei Jahre danach kürt Bloomberg BYD zum leistungsfähigsten Technologieunternehmen weltweit.

Blade-Batterien und fortschrittliche Autopiloten

In der Entwicklungsabteilung der Konzernzentrale in Shenzhen sind rund 70.000 Ingenieure beschäftigt. Eine Vergleichszahl: Bei Ford Motor Europe mit drei Fabriken sowie sämtlichen Länderniederlassungen arbeiten insgesamt 65.000. BYD reicht täglich im Schnitt fünfzehn neue Patente ein - derzeit hält das Unternehmen etwa 42.500 davon, die meisten für essenzielle Techniken im Bereich E-Antriebe.

Aktuell verfügt BYD über die mit Abstand fortgeschrittenste Akkutechnik auf dem Markt. Die sogenannte Blade-Batterie ist kompakter und hat eine höhere Energiedichte als herkömmliche Li-Ionen-Akkus. Dazu erfüllt sie aufgrund ihrer Wabenbauart auch eine strukturelle Funktion im Chassis und bringt damit Gewichtsvorteile. Außerdem ist sie praktisch brandsicher und weist kaum temperaturbedingte Reichweitenverluste auf. Die Modelle der nobleren Zweitmarke Denza, die noch heuer in Europa starten wird, verfügen bereits über einen KI-gestützt arbeitenden Autopiloten auf Level 4, der das Fahrzeug ebenso flüssig wie fehlerlos durch den komplexen Stadtverkehr lenkt.


BYDs Vorstoß in die Premiumklasse

Mit der Premiummarke Yangwang greift BYD nicht nur sinngemäß nach den Sternen - das SUV U8 rangiert mindestens auf Daimler-Niveau. Es ist mit vier unabhängig ansteuerbaren E-Motoren ausgerüstet, womit der bis zu 1200 PS starke Allradler im Stand wenden kann wie ein Panzer. Mit ähnlicher Technik fährt der Super-Sportwagen U9 vor: Den nur 1260 Kilo leichten Kohlefaserrenner treiben 1300 PS und 2000 Newtonmeter Drehmoment an. Was einen Zwei-Sekunden-Wert für den Hundertersprint und über 300 km/h Spitze ergibt - womit BYD auch das weltweit stärkste Serienfahrzeug im Talon hat. Außerdem noch im Portfolio: akkubetriebene Busse, auch in der Londoner Doppeldecker-Variante, oder City-Hochbahnen, die bei der Haltestelle automatisch induktiv laden. Und sollte die E-Mobilität nicht der Weisheit letzter Schluss sein: Das Unternehmen forscht mit Hochdruck in alle Richtungen - also auch über Hybridsysteme, E-Fuels und Wasserstoffantriebe.

Die Frage, wie Entscheidungsträger auf nationaler und europäischer Ebene diese Konzentration an Know-how und Manpower übersehen konnten, drängt sich auf. Mit dem Verbrennerverbot haben sie die eigene, im Elektrobereich vergleichsweise beinahe lächerlich schlecht aufgestellte Pkw-Industrie ihres einzigen nennenswerten Assets gegen diese Übermacht beraubt - für einen ohnehin nur auf dem Papier schöngerechneten Umweltvorteil. Und wie groß war die Selbstüberschätzung in den Vorstandsetagen der etablierten Hersteller, sich dafür als gerüstet
zu erachten? Zumal außer BYD noch weitere große China-Kaliber wie der Geely-Konzern, Chery Motors oder Saic in den Startlöchern stehen - oder sie schon verlassen haben.

Der Entwicklungsvorsprung der Chinesen auf dem Gebiet der E-Antriebe beträgt selbst bei wohlwollender Schätzung aktuell zehn Jahre und wird sich in der Zukunft eher noch vergrößern als kleiner werden. Natürlich - der chinesische Staat unterstützt seine Unternehmen intensiv, um die eigene Volkswirtschaft voranzubringen. Anstatt deswegen über unfaire Verhältnisse zu jammern: Warum tut Europa nicht das Gleiche für seine Schlüsselindustrien?