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Vier Tage Arbeit, oder doch nur zwei? Der Arbeitsmarkt wird zum Versuchslabor

Homeoffice, Viertagewoche oder gar nur zwei Tage Arbeit am Wochenende bei vollem Lohn: Um Fachkräfte zu finden, setzen Firmen auf kreative Lösungen.

Zwei Tage arbeiten, und das für einen vollen Wochenlohn: Das ist beim oberösterreichischen Robotikkonzern B&R seit dieser Woche wieder Vergangenheit. "Es war aber ein voller Erfolg", zieht B&R-Chef Jörg Theis nach einem Jahr Bilanz, "schon allein, weil wir damit 105 neue Mitarbeiter gewonnen haben, die jetzt auch in der Normalschicht weiterarbeiten."

Mehr als 3000 Mitarbeiter beschäftigt B&R in der 2700-Einwohner-Gemeinde Eggelsberg im Innviertel. Die Firma ist ein Spezialist für Automation. Sie entwickelt Maschinen, die 1300 Flaschen Mineralwasser in der Minute befüllen oder 15.000 Hähnchen pro Stunde zerlegen. Auch Roboter für die Autofertigung oder Photovoltaik gehören dazu. Ihr Geschäft boomt, weil immer mehr Industriebetriebe ihre Produktion zurück nach Europa holen wollen. Die Lieferprobleme begannen mit Corona und flackerten jüngst durch die Angriffe der Huthi-Rebellen im Suezkanal wieder auf.

Man habe gelernt, dass man innovative Modelle bieten müsse, um Fachkräfte zu finden

Nach Corona stauten sich die Aufträge so sehr, dass die Lieferzeit von zwei auf 52 Wochen anschwoll. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, einigte sich B&R vor einem Jahr mit Betriebsrat und Gewerkschaft auf eine zusätzliche Wochenendschicht. Für zwei Zehn-Stunden-Dienste am Samstag und Sonntag bot man den Lohn einer normalen 38,5-Stunden-Woche, dafür mussten auch Nachtschichten übernommen werden. Mehr als 700 Interessenten meldeten sich. 300 habe man letztlich wie geplant ein Jahr lang am Wochenende beschäftigt. "Der Auftragsstau ist abgearbeitet, die Lieferzeit liegt wieder unter sechs Wochen", sagt Theis. "Vor allem aber konnten wir neue Personenschichten gewinnen." Gemeldet hätten sich junge Eltern mit Betreuungspflichten oder Studenten. Rechtlich erlaubt, aber auch sinnvoll sei die reine Wochenendschicht nur in der Ausnahmesituation gewesen, betont Theis. Man habe aber gelernt, dass man innovative Modelle bieten müsse, um Fachkräfte zu finden. Momentan arbeite man daran, die Kernzeiten aufzuweichen. "Wer in der Arbeitszeit mit dem Kind zum Arzt muss, soll das zwischendurch machen können." Auch das Homeoffice-Modell - das grundsätzlich zehn Tage Arbeiten von zu Hause pro Monat ermöglicht - soll erweitert werden. Und ab September werde B&R erstmals Lehrlinge ausbilden, vor allem im IT-Bereich, wo in Eggelsberg nach wie vor 150 Positionen nicht besetzt werden können.

Dass neue Arbeitsmodelle bei der Suche nach Fachkräften helfen, hat auch der Feuerfestkonzern RHI erfahren. Österreichweit suche man Fachkräfte - außer in Tirol. Hier hat man im Mai 2023 die Viertagewoche eingeführt. "Das hat voll eingeschlagen", sagt eine Sprecherin.

Fachkräftemangel soll laut Arbeitsminister Kocher an Brisanz gewinnen

Vier Tage je neun Stunden zu arbeiten und dafür freitags freizuhaben, darauf setzt auch der Salzburger Geschirrspültabshersteller Claro. Für Mitarbeiter sei man attraktiver, in der Produktion effektiver geworden, weil durch längere Tagesarbeitszeit das Hochfahren und Reinigen der Maschinen kürzer ausfalle, sagt Firmenchef Josef Dygruber. Im Gegenzug hat er das Homeoffice abgeschafft. Kreative Prozesse seien nur in der Gruppe möglich, sagt er.

Der Fachkräftemangel werde an Brisanz gewinnen, auch wenn die Arbeitslosigkeit zuletzt wegen der schwachen Konjunktur gestiegen sei, ist Arbeitsminister Martin Kocher überzeugt. Als Grund nennt er die demografische Entwicklung.

KTM-Chef Stefan Pierer hatte zuletzt gewarnt, dass die hohen Lohnkosten in Österreich zu Verlagerungen ins Ausland zwingen. KTM baut deshalb in Mattighofen 300 Jobs ohne Kündigungen ab. Pierers Ansicht teilt der nur 14 Kilometer entfernte B&R-Geschäftsführer Jörg Theis aber nicht: "Wir bieten Lösungen für das Problem von Herrn Pierer." Ein höherer Grad von Automation würde in Österreich kostengünstige Produktion und damit Jobs sichern. Dass auch B&R wie berichtet einen zweiten Standort in Indien andenkt, stehe dazu nicht im Widerspruch. "Das wäre eine reine Ausweitung der Produktion, um den indischen Markt mit über einer Milliarde Menschen zu betreuen. Dreh- und Angelpunkt bleibt Österreich."

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