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Gebäudesanierung bewahrt graue Energie

Alt trifft Neu: Beim Renovieren von Bestandsgebäuden sind Fachwissen und Fantasie gefragt. Das zeigt ein Besuch im 120 Jahre alten Haus Marienstein.

 Das von Grund auf sanierte Haus Marienstein in Liefering: In Bestandsgebäuden schlummert ein nicht zu unterschätzendes Einsparungspotenzial.
Das von Grund auf sanierte Haus Marienstein in Liefering: In Bestandsgebäuden schlummert ein nicht zu unterschätzendes Einsparungspotenzial.

Ein saniertes 100 Jahre altes Gebäude hat eine bessere Gesamtenergiebilanz, als jedes neu gebaute Haus. Die sogenannte graue Energie ist dafür verantwortlich. Sie steht für den enormen Energie- und Ressourcenaufwand, der für die Herstellung, den Transport und die Entsorgung der Baustoffe sowie für die Errichtung eines neuen Gebäudes anfällt. In Bestandsgebäuden schlummert also ein nicht zu unterschätzendes Einsparungspotenzial, das mitentscheidet, ob Österreich seine Klimaziele 2040 erreicht. Entscheidend ist dabei, ob saniert wird oder nicht. Allerdings ist die Sanierungsrate in Salzburg seit Jahren viel zu niedrig.

Charme der Jahrhundertwende

In Liefering wurde im vergangenen Jahr ein Haus aus dem Jahr 1904 revitalisiert. Die Villa im historisierenden Stil mit Turm, Treppengiebeln, Spitzbogenfenstern, Terrassen, einer Hauskapelle und einem romantischen Garten versetzt zurück in alte Zeiten. Das galt bis zur Sanierung auch innen so. Räume waren teilweise unbeheizbar, die Elektrik veraltet, es gab eine steile Wendeltreppe hinunter zum Bad im Keller. Die Holztramdecken waren an den Balkenköpfen morsch und die Böden abgesunken. "Das Haus musste auch aus statischen Gründen dringend saniert werden", resümiert Architekt Peter Horner, der das Umbauprojekt gemeinsam mit seiner Mutter und Architektin Lilo Horner betreute.

Modern wohnen in altem Rahmen. Nicht nur neue Gebäude können Vorbilder in Sachen Energieeffizienz sein.
Modern wohnen in altem Rahmen. Nicht nur neue Gebäude können Vorbilder in Sachen Energieeffizienz sein.
 Das von Grund auf sanierte Haus Marienstein in Liefering: In Bestandsgebäuden schlummert ein nicht zu unterschätzendes Einsparungspotenzial.
Das von Grund auf sanierte Haus Marienstein in Liefering: In Bestandsgebäuden schlummert ein nicht zu unterschätzendes Einsparungspotenzial.

Weniger Barrieren, mehr Wohnfläche

In zwei Jahren entstand eine Lösung, die mit dem alten Bestand sorgsam umgeht und zeitgemäßes Wohnen ermöglicht. Barrieren wurden beseitigt, ein neuer Eingang, eine neue einläufige Treppe und durchgehende Fußböden angelegt, Keller und Dachräume bewohnbar gemacht. Das Haus hat dadurch 25 Prozent an Wohnfläche dazugewonnen und ein modernes Bad erhalten. Ein funktionelles, teilweise offenes und zweiseitiges Regalsystem zieht sich die Treppe entlang über zwei Stockwerke bis hinauf bis unter das Dach.

Bauteilaktivierung wärmt und kühlt

Der Knackpunkt war die thermische Sanierung. Die Gasheizung sollte durch eine Niedrigtemperaturheizung mit Erdwärme aus einer Tiefenbohrung und einer Wärmepumpe ersetzt werden. An Dämmen war angesichts der erhaltungswürdigen Fassade und der Original-Holzfenster nicht zu denken. Harald Kuster, der Salzburger Spezialist für Bauteilaktivierung, entwickelte das Heizkonzept.

Die neuen Beton-Zwischendecken wurden ebenso wie die Laibungen der alten Fenster bauteilaktiviert. "Das Geheimnis ist, dass die Wärmeabgabeflächen sehr großzügig dimensioniert werden müssen. Damit schaffen wir einen hohen Wärmestrom pro Quadratmeter", erklärt Harald Kuster. Wände, Decken und Böden sind wie leicht temperierte Kachelöfen und es gibt keine kalten Wandoberflächen mehr. Im Sommer funktioniert die Bauteilaktivierung auch als kostengünstige Raumkühlung.

Energieeffizienter heizen als im modernen Haus

Harald Kuster errechnete einen Jahresenergiebedarf von 3300 Kilowattstunden für das gesamte Heizsystem. Das passt mit dem Verbrauch im ersten Jahr zusammen, der bei etwa 6000 Kilowattstunden für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom liegen wird. Architekt Horner ergänzt: "Es gibt hier einen Grünstromvertrag. Das heißt, der Ausstoß an CO₂ des alten ungedämmten Hauses Marienstein ist niedriger als der eines modernen, gasbefeuerten Gebäudes."

Graue Energie im Gebäudebereich
"Graue Energie" bezeichnet jene Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produkts - oder eines Gebäudes - aufgewendet werden muss. Vom Fundament bis zum Dach benötigt jedes Bauteil eine gewisse Menge Energie davon. Bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Bestandsgebäudes sollte deshalb nicht nur der aktuelle Energiebedarf, sondern auch die bereits in den Mauern des Gebäudes gebundene graue Energie berücksichtigt werden. Erst mit zunehmender Nutzungsdauer relativieren sich die Anteile für die eingebrachte Primärenergie.