"Wissen ist die erste Stufe, gefolgt von Verstehen und Anwenden. Dann kommt Analyse. Und als höchste Stufe Synthese."
Martin Weichbold
Vizerektor für Lehre und Studium an der Uni Salzburg
Wissen sei ein breiter Begriff, führt Martin Weichbold aus, Vizerektor für Lehre und Studium an der Uni Salzburg. Entsprechend sei auch die dahinterliegende Debatte eine diffizile. Doch selbst das reine Faktenwissen werde "immer Bestandteil eines Curriculums sein". Es gehe aber nicht darum, Faktisches auswendig zu lernen. Vielmehr müssten Studierende sukzessive Kompetenzen aufbauen (können). "Wissen kann man dabei als erste Stufe sehen, gefolgt von Verstehen und Anwenden - im Sinne von Übertragen einer Erkenntnis auf andere Situationen", beschreibt Weichbold. "Dann kommen Analysekompetenz, also etwa komplexe Zusammenhänge erkennen zu können, und die Fähigkeit, diese zu beurteilen. Schließlich kann man die Synthese, also zum Beispiel die Fähigkeit, eigene Konzepte zu entwerfen, als höchste Kompetenzstufe sehen."
Universität als sozialer Experimentier-, Entwicklungs- und Lebensraum
Wie elementar dieser Kompetenzaufbau ist, betont auch Manuel Gruber, stellvertretender Vorsitzender der ÖH an der Uni Salzburg. Vor allem in Zeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz sei es aus studentischer Sicht "fast wichtiger, den Umgang, die Reflexion, die Anwendung, die Grenzen und den Transfer von Wissen zu vermitteln". Auf diese Weise würden etwa kritisches Denken, Kreativität oder Selbstbestimmtheit geschult. Derartige Ansätze hingen stark mit einer Ebene zusammen, die während der Coronapandemie kaum bespielt werden konnte: "Die Universität muss auch ein sozialer Experimentier-, Entwicklungs- und Lebensraum sein", ergänzt Gruber.
Besonders herausfordernd ist das Thema Wissensvermittlung für jene Universitäten, die sich schon ob ihrer Ausrichtung zwischen Theorie und Praxis bewegen. Ein Beispiel ist die Uni Mozarteum, die es - laut offizieller Schilderung - als Ziel hat, "künstlerische Begegnung und Herausforderung mit Kunstvermittlung und kunstuniversitärer Forschung" zu verbinden. Oder anders: Die Künste sollen einerseits (theoretisch) erschlossen, künstlerisches Talent soll andererseits (praktisch) ausgebildet werden.
Ähnliches gilt für die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU): Schließlich soll am Ende eines Studiums etwa ein praxistauglicher Mediziner, eine praxistaugliche Medizinerin stehen. Praktische Fertigkeiten auszubilden spiele an der PMU in der Tat eine große Rolle, konstatiert Christian Pirich, Vizerektor für Studium und Lehre. "Die reine Wissensvermittlung ist seit mehreren Jahren, fast Jahrzehnten, Historie." Ähnlich wie Martin Weichbold betont Pirich den "Kompetenzerwerb". Dieser werde etwa von Erkenntnissen der Pädagogik, der Didaktik, aber auch durch jene "der Arbeitsmarktfähigkeit" geprägt.
KI und Chatbots: Abkehr vom reinen Wissenserwerb
Angesprochen auf künstliche Intelligenz und Chatbots betont der PMU-Vizerektor, dass derartige Entwicklungen die "Abkehr vom reinen Wissenserwerb beschleunigen". Die Tools selbst könnten für den Kompetenzerwerb an den Universitäten sogar hilfreich sein: "Wenn sie dosiert und mit didaktischem Hintergrund ausgestattet eingesetzt werden." Ähnlicher Ansicht ist Martin Weichbold: Seit es das Internet gibt, habe man die Möglichkeit, sich in kürzester Zeit umfangreiches Wissen zu beschaffen. "Es hilft mir nur nicht viel, wenn ich nicht die Kompetenzen habe, damit umzugehen." Auch um KI-Anwendungen sinnvoll einzusetzen, brauche es Kompetenzen - Kompetenzen, die Unis vermitteln könnten. Etwa den kritischen Umgang mit Texten.
Verschulte Prinzipien an Unis aufbrechen
Damit Wissen derart angewendet, reflektiert, transferiert werden könne, müssten aus Sicht von ÖH-Vorsitz-Mitglied Gruber jedoch die oftmals noch "stark verschulten Prinzipien" an Unis aufgebrochen werden. Gruber spricht sich etwa für flexiblere Anwesenheitsregeln aus, ein besseres Zusammenspiel aus Präsenz- und Fernlehre, weniger starre Studienpläne. Auch Martin Weichbold hält nichts davon, Studien mit "Auswendiglernen und dem Vollstopfen mit Faktenwissen" zu beginnen oder gar ganz zu gestalten. Dies sei weder didaktisch sinnvoll noch nachhaltig. Weichbold ergänzt aber: "Ganz ohne Lernen wird das Studium auch in Zukunft nicht möglich sein."
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