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Wissensvermittlung: Büffelst du noch - oder studierst du schon?

Die künstliche Intelligenz weiß schier alles. Wieso also überhaupt noch Fakten weiterreichen? An und um Salzburgs Universitäten wird diskutiert, wie Wissen künftig vermittelt werden soll.

„Hauptziel einer Universität müsse sein, Wissen weiterzugeben.
„Hauptziel einer Universität müsse sein, Wissen weiterzugeben.

Alica Diem studiert im vierten Semester Kommunikationswissenschaft an der Uni Salzburg. Fragt man sie, welche Rolle Wissensvermittlung in ihrer Studienlaufbahn spielt, reagiert sie beinahe verstimmt: "Ganz klar ist mir Wissensvermittlung sehr wichtig - sonst würde ich nicht studieren", sagt die 21-Jährige. Entsprechend müsse es "das Hauptziel einer Universität" sein, Wissen weiterzugeben. An sich funktioniere das in ihrem Studium gut. "Manchmal habe ich jedoch das Gefühl, dass ich dieses Wissen nur in der ,Akademiker-Bubble' und nicht in meinem Alltags- und Berufsleben gebrauchen kann."

Wie zeitgemäß ist es noch, pures Wissen, also im Grunde Fakten, weiterzugeben?

Damit umreißt Diem ein Problem, mit dem Universitäten 2023 wohl stärker zu kämpfen haben als jemals in ihrer Historie: Wie zeitgemäß ist es noch, pures Wissen, also im Grunde Fakten, weiterzugeben? Schlägt in Zeiten von Fachkräftemangel und prosperierenden Fachhochschulen die Praxisausbildung die Theorievermittlung? Und brauchen wir überhaupt reines Wissen - wenn künstliche Intelligenz ebendieses auf Knopfdruck ausspucken kann?

"Wissen ist die erste Stufe, gefolgt von Verstehen und Anwenden. Dann kommt Analyse. Und als höchste Stufe Synthese."
Martin Weichbold
Vizerektor für Lehre und Studium an der Uni Salzburg

Wissen sei ein breiter Begriff, führt Martin Weichbold aus, Vizerektor für Lehre und Studium an der Uni Salzburg. Entsprechend sei auch die dahinterliegende Debatte eine diffizile. Doch selbst das reine Faktenwissen werde "immer Bestandteil eines Curriculums sein". Es gehe aber nicht darum, Faktisches auswendig zu lernen. Vielmehr müssten Studierende sukzessive Kompetenzen aufbauen (können). "Wissen kann man dabei als erste Stufe sehen, gefolgt von Verstehen und Anwenden - im Sinne von Übertragen einer Erkenntnis auf andere Situationen", beschreibt Weichbold. "Dann kommen Analysekompetenz, also etwa komplexe Zusammenhänge erkennen zu können, und die Fähigkeit, diese zu beurteilen. Schließlich kann man die Synthese, also zum Beispiel die Fähigkeit, eigene Konzepte zu entwerfen, als höchste Kompetenzstufe sehen."

Universität als sozialer Experimentier-, Entwicklungs- und Lebensraum

Wie elementar dieser Kompetenzaufbau ist, betont auch Manuel Gruber, stellvertretender Vorsitzender der ÖH an der Uni Salzburg. Vor allem in Zeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz sei es aus studentischer Sicht "fast wichtiger, den Umgang, die Reflexion, die Anwendung, die Grenzen und den Transfer von Wissen zu vermitteln". Auf diese Weise würden etwa kritisches Denken, Kreativität oder Selbstbestimmtheit geschult. Derartige Ansätze hingen stark mit einer Ebene zusammen, die während der Coronapandemie kaum bespielt werden konnte: "Die Universität muss auch ein sozialer Experimentier-, Entwicklungs- und Lebensraum sein", ergänzt Gruber.

Besonders herausfordernd ist das Thema Wissensvermittlung für jene Universitäten, die sich schon ob ihrer Ausrichtung zwischen Theorie und Praxis bewegen. Ein Beispiel ist die Uni Mozarteum, die es - laut offizieller Schilderung - als Ziel hat, "künstlerische Begegnung und Herausforderung mit Kunstvermittlung und kunstuniversitärer Forschung" zu verbinden. Oder anders: Die Künste sollen einerseits (theoretisch) erschlossen, künstlerisches Talent soll andererseits (praktisch) ausgebildet werden.

Ähnliches gilt für die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU): Schließlich soll am Ende eines Studiums etwa ein praxistauglicher Mediziner, eine praxistaugliche Medizinerin stehen. Praktische Fertigkeiten auszubilden spiele an der PMU in der Tat eine große Rolle, konstatiert Christian Pirich, Vizerektor für Studium und Lehre. "Die reine Wissensvermittlung ist seit mehreren Jahren, fast Jahrzehnten, Historie." Ähnlich wie Martin Weichbold betont Pirich den "Kompetenzerwerb". Dieser werde etwa von Erkenntnissen der Pädagogik, der Didaktik, aber auch durch jene "der Arbeitsmarktfähigkeit" geprägt.

KI und Chatbots: Abkehr vom reinen Wissenserwerb

Angesprochen auf künstliche Intelligenz und Chatbots betont der PMU-Vizerektor, dass derartige Entwicklungen die "Abkehr vom reinen Wissenserwerb beschleunigen". Die Tools selbst könnten für den Kompetenzerwerb an den Universitäten sogar hilfreich sein: "Wenn sie dosiert und mit didaktischem Hintergrund ausgestattet eingesetzt werden." Ähnlicher Ansicht ist Martin Weichbold: Seit es das Internet gibt, habe man die Möglichkeit, sich in kürzester Zeit umfangreiches Wissen zu beschaffen. "Es hilft mir nur nicht viel, wenn ich nicht die Kompetenzen habe, damit umzugehen." Auch um KI-Anwendungen sinnvoll einzusetzen, brauche es Kompetenzen - Kompetenzen, die Unis vermitteln könnten. Etwa den kritischen Umgang mit Texten.

Verschulte Prinzipien an Unis aufbrechen

Damit Wissen derart angewendet, reflektiert, transferiert werden könne, müssten aus Sicht von ÖH-Vorsitz-Mitglied Gruber jedoch die oftmals noch "stark verschulten Prinzipien" an Unis aufgebrochen werden. Gruber spricht sich etwa für flexiblere Anwesenheitsregeln aus, ein besseres Zusammenspiel aus Präsenz- und Fernlehre, weniger starre Studienpläne. Auch Martin Weichbold hält nichts davon, Studien mit "Auswendiglernen und dem Vollstopfen mit Faktenwissen" zu beginnen oder gar ganz zu gestalten. Dies sei weder didaktisch sinnvoll noch nachhaltig. Weichbold ergänzt aber: "Ganz ohne Lernen wird das Studium auch in Zukunft nicht möglich sein."

WELCHE BEDEUTUNG HAT WISSEN FÜR DICH?

Elena Worgt (27), Moldawien, Psychologie, Anglistik & Amerikanistik an der Uni Salzburg: „Für mich gibt es verschiedene Arten von Wissen. Im ersten Moment denkt man an Fakten oder Abläufe, die man in der Schule gelernt hat, aber das kommt mir zu absolut vor. Wissen ist eher ein Prozess, an Infos zu kommen, diese zu organisieren, zu verstehen und anwenden zu können. Es ermöglicht uns, unser Potenzial auszuschöpfen, passende Entscheidungen zu treffen und effektive Lösungen zu finden.'
Elena Worgt (27), Moldawien, Psychologie, Anglistik & Amerikanistik an der Uni Salzburg: „Für mich gibt es verschiedene Arten von Wissen. Im ersten Moment denkt man an Fakten oder Abläufe, die man in der Schule gelernt hat, aber das kommt mir zu absolut vor. Wissen ist eher ein Prozess, an Infos zu kommen, diese zu organisieren, zu verstehen und anwenden zu können. Es ermöglicht uns, unser Potenzial auszuschöpfen, passende Entscheidungen zu treffen und effektive Lösungen zu finden.'
Aaron Grünwald (22), Konzertfach Schlagzeug an der Uni Mozarteum: „Wissen hat für mich den höchsten Stellenwert, eigentlich ist es das Wichtigste in unserer heutigen Welt. Vor allem in der Musik braucht man weitreichendes Allgemeinwissen, sollte man über den Tellerrand hinausblicken und so viel Wissen wie möglich aufsaugen. Sonst kann man technisch perfekt spielen, aber nicht die Essenz der Musik vermitteln. Da höre ich lieber etwas, das nicht perfekt ist, wo aber wirklich Musik gemacht wird.“
Aaron Grünwald (22), Konzertfach Schlagzeug an der Uni Mozarteum: „Wissen hat für mich den höchsten Stellenwert, eigentlich ist es das Wichtigste in unserer heutigen Welt. Vor allem in der Musik braucht man weitreichendes Allgemeinwissen, sollte man über den Tellerrand hinausblicken und so viel Wissen wie möglich aufsaugen. Sonst kann man technisch perfekt spielen, aber nicht die Essenz der Musik vermitteln. Da höre ich lieber etwas, das nicht perfekt ist, wo aber wirklich Musik gemacht wird.“
Paula Lischent (22), Salzburg, Humanmedizin an der PMU: „Wissen per se hat für mich große Bedeutung, auch im Alltag. Im Studium ist es auf ein Gebiet fokussiert, in meinem Fall die Humanmedizin – hier ist die Wissensaneignung selbstverständlich. Im Alltag ist Wissen breit gestreut, man kann sich informieren und weiterbilden, sei es durch Lesen, durch die Medien oder durch interessante Leute, mit denen man diskutiert. Wissen öffnet viele Türen, es ist ein großer und wichtiger Teil im Leben.“
Paula Lischent (22), Salzburg, Humanmedizin an der PMU: „Wissen per se hat für mich große Bedeutung, auch im Alltag. Im Studium ist es auf ein Gebiet fokussiert, in meinem Fall die Humanmedizin – hier ist die Wissensaneignung selbstverständlich. Im Alltag ist Wissen breit gestreut, man kann sich informieren und weiterbilden, sei es durch Lesen, durch die Medien oder durch interessante Leute, mit denen man diskutiert. Wissen öffnet viele Türen, es ist ein großer und wichtiger Teil im Leben.“
Leonie Lindinger (22), Lehramt Bildnerische Erziehung & Gestaltung: Technik.Textil an der Uni Mozarteum: „Mein wissenschaftliches Wissen und mein Erfahrungswissen in Situationen einbringen zu können verändert stets auch meine Perspektive. Wissen ist Bildung, aber natürlich ist Bildung niemals nur Wissen. Bildung bekommt großen Wert für mich, wenn ich Gelerntes in Bezug zur Welt setzen kann und sich mir größere Zusammenhänge erschließen. Wissen gibt mir Möglichkeiten, anders zu handeln.“
Leonie Lindinger (22), Lehramt Bildnerische Erziehung & Gestaltung: Technik.Textil an der Uni Mozarteum: „Mein wissenschaftliches Wissen und mein Erfahrungswissen in Situationen einbringen zu können verändert stets auch meine Perspektive. Wissen ist Bildung, aber natürlich ist Bildung niemals nur Wissen. Bildung bekommt großen Wert für mich, wenn ich Gelerntes in Bezug zur Welt setzen kann und sich mir größere Zusammenhänge erschließen. Wissen gibt mir Möglichkeiten, anders zu handeln.“
Bernhard Dichtl (23), Seekirchen/Klagenfurt, Lehramt an der Uni Salzburg: „Auf unterschiedliche Weise nimmt Wissen in meinem Leben eine tragende Rolle ein: Zunächst ermöglicht mir dieses eine Orientierung in unserer Welt. Es befähigt mich, Infos einzuordnen und im besten Fall auch zu verstehen. Aufbauend darauf eröffnet Wissen neue Perspektiven und erlaubt mir, faktenbasiert Entscheidungen zu treffen. Mein Wissen ist dabei nicht starr, sondern steten Veränderungen unterworfen.“
Bernhard Dichtl (23), Seekirchen/Klagenfurt, Lehramt an der Uni Salzburg: „Auf unterschiedliche Weise nimmt Wissen in meinem Leben eine tragende Rolle ein: Zunächst ermöglicht mir dieses eine Orientierung in unserer Welt. Es befähigt mich, Infos einzuordnen und im besten Fall auch zu verstehen. Aufbauend darauf eröffnet Wissen neue Perspektiven und erlaubt mir, faktenbasiert Entscheidungen zu treffen. Mein Wissen ist dabei nicht starr, sondern steten Veränderungen unterworfen.“