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Ritterspiel und Fantasy: "Parzival" im Theater der Jugend

Anfortas leidet. Der Himmel ist ebenso düster wie die von Philip Glass stammende Hintergrundmusik. "Koyaanisqatsi" gibt die Stimmung auf der Gralsburg vor: Die Welt steht auf keinen Fall mehr lang, wenn nicht junge, frische Kräfte mit reinem Herzen übernehmen und den Kampf für das Gute weiterführen. Kurz deutet Michael Schachermaier an, wie man "Parzival" heute erzählen könnte. Und zeigt dann jene Unentschlossenheit, mit der man weder einst noch jetzt Gralsritter werden kann.

Jonas Graber als Parzival
Jonas Graber als Parzival

Wie erzählt man ein mittelhochdeutsches Versepos so, dass der moderne Kern dieser frühen Coming-of-Age- und Selbstfindungsgeschichte herausgearbeitet wird und doch manches von dem wiedererkennbar bleibt, das sich tief in das abendländische Kulturgut eingeschrieben hat? Regisseur Schachermaier entscheidet sich im Theater im Zentrum bei seiner Bearbeitung von Wolfram von Eschenbach, die am Dienstag Premiere feierte, für einen zweifachen Ansatz - und setzt sich damit zwischen alle Stühle. Denn einerseits steuert Ausstatterin Dominique Wiesbauer ein feines Videoprojektionsambiente bei, mit dem das Ensemble cool interagiert und bei allem Augenzwinkern doch eine Portion Fantasy auf die kleine Bühne zaubert, andererseits wird mit Ritterkostümen und Theaterschwertern agiert, als wäre man in der Retro-Zeitmaschine gelandet.

Jonas Graber gibt den naiven Unbedarften, der aus der behüteten Einsamkeit der mütterlichen Waldhütte in die große, weite Welt zieht, um das Glück, zumindest jedoch den Gral zu finden. Seine Naivität färbt auf viele der 100 Theaterminuten ab. Ein vierköpfiges Ensemble (Elisa Seydel, Uwe Achilles, Frank Engelhardt und Sascia Ronzoni) hält in einer Vielzahl von Rollen die Handlung so weit in Schwung, dass man den Leiden des jungen P. mit Interesse folgt, auch wenn sie aus einer sehr fernen Zeit zu kommen scheinen. Nach der Pause, wenn es dann immer mythenschwerer ums Ganze geht, wird dieser Schwung immer mehr verloren.

"Werde, was du bist", bekommt der junge Held, dessen Leitspruch "Ich bin nicht dumm, ich bin Parzival" lautet, als wichtigste Erkenntnis mit auf den Lebensweg. Was er sein könnte, davon hat er jedoch am Ende kaum mehr Ahnung als zuvor. Dumm gelaufen.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Parzival" nach Wolfram von Eschenbach von Michael Schachermaier, Regie: Michael Schachermaier, Ausstattung und Video: Dominique Wiesbauer. Mit Jonas Graber - Parzival, Elisa Seydel - Herzeloide, König Artus ..., Uwe Achilles - Anfortas, Gralskönig, Ein Ritter ..., Frank Engelhardt - Gahmuret, Ein Ritter, Herzog Orilus ..., Sascia Ronzoni - Kundry, eine Zauberin, Herzogin Jeschute, Ein Ritter ... Uraufführung im Theater im Zentrum, Wien 1, Liliengasse 3, Vorstellungen bis 15. Juni. Für Jugendliche ab 11 Jahren)

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