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Von nackten Tatsachen und echten Gefühlen

Bei der künstlichen Intelligenz hört sich die Freundschaft auf - oder fängt sie damit erst an?

Thomas Hofbauer

Das Handy! Studien, wonach Menschen lieber auf Freunde, Partner oder Sex verzichten, als sich von ihrem Smartphone zu trennen, die gibt es seit zehn Jahren. Der Befund ist immer der gleiche und die Aufregung ebenso. Viele Menschen bauen offenbar eine sehr spezielle emotionale Bindung zu diesem Gerät auf. Während wir sonst Technik wie Computer, Akkuschrauber und Fernseher als Blechtrottel, Graffel und dummes Kastl beschimpfen, ist vielen das Smartphone das Allerhöchste.

Da liegt die Frage nahe, ob sich die Beziehung zwischen Menschen und Technik noch weiter vertiefen kann. Ist KI vielleicht sogar eine bessere Gesprächspartnerin als ein Mensch? Immerhin ist die 24 Stunden am Tag verfügbar und hat selbst keine Bedürfnisse außer einer gehörigen Menge Strom. Die ARD hat dazu für eine Dokumentation ein gewagtes Experiment veranstaltet. Drei Menschen in schwierigen Lebenssituationen - ein Paar, das sich nach einer Fehlgeburt um die aktuelle Schwangerschaft Sorgen macht, eine einsame alte Dame und eine junge Künstlerin, deren Mutter Krebs im Endstadium hat - sollen mit drei verschiedenen KI-Chatbots kommunizieren: einem Priester, einer besten Freundin und einer Psychologin. Die Eigenschaften und Gesprächsstrategien wurden von realen Personen definiert.

Das Ergebnis war teilweise verblüffend. Vor allem der virtuelle Priester wurde als besonders authentisch wahrgenommen. Er wusste auf jede Fragestellung eine theologische Antwort, agierte verständnisvoll und tröstend. Und sogar der echte Priester war durchaus angetan von den eloquenten Antworten der KI. Die Psychologin weniger, denn das, was da stattfand, war eher ein Beratungsgespräch als eine Therapiesitzung. Am wenigsten funktionierte die beste Freundin. Bei diesen Gesprächen wollte der Funke einfach nicht zünden.

Feuer und Flamme hingegen sind zahlreiche männliche Nutzer, wenn sie an Emily Pellegrini denken. Die junge Frau, die sich auf Instagram räkelt und auf Fanvue noch mehr Haut zeigt, veranlasste nicht nur Fußballstars zur Kontaktaufnahme. Was viele nicht wissen: Emily ist eine täuschend echte KI. Der Versuch, sich mit ihr zu verabreden, ist verlorene Liebesmühe. Die nährt aber wenigstens die Hoffnung, dass bei aller Künstlichkeit am Ende doch das Zwischenmenschliche bleibt, auch wenn bei Umfragen manche das Smartphone dem direkten Kontakt vorziehen.

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