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Nikolai Ardey von VW: "KI ist ein unglaublicher Segen"

Künstliche Intelligenz wird das autonome Fahren revolutionieren. Dazu sprachen die SN mit Nikolai Ardey, dem Leiter des Bereichs "Group Innovation" bei Volkswagen, im Interview.

Nikolai Ardey von Volkswagen.
Nikolai Ardey von Volkswagen.

Nikolai Ardey leitet bei Volkswagen den Bereich "Group Innovation" und ist damit für rund 600 Mitarbeiter in aller Welt verantwortlich. Im Rahmen des diesjährigen Technologie- und Innovationsforums "salz21" in Salzburg sprach er mit den SN über das Potenzial der künstlichen Intelligenz für die Automobilindustrie.

Herr Ardey, was darf man sich bei einem großen Konzern wie Volkswagen unter dem Betriff Innovationen vorstellen? Nikolai Ardey: Wir kümmern uns primär um Innovationen für alle Pkw-Marken des Konzerns und beschäftigen uns mit Themen wie Dekarbonisierung, Technologien rund ums autonome Fahren, der Unfallforschung und nachhaltigen Werkstoffen. Wir bearbeiten also vor allem die Themen, die für alle Marken des Unternehmens gleichermaßen von großem Interesse sind.

Welche Trends beschäftigen Sie aktuell am meisten? Ganz klar der enorme Boom rund um die künstliche Intelligenz. Das zieht sich praktisch durch alle Bereiche.

Wie groß ist das ökonomische Potenzial der künstlichen Intelligenz aus Ihrer Sicht tatsächlich? Das Potenzial ist gigantisch, das kann man wirklich sagen. Die KI wird sicherlich nicht den Menschen ersetzen. Aber Menschen, die KI nutzen, werden mit Sicherheit solche ersetzen, die sie nicht nutzen. Die größte Gefahr besteht aus heutiger Sicht darin, die sich bietenden Möglichkeiten nicht zu nutzen. Denn dann werden es andere tun, die uns in der Folge im Wettbewerb gnadenlos überlegen sein werden. Die Herausforderungen sind allerdings enorm. Es reicht bei Weitem nicht aus, sich ein paar Tools zu beschaffen und diese einzusetzen. Denn das, was die künstliche Intelligenz ausmacht, sind die unglaublichen Datenmengen, die innerhalb kürzester Zeit interpretiert und verwertet werden können. Die KI ist ja nichts anderes als die Nutzung des gesamten vorhandenen Wissens, um daraus eine möglichst wahrscheinliche Lösung zu generieren.

Welchen Einfluss wird die KI auf die Entwicklung des autonomen Fahrens haben? Wenn man die Algorithmen verschiedener Entwickler wie Googles Waymo oder Pony.ai aus China vergleicht, dann sieht man ganz klar, dass dort schon ein extrem hoher Anteil von künstlicher Intelligenz abgedeckt wird. Normalerweise werden die neuronalen Netze ja dadurch trainiert, dass Abertausende Bilder in Handarbeit bewertet werden. Das kostet in der Entwicklung Unsummen und kann niemals auch nur annähernd vollständig sein. Der nächste Schritt wird deshalb sein, dem System Basisinformationen zu geben, womit es dann selbstständig dazulernen kann. Bei Prototypen funktioniert das heute schon, das haben wir in einem Fahrzeug bereits dargestellt. Da wird der Weg hinführen. Allerdings wird das frühestens 2030 oder später tatsächlich in Serie gehen.

Wie optimistisch sind Sie, dass es hinsichtlich des Datenschutzes in Europa die richtigen Rahmenbedingungen geben wird, um das KI-Potenzial auszunützen? In der Tat tut man sich hier mit der Gesetzgebung besonders schwer, weil man versucht, eine möglichst vollständige Risikovermeidung zu erreichen. Das macht uns im globalen Wettbewerb natürlich sehr langsam. Hier wird es darauf ankommen, einen Mittelweg zu finden. KI hat natürlich auch Risiken. Man sollte es jedoch nicht übertreiben. Wenn man als Unternehmen die aktuelle Datenschutzgrundverordnung sehr genau interpretiert und dabei jedes Risiko ausschließen möchte, dann ist man fast schon im Bereich der Selbsthemmung. Das ist schon heftig. Wir brauchen deshalb dringend klare Regeln für die Nutzung von KI, um die größten Risiken zu vermeiden, ohne uns selbst allzu sehr einzuschränken.

Wie groß ist aktuell der Anteil der falschen Inhalte? ChatGPT beispielsweise gibt auf die meisten Fragen eine Antwort und sagt nur in Ausnahmefällen, dass es etwas nicht weiß. Die Wahrscheinlichkeit, dass Antworten grottenfalsch sind, liegt aktuell immer noch zwischen 20 und 30 Prozent. Es gibt natürlich immer bessere Technologien, um sogenannte Halluzinationen zu vermeiden. Das wird zwar immer besser, kann aber nie fehlerlos sein. Deshalb muss das Credo lauten, dass der Mensch am Ende der Sicherheitsanker sein muss.

Wird die KI für die Menschheit eher Fluch oder Segen? Sie ist ein unglaublicher Segen. Das wird eine Befreiung für die Menschheit sein und unser aller Leben auf verschiedenste Weise bereichern. Es gibt natürlich auch Risiken. Es wird zu einer Transformation der Gesellschaft führen. Doch das wird Gott sei Dank nicht sprunghaft passieren. Ich bin mir ziemlich, dass es den Job eines Lastwagenfahrers oder Taxilenkers irgendwann nicht mehr geben wird. Die Tätigkeiten werden sich ganz generell auf die Metaebene verlagern, das heißt: Welche Fragen stelle ich der KI, damit ich die gewünschten Ergebnisse bekomme? Wir Menschen werden mehr Freiraum für Kreativität und schöpferisches Arbeiten haben und weniger Mühsal.