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Vom Wert der Arbeit

Wertewandel, agile Strukturen, künstliche Intelligenz. Wie verändert sich die Arbeitswelt? Wie der Stellenwert der Arbeit? Anlässlich des Tags der Arbeit am 1. Mai fragen wir nach: bei einem Handwerker, einer Organisationsentwicklerin, einem Zukunftsforscher.

Tischlermeister Michael Ebner, Mitgründer der „Salzburger Tischlerküche“.
Tischlermeister Michael Ebner, Mitgründer der „Salzburger Tischlerküche“.

Die Qualität der Nahbarkeit

Ich habe die Tischlerei Holz in Form vor 25 Jahren gegründet, vor zehn Jahren mit fünf anderen Betrieben die Marke "Salzburger Tischlerküche" aufgebaut. Grundentscheidung fürs Handwerk war für mich, dass ich etwas machen wollte, das man am Abend stehen hat - ein fertiges Produkt. Dass Handwerker hochwertige Produkte liefern, sollte selbstverständlich sein. Was für mich noch wichtiger ist, ist die Planungsqualität: dass ich nicht jedem Trend hinterherhechle, sondern mit dem Kunden gemeinsam etwas entwickle, das er in 10, 15 Jahren noch gerne anschaut. Wenn ich mir denke, ja, das ist gelungen, dann gibt mir das ein gutes Gefühl und ich weiß, dass ich den richtigen Weg gehe.

Holz in Form ist eine kleine Firma. Ich habe zwei Mitarbeiter - wobei wir unser Team gern noch verstärken würden. Im Miteinander kommt es für mich auf die gegenseitige Wertschätzung an. Dass der Mitarbeiter die Fähigkeiten des Chefs schätzt, der etwa eine gute Planung macht, gut mit den Kunden umgehen kann, aber dass auch jeder Mitarbeiter sein eigenes Wissen und seine Fähigkeiten einbringen kann. Wir machen sehr viel selbst, direkt mit dem Kunden, haben Stammkunden, die wir mehr als 20 Jahre kennen und wo jetzt schon die nächste Generation etwas von uns machen lässt. Gerade in den vergangenen vier, fünf Jahren ist die Wertschätzung fürs Handwerk wieder deutlich gestiegen. Die Leute wollen einen langfristigen Ansprechpartner, der sie vom Erstgespräch bis zur Montage begleitet und später auch für Serviceleistungen zur Verfügung steht. Viele legen mir einfach den Schlüssel hin. Dieses Vertrauen gehört erst einmal aufgebaut. Als Handwerker kommst du ja in sehr intime Bereiche hinein, ins Schlafzimmer, ins Bad.

Als selbstständiger Handwerker musst du klarerweise bereit sein, mehr zu leisten. Mit einer 35-Stunden-Woche ist es da nicht getan. Viele aus der Branche wandern in Fertigungsbetriebe ab oder in den Außendienst. Da wird oft kurzfristig aufs Geld geschaut, nicht auf das, was im Leben zufrieden macht. Dass Handwerk etwas sehr Erfüllendes sein kann, sieht man ja daran, dass heute viele im zweiten Bildungsweg etwas mit den eigenen Händen machen wollen.

Marlene Suntinger, Supervisorin, Coachin und Organisationsentwicklerin.
Marlene Suntinger, Supervisorin, Coachin und Organisationsentwicklerin.

Die Arbeitswelt und der Außerirdische E. T.

Können Sie sich noch an E. T., den Außerirdischen, erinnern? Jene Figur, die Steven Spielberg 1982 erfolgreich in unsere Kinos gebracht hat? Beim Verfassen dieser Zeilen musste ich an diesen Erfolgsblockbuster und an den berühmten Satz "E. T. nach Hause telefonieren" denken. Sie fragen sich, was das mit dem "guten Arbeiten in der Zukunft" zu tun hat?

In Unternehmen arbeiten Mitarbeitende und Führungskräfte. Organisationen sind dessen ungeachtet nie menschlich. Sie haben keine Emotionen, sondern sie sind Arbeitssysteme, die auf ihren Nutzen hin handeln - oder besser gesagt: entscheiden. Nur durch Entscheidungen können sich Organisationen ändern, verbessern und wachsen. In einer Arbeitswelt der Zukunft prallen organisationales Handeln und Entscheiden auf ein Wertebild einer neuen, jungen und selbstbewussten Generation. Sie fordern Wertschätzung von Organisationen in Form von Gehalt, flachen Hierarchien, schlanken Prozessen, agilen Strukturen und einer Werthaltung, die nachhaltig und gesellschaftlich engagiert ist. Die Organisation zeigt sich in der Regel unberührt davon - und macht mehr vom selben. Diese ist ja kein Mensch und sie spürt die starke Emotion derer nicht, die vorhaben, ihren Beruf zu leben, und nicht ihr Leben dem Beruf unterordnen wollen.

Ich frage mich: Kommen sich die Jungen mit ihren Wünschen nach Freiheit und Selbstbestimmtheit wie unser Alien E. T. vor, weil sie die Regeln unserer Arbeitswelt nicht mehr verstehen und die Sprache der harten Arbeit nicht sprechen? Inzwischen sind diese Stimmen lauter zu hören - und es sind verschiedene Töne und wenig verfügbare Arbeitskräfte. Die Führungskräfte werden zu Übersetzern und Vermittlern zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und den Zielen der Organisation. Sie dürfen hier allen Orientierung geben, die Dialogfähigkeit stärken und Organisationen in ihren Strukturen dahingehend reorganisieren, dass echte Chancen für organisationale Veränderung gegeben sind. Ein Führungsjob, nur für top qualifizierte Spitzenkräfte? Nein! Eine Aufgabe, die emotionale Kompetenz, Reflexionsfähigkeit und den Willen zur gemeinsamen Kulturarbeit mit sich bringt.

Tristan Horx, Zukunftsforscher.
Tristan Horx, Zukunftsforscher.

Selbstlos auf den Tisch hauen

Es geht mir auf den Keks, dass wir die Welt den Pessimisten überlassen haben. Österreich ist eines der besten Länder. Wir haben mehr als genug Wohlstand, mehr als genug ökologischen Wandel - es läuft. Wenn man alles durch die pessimistische Brille sieht, wird das negative Narrativ zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Das ist individuell und gruppenpsychologisch belegt. Wir sprechen zum Beispiel in den vergangenen Jahren viel vom Quiet Quitting. Das ist passiv, resignativ, es ändert nichts. Deshalb bin ich lieber optimistisch. Und wütend. Denn das gibt mir Energie, die ich in die Veränderung hineinlegen kann.

Wir bewegen uns gerade vom Industriezeitalter ins digitale Zeitalter. Während Maschinen immer bessere Maschinen werden, kommen viele Manager darauf, dass unser einziges Alleinstellungsmerkmal gegenüber der KI unsere Menschlichkeit ist. Da werden sie erst einmal nervös, denn sie wissen nicht, was ihre Aufgabe ist, wenn sie nicht in Mikromanagement besteht. Für sie haben bisher nur Zahlen gezählt, auch wenn schon lange das Buzzword "Soft Skills" kursiert.

Drei Kernkompetenzen braucht es in meinen Augen, um die Arbeitswelt zu humanisieren: Empathie, Vertrauen und eine Scheiterkultur. Unternehmen müssen, wenn sie bestehen wollen, Systeme schaffen, in denen die Menschlichkeit zählt. Das ist inzwischen beinharte Volks- und Betriebswirtschaft. Das Wissen, dass sie gebraucht werden, gibt jungen Leuten nämlich einen ganz anderen Verhandlungsspielraum. Sie können aus einem Bewerbungsgespräch hinausgehen und sagen: Ihr seid in der engeren Wahl. Aus dem Wissen, dass sie gebraucht werden, können sie einen Wandel anstoßen. Ich bin ein großer Freund der Rebellion, weil sie das System von innen heraus verändert. Wenn ich leise gehe - und ich ohnehin gehe -, dann verändert sich nichts. Beim Loud Quitting kann man all jene Dinge kritisieren, die falsch laufen, die jeder sieht, die sich aber niemand, der im Unternehmen bleibt, anzusprechen traut. Auf den Tisch zu hauen ist auch eine gewisse Form der Selbstlosigkeit: Unternehmen brauchen ungeschöntes Feedback, um sich verändern zu können.