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Beethoven hat in seiner Partitur geschmiert

Das 200-Jahr-Jubiläum der 9. Symphonie wird in Wien und in Baden vielfältig gefeiert.

Detail aus Beethovens Autograf.
Detail aus Beethovens Autograf.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.
Autograf von Beethovens 9. Symphonie.

Was seit Mittwoch im Wiener Theatermuseum zu bestaunen ist und jene Pilger anziehen wird, die den 7. Mai ersehen, hat in Salzburg begonnen. Im vorigen August sei er mit dem Vorstand der Wiener Philharmoniker, Daniel Froschauer, in einem Salzburger Café gesessen, "wir haben getratscht", erzählt der Musikwissenschafter Otto Biba. Da habe ihn Daniel Froschauer nach "einer besonderen Idee zum Jubiläum der Neunten" gefragt. Dieses Jubiläum steht jetzt an: Am 7. Mai 1824 wurde Ludwig van Beethovens letzte Symphonie in Wien uraufgeführt.

30 Jahre nachgedacht, zwei Jahre aufgeschrieben

Passend zum Jubiläumskonzert der Wiener Philharmoniker im Großen Saal des Wiener Musikvereins ist es Otto Biba gelungen, Teile des Autografs aus Berlin nach Wien zu holen. Für zwei Monate werden sie nun im Theatermuseum präsentiert. In fetziger, geschmierter Schrift wirken die Noten wie hingeworfen. Doch: Beethoven hatte lange daran getüftelt. Bereits als er 1792 nach Wien gefahren sei, um Schüler Joseph Haydns zu werden, habe er vorgehabt, Schillers "Ode an die Freude" zu vertonen, berichtet Otto Biba. Erst ab 1822 habe er die Partitur niedergeschrieben. "30 Jahre hat er nachgedacht, zwei Jahre hat er sie zu Papier gebracht."

Autograf für eine Leibrente nach Berlin verkauft

Warum ist das Autograf der Neunten in Berlin gelandet? Anton Schindler, ein Freund Beethovens, "der sich selber als dessen Privatsekretär hochstilisiert hat", habe nach dem Tod des Komponisten einen Teil der Partitur der 9. Symphonie bei sich gehabt, berichtet Otto Biba. Dieses Autograf habe Schindler später gegen eine Leibrente an die Staatsbibliothek zu Berlin verkauft. Allerdings: Teile der Partitur - vor allem der vierte Satz - seien in Beethovens Wohnung liegen geblieben. Der Schätzmeister der Nachlassversteigerung habe allerdings deren Wert nicht erkannt, so habe dies der Wiener Verleger Artaria überaus günstig erworben. Dessen Erben wiederum hätten 1901 das mittlerweile kostbare Autograf verkauft, doch weil sich in Wien niemand dafür gefunden habe, sei auch dieser Teil an die Berliner Bibliothek gegangen, die somit beide Teile wieder zusammengeführt habe.

Erstmals seit 123 Jahren auf Besuch in Wien

Was jetzt im Theatermuseum aus dem 1. und dem 4. Satz ausgestellt sei, stamme alles aus dem 1901 verkauften Wiener Bestand, erläutert Otto Biba. "Es kommt erstmals nach 123 Jahren auf Besuch nach Wien."

Dass - neben einem Exemplar der gedruckten Erstausgabe - vier Doppelseiten von Beethovens Handschrift nun in Wien präsentiert werden, ist einem doppelten Glück zu verdanken - zum einen dem Wissen und der exzellenten Kontakte Otto Bibas, der lange das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien geleitet hat. Zum anderen "haben wir das Glück, dass Beethoven die Partitur auf Papier verschiedenen Formats geschrieben hat". Folglich habe man das Konvolut nicht in einem Stück binden können, "deswegen besteht die Neunte aus verschiedenen Bänden" - vier davon seien jetzt in Wien, sodass man nicht, wie sonst von einem Autograf, bloß zwei, sondern acht Seiten aufschlagen könne.

"Das sind acht ganz, ganz besondere Seiten"

Gemeinsam mit Daniel Froschauer habe er "charakteristische Stellen" ausgesucht, erläutert Otto Biba. "Das sind acht ganz, ganz besondere Seiten." Zugleich versichert er: Auch wer keine Noten lesen könne, könne etwas vom Schaffensprozess nachvollziehen, also gleichsam "Beethoven über die Schulter schauen". Um dies zu erleichtern, habe er dazu kurze Wandtexte verfasst.

Zu sehen sei etwa, "wie er geschrieben und wie er korrigiert hat". Mit einem Messer, das einst zu jedem Schreibzeug gehört habe, um die Gänsefeder zu spitzen, habe Beethoven etwa falsche Stellen weggekratzt. Dort oder da hat er ein Einlageblatt dazugelegt, um erst später komponierte Takte einzuflicken. Oder: Weil er bei der Uraufführung mit der Stimme des Kontrafagotts offenbar nicht zufrieden gewesen sei, habe er eine neue geschrieben, "auch die haben wir dazulegt". Vor allem dieses "nachkomponierte Kontrafagott" sei ein grafisches Kunstwerk, versichert Otto Biba. "Das ist so geschmiert, dass man die Noten nur mühsam lesen kann. Aber es schaut großartig aus!"

Beethoven hat furchtbar schlecht gehört

Wie hat Beethoven etwas von der Uraufführung hören können? War er nicht taub? Dies werde nach wie vor von Forschern diskutiert, erwidert Otto Biba. Seiner Ansicht nach habe Beethoven "furchtbar schlecht gehört, aber er war nicht ganz taub". Allerdings: Auch diese arge Schwerhörigkeit sei für den Komponisten tragisch gewesen; "er hat jedem gezeigt, wie er darunter leidet".

Warum wird das Autograf im Theatermuseum gezeigt? In diesem Palais Lobkowitz habe Beethoven selber musiziert, erzählt Otto Biba. Doch auch wenn der Festsaal deshalb "Eroica-Saal" heißt, weil hier 1804 dessen 3. Symphonie uraufgeführt worden ist, werden die Autografe der Neunten im Musikzimmer gezeigt. Hier habe Beethoven mit Franz Joseph Maximilian Fürst Lobkowitz musiziert, "wir gehen also in dasselbe Zimmer, wir musizieren zwar nicht mit ihm, aber wir schauen uns an, wie er komponiert hat". Diese Nähe zu Raum und Handschrift könne "ein intimes Ereignis" werden, bei dem "der Funke überspringt" - fast wie bei einer Begegnung mit Beethoven selbst.

Jubiläumskonzert im Musikverein

Damit im Palais Lobkowitz auch Beethovens Musik erklingt, wie er sie vor gut 200 Jahren hier gespielt haben könnte, werden Musiker der Wiener Philharmoniker im Eroica-Saal am 15. und 29. Mai sowie am 12. Juni Kammerkonzerte geben. Musikalischer Höhepunkt des Jubiläums der Neunten wird allerdings der 7. Mai. Genau 200 Jahre nach der Uraufführung im Kärtnertortheater in Wien wird Riccardo Muti die Wiener Philharmoniker im Großen Saal des Musikvereins dirigieren. Im Chor wie im Orchester der Uraufführung seien sowohl Sänger als auch Musiker gewesen, die 1812 bei der Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde und 1842 bei der Gründung des Vereins der Wiener Philharmoniker dabei gewesen seien, heißt es in einer Pressemitteilung des Musikvereins. "Beide Institutionen haben also einen engen Bezug zur Uraufführung."

Klangwolke über Baden bei Wien

Noch eine Institution feiert das Jubiläum der Neunten: Das Beethovenhaus in Baden bei Wien erinnert in seiner Sommerausstellung daran, dass Ludwig van Beethoven die Sommer 1821, 1822 und 1823 in der Rathausgasse im heutigen Beethovenhaus Baden gewohnt hat. "Dort entstanden auch Teile der 9. Symphonie, wie Beethovens Briefe belegen", heißt es in der Pressemitteilung. Ausgehend von zwei Briefen Beethovens vom September 1823 widme sich die Sonderschau "der Bedeutung der Neunten von der Uraufführung bis heute". Noch dazu: Am Tag des Jubiläums, also am 7. Mai, ist der Eintritt ins Beethovenhaus frei, und am Abend wird eine Klangwolke über Baden schweben.


Präsentation: "Freude, schöner Götterfunken - Beethovens Neunte im Original", Theatermuseum, Wien, bis 1. Juli.
Konzert: Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti, Musikverein, Wien, 7. Mai, 19.30 Uhr, live in Radio Ö1. TV-Ausstrahlung in ORF 2, 9. Mai, 22 Uhr.
Ausstellung: "Der Weg der Neunten", Beethovenhaus, Baden bei Wien, bis 3. November. Klangwolke in Baden am 7. Mai
Radio: "Freude schöner Götterfunken", vierteilige Sendung von und mit Otto Biba, Radio Klassik Stephansdom, 9., 18., 25. und 30. Mai, jeweils 14 Uhr (Wiederholungen 14., 22., 27. und 29. Mai, jeweils 21 Uhr).

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