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Tag der Arbeit - was christliche Theologie und Islam dazu zu sagen haben

Wieder sind unsere Religionsexperten am Wort: Angelika Walser ist Professorin für Moraltheologie und Spirituelle Theologie der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. Mouhanad Khorchide ist Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster.

Ist arbeiten gottgefällig?
Ist arbeiten gottgefällig?

Tag der Arbeit. Arbeit im Sinne der Weltgestaltung ist viel mehr als ein unvermeidliches Mittel zur Erzielung von Einkommen. Wer einmal arbeitslos war oder unter prekären Arbeitsbedingungen gelitten hat, weiß, was gemeint ist. - von Angelika Walser

Arbeiten ist mühsam, stellt die Heilige Schrift fest, und bezieht sich damit in erster Linie auf die schwere körperliche Arbeit der Ackerbauern: "Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst; denn von ihm bist du genommen. Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück" (Gen 3, 19). Das klingt wie ein göttliches Strafprogramm für arme Sünder, welche die paradiesische Komfortzone verspielt haben.

In Schrift und Tradition findet sich jedoch auch eine positive Bewertung von Arbeit, nämlich im Kontext des sogenannten Herrschaftsauftrags im Buch Genesis, Kapitel 1, Vers 28. Der Mensch soll und kann die ihn umgebende Welt und Natur segensreich und aktiv gestalten. "Ora et labora" formulierte Benedikt von Nursia (ca. 480-547) als den Grundpfeiler seiner Regel: "Bete und arbeite!" Und Ignatius von Loyola (1491-1556) machte in seinen "Betrachtungen zur Erlangung der Gottesliebe" darauf aufmerksam, dass Gott als Schöpfer selbst pausenlos bei der Arbeit sei und dabei Mitarbeitende suche.

Arbeit im Sinne der Weltgestaltung ist jedoch viel mehr als ein unvermeidliches Mittel zur Erzielung von Einkommen. Sie strukturiert den Tag, bringt Menschen zusammen, stiftet Sinn, Anerkennung und Selbstachtung. Wer einmal arbeitslos war oder unter prekären Arbeitsbedingungen gelitten hat, weiß, was gemeint ist. Eine der größten aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt ist es, Erwerbs- und Care-Arbeit (care: Fürsorge) neu zu verteilen und beide angemessen zu entlohnen - und zwar jenseits der traditionellen Geschlechterrollen. Das Konzept vom "atmenden Lebenslauf", in dem jeder Mensch flexibel und nach Bedarf einige Jahre in der Pflege von Kindern und Alten oder auch ehrenamtlich für die Gesellschaft tätig sein kann, muss ernsthaft diskutiert und auf seine Finanzierbarkeit überprüft werden. Ist die 24/7-Pflege der slowakischen Pflegerin wirklich die einzige Möglichkeit, dem heimischen Mangel an Care-Arbeiterinnen und -Arbeitern zu begegnen? Die biblische Sozialgesetzgebung für Einheimische und Fremde (z. B. Lev 16, 29) liefert hier die Basis für viele Einwände.

In der Geschichte der katholischen Sozialethik haben sich spätestens seit der durch die Industrialisierung verursachten Massenarmut im 19. Jahrhundert auch alle Päpste immer wieder intensiv mit der sogenannten Arbeiterinnen- und Arbeiterfrage bzw. der sozialen Frage befasst, allen voran Leo XIII. Er forderte einen gerechten Lohn und menschenwürdige Arbeitsbedingungen (Rerum novarum, 1891). Unter Papst Johannes Paul II. war die Arbeit erneut prominentes Thema. In seiner Enzyklika "Laborem exercens" (1981) bekräftigte er den Vorrang der Person vor dem Kapital: "In erster Linie ist die Arbeit für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit" (LE 6). Allerdings ist dies im Kontext heutiger Debatten nicht als päpstliche Aufforderung zu verstehen, unreflektiert in das aktuell so beliebte Mantra von der "Work-Life-Balance" einzustimmen und eine Reduktion der Arbeitszeit um jeden Preis zu verlangen, wenn dies auf Kosten des Gemeinwohls und der kommenden Generationen geht.

Für die anderen - die Workaholics - hält dagegen die alttestamentliche Weisheitsliteratur eine spezielle Burn-out-Prophylaxe bereit, gewürzt mit einem Schuss Kapitalismuskritik: "Besser eine Handvoll und Ruhe als beide Hände voll und Arbeit und Luftgespinst." (Buch Kohelet, Kapitel 4, Vers 6).


Arbeit kann einen geregelten Beruf meinen. Oder sie kann Berufung bedeuten in dem Sinne, dass der Mensch dadurch sich und seine Gesellschaft bereichert. Sich um seine kranken Nachbarn oder um die Enkel zu kümmern gehört genauso zu dieser Arbeit als Berufung, wie sich selbst etwas zu gönnen. - von Mouhanad Khorchide

An fast 50 Stellen im Koran ist der Ruf zum Glauben an Gott an den Ruf zum nützlichen Handeln gekoppelt. Dafür verwendet der Koran das arabische Wort "Amal", was bis heute als Bezeichnung für Arbeit gilt. Im Kontext der Verkündigung des Korans gab es aber Arbeit in dieser uns heute bekannten geregelten Form nicht. Daher ist "Handeln" die zutreffendere Übersetzung.

Als Kriterium für gutes Handeln gilt "Nützlichkeit". Das wird jedoch nicht im egoistischen Sinne verstanden, sondern im verantwortungsvollen Sinne. Dies veranlasste die muslimischen Gelehrten, Arbeit nicht auf den Aspekt des Geldverdienens zu beschränken. Arbeit ist demnach an die koranische Bestimmung des Menschen als Kalif, als Statthalter Gottes auf der Erde, gekoppelt. Der Mensch hat einen ganz klaren Auftrag zu erfüllen, er ist dazu auf der Welt, um für das Gute und das Konstruktive zu sorgen. Arbeit in diesem Sinne wird als Berufung gesehen, anders als die Arbeit als Beruf, in der es vordergründig um den wirtschaftlichen Aspekt geht.

Der Prophet Mohammed appellierte, dass jeder sein Geld selbst verdienen solle. Menschen nach Geld zu fragen sei verpönt, außer wenn die Umstände es nicht anders zuließen. Nach einer Überlieferung Mohammeds haben auch alle Propheten vor ihm wie er als Hirte gearbeitet. Wenn von Gott gesandte Propheten solch einer herausfordernden Arbeit nachgingen, steht dies symbolisch für den Wert der Arbeit als Zugang zu finanzieller Unabhängigkeit. Außerdem sollte sich niemand zu gut für eine Arbeit sein, egal wie anstrengend sie sei.

Heute drängen sich in diesem Zusammenhang mehrere Fragen auf. Zum einen setzt sich im islamischen Kontext immer stärker die Einstellung durch, dass Frauen dieselben Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben sollten wie Männer, um wirtschaftlich unabhängig zu sein. In konservativen Kreisen werden sie aber oft weiterhin als nur für den Haushalt zuständig angesehen. Zum anderen verdienen immer mehr Menschen ihr Geld als sogenannte Influencer in den sozialen Medien. Hierzu gibt es zurzeit kontroverse Diskussionen entlang der Frage: Was von den Angeboten dieser Influencer ist ethisch vertretbar und was nicht? Es mangelt an klaren Kriterien.

Für konservative Gelehrte gilt jeder öffentliche Auftritt von Frauen, auch wenn sie ein Kopftuch tragen, als ethisch nicht vertretbar. Für andere ist das Geldverdienen dadurch, dass Männer oder Frauen ihren Körper zum Objekt machen - man denke an pornografische Darstellungen -, die rote Linie. Einige Gelehrte meinen, dass alles, was zur Unterhaltung und Freude der Menschen beiträgt und zugleich keinen Schaden verursacht, eine ethisch vertretbare Arbeit sei. Fast Konsens besteht darüber, dass Geldverdienen durch Glücksspiele oder spekulative Börsengeschäfte ohne reale Gegenwerte ethisch nicht vertretbar sei.

Menschen dürfen nicht über ihre Arbeit als Beruf definiert und bewertet werden, denn der Mensch ist ein Selbstzweck und kein Mittel dafür, dass die Wirtschaft blüht und Unternehmen noch mehr Gewinne erzielen. Daher gilt der Grundsatz, dass Arbeit als Beruf eine ethische Verantwortung sich selbst und der Gesellschaft gegenüber ist, dies allerdings nur in dem Maße, dass der Mensch ausreichend Zeit für sich und seine Familie hat. Arbeit wird im Islam nicht auf den Beruf beschränkt, auch nicht auf ihren wirtschaftlichen Nutzen. Die Wirtschaft soll im Dienste des Menschen sein und nicht umgekehrt.

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