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Kreuzfahrten: Ein Rekord jagt den nächsten

Ein Schiff wird kommen. Die Passagierzahlen übertreffen das Rekordjahr 2019. Manchen Hafenstädten wird das jetzt aber zu viel.

Kreuzfahrten auf Rekordkurs.
Kreuzfahrten auf Rekordkurs.

Die Kreuzfahrtbranche ist wieder auf Rekordjagd. Nach drei Jahren Pandemieflaute sind die Passagierzahlen 2023 erstmals über die des absoluten Rekordjahres 2019 gestiegen. In Österreich dürften rund 150.000 Menschen pro Jahr mitfahren. Deutlich seegängiger sind die nördlichen Nachbarn: Knapp drei Millionen Deutsche verbrachten ihren Urlaub wieder auf See. Rund acht Millionen waren es in ganz Europa, 31,5 Millionen weltweit. Das sind weltweit sechs Prozent mehr als 2019.

Diese Zahlen sind auch deshalb beachtlich, weil der weltweite Tourismus 2023 insgesamt das Niveau von vor der Pandemie noch nicht wieder erreicht hat. Und der Plafond scheint noch nicht erreicht: 39,5 Millionen Hochseekreuzfahrt-Passagiere sollen es bis 2027 werden, prognostiziert der Branchenverband Clia.

Die logische Folge sind für 2024 teils deutlich höhere Preise. Und viele Häfen stellen neue Passagierrekorde auf. Spitzenreiter und selbst ernannte Kreuzfahrt-Hauptstadt der Welt bleibt Miami. 7.174.681 Passagierbewegungen zählte der Port of Miami im Jahr 2023. Mit 6,78 Millionen folgt Port Canaveral nahe Orlando in Florida auf Platz zwei. Auf den dritten Platz vorgearbeitet hat sich Nassau auf den Bahamas. Mit einer 300-Millionen-Dollar-Investition hat sich die Stadt fast fünf Millionen Kreuzfahrtpassagiere geangelt. 5,6 Millionen sollen es 2024 werden.

Europas Spitzenreiter und weltweit auf dem fünften Platz ist die katalanische Hauptstadt Barcelona mit 3,57 Millionen Kreuzfahrtpassagieren. Doch Civitavecchia, der Kreuzfahrthafen für Rom, hat gut 3,3 Millionen Passagiere und könnte Barcelona den Rang vielleicht schon in diesem Jahr streitig machen.

Ein - wenn auch glücklicher - Verlierer ist jetzt schon Venedig: Nachdem größere Schiffe seit August 2021 nicht mehr direkt in Venedig anlegen dürfen, verzeichnet die Stadt in den beiden Ausweichhäfen Fusina und Marghera am Festland 2023 nur noch 510.000 Passagiere. 2019 direkt in Venedig waren es noch 1,6 Millionen. Freilich kommen weiterhin sehr viele Kreuzfahrttouristen in die Lagunenstadt. Denn Reedereien weichen auf Triest oder Ravenna aus und bringen die Urlauber per Bus nach Venedig.
Am weltweit größten Kreuzfahrtmarkt, den USA, war Alaska 2023 besonders gefragt: Mit Seattle und Vancouver als Starthäfen sowie Juneau und Ketchikan in Alaska selbst sind vier Alaska-Häfen in Nordamerika in den Top Ten.

Die beiden größten deutschen Kreuzfahrthäfen sind Hamburg und Kiel. Sie liegen mit Rekordzahlen auf Platz zwei und drei in Nord- und Westeuropa mit jeweils rund 1,19 Millionen Passagieren hinter dem unangefochtenen Spitzenreiter Southampton mit 2,6 Millionen. In Bremerhaven wächst die Passagierzahl dagegen stetig an, zuletzt 2023 auf 320.000. Noch vor zehn Jahren gab es dort lediglich 70.000 Passagierbewegungen. Nur Rostock-Warnemünde knüpft nicht an die Zahlen von vor der Pandemie an und kommt auf 410.000 Kreuzfahrtreisende. Vor der Pandemie waren es noch mehr als 900.000.

Immer beliebter und deshalb ein großer Aufsteiger in der Karibik ist die Dominikanische Republik. Am 19. Dezember 2023 stellte Puerto Plata mit seinen beiden Häfen Amber Cove und Taino Bay einen neuen Passagierrekord auf: 27.313 an einem Tag. Und der Inselstaat baut weiter aus: Neben La Romana und drei weiteren, kleineren Häfen, soll 2024 mit Port Cabo Rojo im Süden der Insel nahe der Grenze zu Haiti ein neuer Kreuzfahrthafen hinzukommen - so zumindest die Planung von vor den Unruhen im Nachbarland.

Zu den kontinuierlichen Aufsteigern in der Karibik gehören übrigens auch die Privatinseln der Reedereien. Sie zählen zu den beliebtesten Zielen der Kreuzfahrer und verzeichnen allein auf den Bahamas-Inseln geschätzt mehr als 2,5 Millionen Passagiere. Genaue Zahlen dazu gibt es jedoch nicht.

Der bis 2019 rasant gewachsene Kreuzfahrtmarkt China hat dagegen aktuell kaum zu den Rekordzahlen beigetragen. Nur Flusskreuzfahrten in der eigenen Heimat waren bei Chinesen beliebt wie nie zuvor: 1,37 Millionen Menschen waren laut der China Yangtze Shipping Group 2023 auf dem Yangtze unterwegs - 26 Prozent mehr als 2019. Das deutet an, wie auch die Hochseekreuzfahrt in China künftig wieder anziehen könnte. Als erstes westliches Kreuzfahrtschiff seit vier Jahren lief aber erst Mitte März 2024 die "MSC Bellissima" mit Schanghai wieder einen Hafen am chinesischen Festland an. Hongkong begrüßte schon 2023 wieder westliche Passagiere.

Insgesamt hat Asien noch Aufholpotenzial. Singapur verzeichnete 2023 immerhin schon wieder rund zwei Millionen Kreuzfahrer und Japan gilt als große Trenddestination. Auf Rekordjagd werden die asiatischen und vor allem chinesischen Kreuzfahrthäfen aber wohl erst 2024 oder 2025 gehen.

Glücklich machen die neuerlichen Passagierrekorde aber nicht alle. So regt sich beispielsweise in einigen Gemeinden in Alaska Widerstand gegen die schiere Masse an Kreuzfahrttouristen. Erfolg hatten diese Bürgerinitiativen damit bislang nicht, denn die Schiffe bringen viel Geld in die stark vom Tourismus abhängige Region. In Europa steuern dagegen die ersten Städte gegen: Barcelona und Dubrovnik beschränken beispielsweise die Zahl der Schiffe pro Tag, Venedig hat größere Schiffe ganz von den Terminals direkt in der Stadt verbannt.

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