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Die SN-Sprachkolumne: Viel geliebtes Österreichisch

Julia Haschka

Von einer österreichischen Bundesländerzeitung, die auch überregional eine große Leserschaft erreicht, erwarten Sie zu Recht ein besonderes sprachliches Feingefühl. Anglizismen, Germanismen und andere neudeutsche Einflüsse lassen wir ohnehin beiseite, das österreichische Deutsch gilt es zu fördern und zu pflegen.

Doch was ist das, dieses Österreichisch? In unserem kleinen Land gibt es unzählige teils sehr unterschiedliche Dialekte. Dass man die weder eins zu eins verschriftlichen noch hemmungslos pflegen darf, wurde uns spätestens in den Monaten nach unserer Einschulung bewusst. Aber es gibt einige Variationen in Vokabular und Grammatik, die auch in der standardisierten Schriftsprache erlaubt sind - weshalb wir im überregional-regionalen Korrektorat immer wieder abwägen müssen: Welches Wort passt am besten in die SN?

Kürzlich stolperten die Kolleginnen über die Germ. Einzig die Enkelin ostösterreichischer Großmütter stolperte nicht, hatte sie von der Option der Germ bis dahin nichts gewusst. Option sei das westlich von St. Pölten keine, klärte sie die westniederösterreichische Kollegin auf. Bestätigung dafür fanden wir nicht nur im Österreichischen Wörterbuch, sondern auch beim Einkaufen: Auf dem Produkt der Supermarktkette mit Sitz in Salzburg lesen wir die Empfehlung, den Germ gut mit Mehl zu mischen, während die ostösterreichische Kette die Flaumigkeit preist, welche durch die Germ aus ihrem Sortiment entstehe. Auch im Gemüseregal machen die Konzerne ihre unterschiedliche Herkunft deutlich, nämlich mit der Bezeichnung der diversen Nachtschattengewächse, die Österreich sprachlich verlässlich in West und Ost teilt (die genauen Grenzen finden Sie im Atlas der deutschen Alltagssprache: www.atlas-alltagssprache.de).

All die Variation in unserem Zwergenstaat soll uns recht sein, solange uns niemand Hefe verkaufen will - wobei: Als Brauzutat für unser Lieblingsgetränk tolerieren wir diese Bezeichnung für denselben Wunderpilz von Wieselburg bis Fohrenburg.

Wollen wir nun ein Bier genießen, müssen wir genau darauf achten, wo im Land wir uns befinden. Bestellen wir in Salzburg ein Krügerl, outen wir uns als Zuagroaste aus dem Osten, verlangen wir in einem Wiener Beisl nach einer Halben, wissen alle: Die Gscherten sind da. Damit stoßen wir auf die nächste Besonderheit im Österreichischen: Mit Gscherte werten sich zwei klar definierte Gruppen - Wiener vs. alle anderen Österreicher - gegenseitig ab und sonst niemanden.

Um Beschimpfungen zu entgehen, bestellen wir ein österreichweit anerkanntes Seiterl und gönnen uns dazu eine Leberkässemmel vom Metzger. Wie bitte, von wem? Ganz Österreich beginnt bei diesem piefkinesischen Wort zu hyperventilieren. Ganz Österreich? Nein, der von unbeugsamen Salzburgern, Tirolern und Vorarlbergern bevölkerte Westen hört nicht auf, dem Fleischhacker Widerstand zu leisten. Die Demarkationslinie verläuft knapp östlich der Stadt Salzburg, die Innviertler sind noch dabei, schon im Salzkammergut geht man aber zum Fleischhauer (falls man noch einen findet) - die Stammleserschaft der SN ist also zweigeteilt.

Im Sinne der Völkerverständigung versuchen wir die Bezeichnungen parallel zu verwenden und alle glücklich zu machen, ist das nicht möglich, sind die anderen Formen mitgemeint. Zumindest Frauen sind geübt, Derartiges zu ertragen, und alle anderen können es auch noch lernen.

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