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Das "andere" Reisebuch: Paradies gibt's nicht

Entzauberung mit Augenzwinkern. Wolfgang Godai hat 169 Länder - meist individuell - bereist und räumt in seinem Buch mit Klischees auf.

Der Autor des „bösen Reisebuchs“ in der Lagune von Aitutaki.
Der Autor des „bösen Reisebuchs“ in der Lagune von Aitutaki.
Badeverbot am Sonntag: die samoanische Südseeinsel Upolu.
Badeverbot am Sonntag: die samoanische Südseeinsel Upolu.
„Strandidyll“ mit Ziege auf den Komoren im Indischen Ozean.
„Strandidyll“ mit Ziege auf den Komoren im Indischen Ozean.
Hotel in Mikronesien mit Ausblick auf Schiffswracks.
Hotel in Mikronesien mit Ausblick auf Schiffswracks.
„Paradies gibt’s nicht“ (222 Seiten, Farbfotos), ISBN: 978-3-99152-275-1, Buchschmiede-Verlag
„Paradies gibt’s nicht“ (222 Seiten, Farbfotos), ISBN: 978-3-99152-275-1, Buchschmiede-Verlag

Den Ruf der Ferne hat er schon als Kind verspürt. Wolfgang Godai lächelt versonnen, wenn er sich erinnert: "Ich habe als kleiner Bub bereits auf Bahnhöfen die Fahrpläne auswendig gelernt." Als Jugendlicher entdeckte er seine Umgebung per Anhalter, und mit 16 Jahren kam dann der Höhepunkt: die erste Interrail-Tour. Die erste von insgesamt fünf dieser Bahnreisen durch ganz Europa, die er noch unternehmen wird. Ein Traum, sagt der Autor und Vielreisende. Auch wenn anfangs ein bisserl Angst dabei gewesen sei. "Doch dann war's für mich unglaublich. Man trifft Leute aus allen Ländern, hat kein Geld, aber ist überwältigt von einem Freiheits- und Glücksgefühl."

Das Reisen und die Neugier sind dem
67-Jährigen bis heute geblieben. Und das ist erstaunlich angesichts der zahlreichen, kuriosen und unangenehmen Vorkommnisse, die Wolfgang Godai auf seinen Touren erlebt hat. Meist abseits der gängigen Routen unterwegs, früher als Rucksacktourist, scheint er sich - mit fast bewundernswertem Talent - immer wieder in diverse Schwierigkeiten zu bringen. Daraus hat er nun ein Buch gemacht: "Paradies gibt's nicht". Wer sich durch die weltweiten Kalamitäten auf gut 220 Seiten blättert, dem entfährt so manches "Jessas Maria!".

Der Autor, der jahrzehntelang als Journalist und auch privat unterwegs war, erzählt über seine skurrilen bis hin zu regelrecht lebensgefährlichen Erlebnisse - von gefährlichem Getier zu Luft und zu Wasser, von Versammlungen mit übersteuernden Lautsprechern vor dem Hotelzimmer oder von der weltweit gängigen Zwangsklimatisierung von Hotelzimmern, Flugzeugen und öffentlichen Innenräumen, die, so beschreibt er es ein wenig sarkastisch, "die meisten Mitteleuropäer ohne Antibiotika im Handgepäck binnen weniger Tage ins unbequeme Hotelbett" befördert.

Da ist etwa die Chef-Stewardess einer großen Fluglinie, die dem bereits dick vermummten Passagier droht, wenn er sich noch einmal über die Eiseskälte im Flieger beschwere, werde er wegen "unangemessenen Verhaltens" beim nächsten Zwischenstopp an die frische - doch hoffentlich wärmere - Luft gesetzt. Und da ist der Stammesmann aus dem Hochland in Papua-Neuguinea, der ihn nach dem Langstreckenflug wieder gesund pflegt. Bei ihm helfe alles Einpacken nicht, mit seiner Empfindlichkeit gegen Klimaanlagen sei er jedoch nicht alleine, so Godai, nur wehre sich kaum jemand dagegen. Aber dass das Gebläse krank macht, hat er sich sogar von Ärzten bestätigen lassen.

Godai wird auf Sansibar verhaftet, in China von einer Meute aufgebrachter Menschen verfolgt, steigt in Kambodscha versehentlich auf einen noch nicht entminten Hügel, landet auf einem chinesischen Seelenverkäufer auf dem Jangtse-Fluss und erlebt in der Südsee Traumstrände als Albtraum.

Ein eigenes Kapitel widmet er den kulinarischen Aufgaben. In China staunt er über die Spezialitäten in der 38-seitigen Speisekarte wie "gekochte Schlange", aber auch "Hochzeit mit Chinesin". Auf den Philippinen lehnt er dankend ab, angebrütete rohe Enteneier auszuschlürfen, und in Bangladesch sinniert er über das allgegenwärtige "Geschnetzelte": "Die Einheimischen machen das Ganze mit viel Chili für sich genießbar, Europäern sei von der Zugabe von Saucen aller Art hier abgeraten."

Apropos abraten: Godais Erlebnisse haben mit der bunten Hochglanz-Urlaubswelt der Reiseprospekte nichts zu tun. Müssen sie auch nicht, denn meist war und ist der Autor recht unkonventionell unterwegs. Und, da er seine Sammlung an Stempeln im Reisepass komplettieren möchte, auch in Ländern, die nicht als niederschwellige Urlaubsdestination angepriesen werden.

Er hat immer wieder Glück im Unglück. In Honduras verspeist er köstliche Meeresschnecken, "an der Karibikküste in etwa so populär wie das Schnitzel in Wien", und zieht sich daraufhin eine seltene, doch normalerweise tödlich verlaufende Vergiftung zu, die er dank eines aus der ehemaligen DDR ausgewanderten Arztes knapp überlebt. In Sambia wird er den allzu anhänglichen Polizeichef nur los, indem er Duty-free-Parfum für dessen Frau besorgt. In Kambodscha würzt er beinahe seine Suppe versehentlich mit reinem Marihuana.

Wolfgang Godai reist gerne. Immer noch. Das Buch hat er geschrieben, um aufmerksam zu machen, um zu sensibilisieren. "Ich möchte, dass die Leute genau schauen, wo und was sie buchen. Vieles kann man im Voraus steuern, etwa die Lage des Hotelzimmers, damit man nicht direkt neben dem Hotelrestaurant oder der Bar schläft." Ratsam sei auch ein Balkon, um einer allzu rabiaten Klimaanlage - Godais Lieblingsfeind - entkommen zu können. Mit seinem Buch wehrt er sich nach eigenen Angaben nicht gegen das Reisen, sondern vielmehr gegen die "unnötigen Belastungen", die seiner Meinung nach eben nicht dazugehören: "Das muss alles nicht sein."

Man staunt, kichert, schüttelt den Kopf und findet in fast jeder Story einen Tipp. Vor allem in den Anekdoten über Fernreisen, die immerhin zwei Drittel des Buches einnehmen. Etwa, den Koffer nie mit einem Schloss zu verschließen, das wird vom
Zoll aufgebrochen. Oder: Nie nach Thailand oder Singapur mit E-Zigaretten einreisen, das sei strengstens verboten. "Mit diesen Hinweisen kann man sich viel Ärger ersparen." Damit das Reisen ungetrübte Freude macht.

Manchmal sind die Überraschungen jedoch auch durchwegs erfreulich. So schreibt Godai von seiner letzten Reise in die Mongolei: "Für die letzte Nacht vor dem Heimflug gönnt mir die Agentur ein Upgrade ins edle Kempinski Ulan Bator. Ein wunderschönes Zimmer mit Aussicht, japanischem Hightech-WC, super Service und Luftreiniger - den braucht man mittlerweile leider nicht nur in chinesischen oder indischen Großstädten. Aber für mich die absolute Sensation: An der Rezeption liegt eine fast aktuelle Ausgabe der ,Salzburger Nachrichten' auf!"

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