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Hält uns Arbeit davon ab, ein gutes Leben zu führen?

Die Frage, welches das richtige Maß für die Arbeitszeit ist, bewegt die Menschen und die Politik. Die Antwort sagt viel darüber aus, wie wir Arbeit verstehen.

Richard Wiens
Hacklerkaraoke . . .
Hacklerkaraoke . . .

Am Montag dieser Woche wartete der Generalsekretär der Industriellenvereinigung mit einer Idee auf, von der er wohl schon wusste, was sie auslösen würde. Angesichts wiederkehrender Rufe nach einer Arbeitszeitverkürzung und hoher Lohnabschlüsse müsse man "die Stopptaste drücken". Weil die durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigtem in den vergangenen Jahren gesunken sei, Wohlstand aber nur durch Leistung entstehe, sollte man besser jeden Tag eine halbe Stunde länger arbeiten und über 41 Stunden pro Woche diskutieren. Und bei der Gelegenheit auch über die "Unzahl an Feiertagen" in Österreich. Dass Europaministerin Karoline Edtstadler am Tag darauf nachsetzte und die Meinung vertrat, es werde nötig sein, mehr statt weniger zu arbeiten, um den Wohlstand zu erhalten, und eine Arbeitszeitverkürzung als linke Träumerei bezeichnete, brachte das Fass zum Überlaufen.

Es kam, was kommen musste. Die Gewerkschaft erklärte den Vorstoß umgehend für absurd und konterte mit der eigenen Parole "Runter mit der Arbeitszeit" - was wiederum für die Wirtschaft ein rotes Tuch ist. Am Mittwoch erteilte der Bundeskanzler dem IV-Vorstoß schließlich eine unmissverständliche Absage - "kommt für mich fix nicht infrage". Er halte allerdings auch eine 32-Stunden-Woche "für den völlig falschen Weg". Ende der Debatte.

Es ist das ewig gleiche Muster. Irgendjemand macht einen Vorschlag zu einem umstrittenen Thema, den das Gegenüber genüsslich als Provokation aufgreifen und in der Luft zerreißen kann. Es folgt ein verbaler Schlagabtausch, bei dem kein einziges sachliches Argument zur Sprache kommt. Alle kühlen ihr Mütchen, die einen empören sich, andere heucheln verhaltene Zustimmung. Und keine 48 Stunden später ist das Thema vom Tisch.

Gleiches passierte Mitte der Woche mit einer von der Wirtschaftskammer in Auftrag gegebenen Studie über positive volkswirtschaftliche Effekte einer Senkung der Lohnnebenkosten. Es dauerte keine Stunde, bis die Arbeiterkammer die Öffentlichkeit wissen ließ, was davon zu halten sei - gar nichts. Niedrigere Lohnnebenkosten würden nur Unternehmen nützen und den Sozialstaat aushöhlen. Und aus.

Dabei ginge es auch anders. Man könnte darauf verweisen, dass wir alle bereits weniger arbeiten als früher. Dass die tatsächlich pro Woche geleistete Arbeitszeit der männlichen und weiblichen Erwerbstätigen in Österreich bei 30 Stunden liegt und man selbst bei Vollzeitbeschäftigten mit 35,1 Stunden weit von den 40 Stunden im Gesetz und den 38,5 Stunden in fast allen Kollektivverträgen entfernt ist. Die Quelle ist unverdächtig, es sind Daten der Statistik Austria. Die zeigen auch, dass das Arbeitsvolumen, also die Zahl aller geleisteten Arbeitsstunden, relativ stabil ist, allerdings bei gleichzeitig wachsendem Arbeitskräftepotenzial. Mehr Menschen leisten also gleich viele Stunden, der oder die Einzelne weniger.

Aber Fakten stören in der politischen Auseinandersetzung nur. Für die Ansage, Menschen mehr abzuverlangen, gibt es keine Punkte, daher erstickt der Kanzler die Debatte im Keim. Die Parole der SPÖ - "Weniger arbeiten bei gleichem Lohn" - ist da viel eingängiger. Wer kann dazu schon Nein sagen? Mit der Frage, woher der dafür nötige Produktivitätsanstieg kommt, um zu verhindern, dass nur die Kosten steigen, hält man sich nicht auf.

Das politische Geplänkel fügt sich aber in die grundsätzliche Diskussion darüber ein, wie wir Arbeit verstehen und wie viel Zeit wir dafür verwenden wollen. Da hat sich viel verändert. Laut der jüngsten Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria will schon jeder fünfte Vollzeiterwerbstätige weniger arbeiten und wäre bereit, dafür finanzielle Einbußen hinzunehmen. Da geht die Saat derer auf, die ihre wichtigste Aufgabe darin sehen, die Menschen von zu viel Arbeit zu befreien. Dahinter steht ein eigenartig eindimensionales Verständnis von Arbeit, die als Mühsal und nötiges Übel begriffen wird - und als das größte Hindernis auf dem Weg zu einem erfüllten Leben mit immer mehr Freizeit. Die braucht es auch, weil der Mensch Erholung nötig und vielfältige Bedürfnisse hat.

Aber dabei geht unter, dass in Arbeit viel mehr steckt als der bloße Broterwerb - Freude daran, etwas zu leisten, Bestätigung durch persönlichen Erfolg, soziale Kontakte. Der Tag der Arbeit am 1. Mai wäre ein Anlass, Arbeit auch einmal aus dieser Perspektive zu sehen.

KOMMENTARE (2)

Eva Schwaiger

Nicht die Arbeit, denn, von "nichts kann auch nichts kommen " Unferfrorene Teuerungen sind es die jeglichen hart erarbeiteten Wohlstand zunichte machen.
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Friedrich Winkler

Vielleicht sollten wir uns wieder früherer Tugenden rückbesinnen, dass Arbeiten, auch mehr als 38 Stunden nichts Schlechtes oder Verwerfliches ist Unseren Wohlstand verdanken wir vor allem den älteren Generationen, die sprichwörtlich Tag und Nacht dafür geschuftet haben
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