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Tourismus: Arbeiten für das Urlaubsglück

Auf der einen Seite wird im Tourismus viel gejammert, auf der anderen soll man Gäste glücklich machen. Wie geht das?

„Es geht nicht um die modernste Zimmerausstattung, es ist das Persönliche, das zählt“, sagt Petra Nocker-Schwarzenbacher.
„Es geht nicht um die modernste Zimmerausstattung, es ist das Persönliche, das zählt“, sagt Petra Nocker-Schwarzenbacher.

Petra Nocker-Schwarzenbacher ist seit mehr als 30 Jahren Hotelchefin im Brückenwirt in St. Johann. Im SN-Interview erklärt die Vollbluttouristikerin, wie sich im Laufe der Jahre ihr Umgang mit den Mitarbeitern verändert hat. Als persönliches Lebensglück empfindet sie ein Treffen mit dem Dalai Lama.

Sie arbeiten für das Urlaubsglück anderer. Macht das glücklich? Petra Nocker-Schwarzenbacher: Es gibt zwei Seiten des Glücks: Auf der einen Seite steht der wirtschaftliche Erfolg, dass man mit der Arbeit für das Urlaubsglück anderer auch existieren und davon leben kann - und damit auf der anderen Seite das Glück hat, einmal selbst auf Urlaub fahren zu können. Und wir haben Mitarbeiter beschäftigt, die das Gleiche wollen.

Wie macht man Gäste glücklich? Es geht ja mehr um Zufriedenheit, nicht ums Glück. Wenn jemand einen Urlaub bucht, setzt die Vorfreude ein, man hat gewisse Erwartungen und dann ist endlich der Tag der Anreise gekommen. Stammgäste sind dabei einfacher glücklich zu machen, die wissen schon alles. Aber den neu Angekommenen das Glücksgefühl ins Gesicht zu zaubern, da muss man sich wirklich anstrengen. Das Glück kommt erst, wenn die Erwartungen übererfüllt sind, wenn man auch überrascht, womit ein Gast nicht gerechnet hat.

Womit zum Beispiel? Unser großes Plus sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sind so freundlich und so nett, viele sind schon seit Jahren bei uns. Und das kommt beim Gast eins zu eins an. Für die Mitarbeiter bekommen wir immer die positivsten Rückmeldungen, weil Freundlichkeit in der heutigen Zeit einfach nicht mehr so normal ist. Es geht nicht mehr um die modernste Zimmerausstattung, es ist das Persönliche, das heute die Hardware übertrifft.

Wie schulen Sie Ihre Mitarbeiter auf Freundlichkeit? Es müssen die Rahmenbedingungen passen. Wir haben die Arbeitszeiten auf Viereinhalbtagewoche in Vollzeit reduziert. Wir sind mit den Löhnen hinaufgegangen und versuchen zur Seite zu stehen, wo es auch die Mitarbeiter nicht immer erwarten, heuer haben ein paar langjährige Mitarbeiter eine Woche mehr Urlaub bekommen. Das sind Zuwendungen, die spürt unmittelbar auch der Gast. Früher hieß es in der Branche: Die Toiletten sind die Visitenkarte - nein, es ist das Lächeln der Mitarbeiter. Und sie setzen auch meine Träume um.

Sie sind in einem Gastbetrieb aufgewachsen. Wie war das? Das ist ewig her (lacht), ich werde nächstes Jahr 60. Aber meine Eltern hatten nur eine Pension und eine Diskothek. Erst mit 16 durften wir Kinder damals Kontakt zu den Gästen haben, beim Frühstücksservice mussten wir freilich mithelfen. 1992 haben wir dann das Nachbarhaus, meinen Brückenwirt, dazugekauft. Da war ich 28 und schon zum Arbeiten in den USA und Australien. Ich wollte immer Karriere machen. Aber eine Diskothek wäre nichts für mich gewesen, ich war nie ein Nachtmensch. Ich bin tagaktiv.

Können Sie nach über 30 Jahren als Hotelchefin sagen, dass Sie ein glückliches Berufsleben im Tourismus hatten? Ja, es ist erfüllend, ich würde es wieder tun. Sicher gab es auch Enttäuschungen. Wenn ein Mitarbeiter, den du durch schwierige Zeiten getragen hast, gegangen ist - das war immer das Härteste für mich. Heute genieße ich die Zusammenarbeit mit meinen Leuten mehr als früher, gerade weil wir uns mehr bemühen müssen.

Da werden Ihnen nicht alle aus der Branche zustimmen. Ich musste auch erst lernen, wie es richtig geht.

Und wie? Ich war Anfang der 2000er-Jahre Vizebürgermeisterin in St. Johann, und bis zu diesem Zeitpunkt habe ich mir gedacht: "Wenn einer will, dann kann er arbeiten." Dann habe ich in der Gemeinde das Sozialressort übernehmen müssen, ich wollte zuerst nicht, ich sah mich als Wirtschafterin, aber mir wurde keine Wahl gelassen. Und dann habe ich viele Schicksale kennengelernt, Menschen, die mit Gewalt in der Familie kämpfen mussten oder mit riesigem Pech, weil der Vater verstorben ist und die Mutter mit drei Kindern hinten blieb. Ich habe angefangen, meine Position mehr zu schätzen. Damals wurde der soziale Schalter von der Petra umgelegt. Das hat meinen Umgang mit den Mitarbeitern zur Gänze verändert.

Dann kann Politik ja zum Glück doch noch etwas Gutes bewirken? Für mich war es ein Wendepunkt, ich bin fast ein zufriedenerer Mensch geworden. Davor war ich Geschäftsfrau, danach habe ich andere Entscheidungen getroffen. Nicht radikal, aber immer mit einer zusätzlichen Sichtweise.

Wird in der Tourismusbranche nicht zu viel gejammert? Ja, total. Ich weiß, dass es genug Kollegen gibt, die wirklich Probleme haben. Aber ich weiß auch, dass man zu schnell den Weg des Jammerns sucht. Eigentlich sollte man eine stolze Branche sein. Ich war einige Jahre Branchensprecherin in der Wirtschaftskammer und hoffe, dass ich nicht gejammert habe. Ich habe die Dinge beim Namen genannt, man muss Probleme ansprechen können. Aber wenn ich 30 Mitarbeiter im Hotel habe und für einen keine Genehmigung als Saisonnier bekomme, dann ist nicht gleich alles schlecht. Aber klar ist auch: Im Tourismus wachsen die Beschäftigungszahlen, wir brauchen jede und jeden.

Der Tourismus ist aktuell die einzige Branche mit Wachstumsprognosen, und die sind ordentlich. Kommt die Overtourismus-Debatte zurück? Zu viele Besucher haben wir nur punktuell, aber man muss für jeden Punkt eine Lösung finden wie Zeitslots, für die man Tickets kaufen kann. Das ist bei vielbesuchten Sehenswürdigkeiten mittlerweile der Status quo. Wirklich aufpassen müssen wir, wie wir mit der Natur umgehen. Es muss nicht jeder Berg zu jeder Jahreszeit bespielt sein. Im Zufußgehen, dem Wandern und Weitwandern sehe ich die Zukunft.

Sie machen selbst jedes Jahr für zwei bis drei Wochen eine Trekkingtour in Nepal. Macht die Salzburger Hoteliersfrau im eigenen Urlaub die Bescheidenheit glücklich? Solange es ums Trekking geht, ja, danach bin ich schon froh, dass wir wieder in einem ordentlichen Hotel wohnen. So ehrlich bin ich (lacht). Aber wir haben im Vorjahr auch eine Hilfsfoundation gegründet, meine Bergkameradin ist Ärztin, wir machen vor Ort medizinische Camps. Und ich bilde heuer im Winter bei mir im Hotel einen Nepalesen zum Kellner aus. Parallel dazu bekommt er ein professionelles Training, er ist ein unglaublich talentierter Marathon-Trailrunner.

Vergangenes Jahr haben Sie in Nepal den Dalai Lama getroffen, jenen Menschen, der mehr Glückseligkeit ausstrahlt als irgendwer sonst. Wie war's? Wir hatten das Glück, an einer öffentlichen Audienz des Dalai Lama teilnehmen zu können. Er hat meine Hand gehalten und nicht mehr losgelassen. Er fragte mich, wofür ich Kraft brauche, ich sagte, für die Familie. Das Treffen war ein wahnsinnig schönes Gefühl.

Lebt es sich glücklicher mit dem Segen des Dalai Lama? Die Begegnung, diese eine Minute mit einem Menschen, der schon so viel erlebt hat und der dir zuhört - ja, die wird ewig in Erinnerung bleiben. Das war mein Lebensglück, und das Gefühl ist abrufbar.

Was würden Sie gern ändern? Ich bin auch ein Mensch mit Temperament, ich sehe, dass einige Menschen deshalb großen Respekt vor mir haben. Viele sagen: "Die ist ein Bes'n." Es stört mich, wenn ich in der Öffentlichkeit so wahrgenommen werde, ich glaube schon, dass ich ein Herz wie ein Bergwerk habe. Ich kann aber auch nicht zum Singen anfangen, damit ich sanfter rüberkomme (lacht laut). Also: Ich bin, wer ich bin, und ich stehe dazu.

Petra Nocker-Schwarzenbacher
(*1964) absolvierte die Hotelfachschule in Bad Hofgastein, mit 28 übernahm sie das heutige Viersternehotel Brückenwirt in St. Johann nahe dem Bahnhof. Sie war Gemeinderätin und bis 2009 Vizebürgermeisterin (ÖVP). Von 2014 bis 2020 war sie Obfrau der Bundessparte Tourismus der Wirtschaftskammer Österreich. Sie hat zwei Töchter und einen Enkelsohn.

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KOMMENTARE (1)

Rudolf Vierthaler

Eine bewundernswerte Frau!
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