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Balkonkraftwerke boomen in Salzburg - sind aber nicht überall erlaubt

Sie werden günstiger, brauchen keine Genehmigung des Netzbetreibers und sind schnell installiert: Die Zahl der Balkonkraftwerke steigt stark. Experten kritisieren rechtliche Grauzonen - und sprechen von Spießrutenläufen von Mietern und Wohnungseigentümern.

Wolfgang Kemetinger – im Bild mit Tochter Jana – produziert seit zwei Jahren Strom am Balkon in Anthering.
Wolfgang Kemetinger – im Bild mit Tochter Jana – produziert seit zwei Jahren Strom am Balkon in Anthering.

Wolfgang Kemetinger aus Anthering ist Wiederholungstäter: Vor zwei Jahren hat er sein erstes Balkonkraftwerk gekauft. "Man braucht für die Installation nicht viel Geschick. Der Energieertrag gerade im Sommer ist beachtlich", sagt der 34-Jährige. Per App hat er genau im Blick, wie viel Sonnenstrom die Mini-PV-Anlage produziert. Zwei Monate später hat er für das Mehrfamilienhaus bereits ein zweites Balkonkraftwerk gekauft.

724 neue Anlagen von Jänner 2024 bis Ende März

Die Minisolaranlagen für die Steckdose versprechen einfache Installation. Angebote gibt es längst nicht mehr nur bei Fachhändlern oder im Netz. Auch Baumärkte und selbst Lebensmittelhändler haben Balkonkraftwerke im Angebot. Und diese werden rege nachgefragt: 2149 dieser Kleinsterzeugungsanlagen sind in Salzburg gemeldet, heißt es bei Salzburg Netz. Ein Drittel davon kam erst heuer dazu: Von Jänner 2024 bis Ende März 2024 wurden 724 neue Anlagen gemeldet. 2023 wurden insgesamt 1071 neue Kleinsterzeugungsanlagen in Salzburg gemeldet.

Die Mini-PV-Anlagen dürfen pro Zähler maximal 800 Watt ins Netz einspeisen. Eine Genehmigung, wie sie für größere PV-Anlagen vorgesehen ist, ist nicht nötig. Sie müssen aber zwei Wochen vor dem ersten Anstecken beim Netzbetreiber gemeldet werden. Ablehnen kann dieser die Inbetriebnahme aber nicht.

Stolpersteine liegen in der rechtlichen Situation

Den Boom bestätigt auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI): "Wir sehen aufgrund der Fülle an Anfragen und Zugriffen auf unsere Website, dass sich die Leute stark für das Thema interessieren", sagt Markus Stingl vom VKI. Geworben werde damit, dass die Anlagen in Minutenschnelle installiert seien. "Wir merken aber an den Rückmeldungen von Verbrauchern und Verbraucherinnen, dass es nicht immer so einfach ist", berichtet Stingl. Die Stolpersteine lägen häufig in der rechtlichen Situation. Wohnungsbesitzer in Mehrparteienhäusern bräuchten die Zustimmung der Miteigentümer. "Es ist eine Veränderung des allgemeinen Erscheinungsbilds des Hauses. Da bedarf es einer Einwilligung aller Bewohner." Wer als Mieter auf der sicheren Seite sein will, müsse beim Vermieter nachfragen. Und dieser könne natürlich auch ablehnen.

GSWB setzt auf größere PV-Anlagen auf Dächern

Kemetinger musste diese Erfahrung ebenfalls machen: Er wollte auch auf der Terrasse der Mietwohnung seiner Schwiegereltern ein Balkonkraftwerk aufbauen. Der Vermieter - in diesem Fall die GSWB - lehnte ab. "Aus Gründen der Haftung und der Optik können wir das nicht genehmigen", erklärt Sprecher Anton Santner. Man setze stattdessen auf größere PV-Anlagen auf den Dächern der Wohnanlagen.

Zudem mischen auch Länder und Gemeinden mit. "Teils jedoch mit widersprechenden Auskünften. Verbraucher und Verbraucherinnen berichten teils von grotesken Spießrutenläufen", sagt VKI-Experte Stingl. Er mahnt eine klarere rechtliche Regelung ein. "Es ist höchst an der Zeit, dass der Gesetzgeber Rechtssicherheit schafft."

Preise für Balkonkraftwerke sinken, steuerfrei seit Jänner

Übers Jahr gerechnet können laut VKI ein Kühlschrank und eine Waschmaschine damit betrieben werden. Ein Balkonkraftwerk amortisiere sich - grob geschätzt - in fünf bis sechs Jahren. Abhängig sei das aber von Strompreisen, Anschaffungskosten und der Ausbeute. Der Kauf ist zuletzt deutlich günstiger geworden. Waren im Vorjahr Kosten von mehr als 1000 Euro keine Seltenheit, sind 800-Watt-Anlagen nun schon um 700 Euro verfügbar. Lieferschwierigkeiten gehören der Vergangenheit an, zudem ist der PV-Anlagen-Kauf seit Jänner steuerfrei.

Dass die Preise gefallen sind, bestätigt auch der Seekirchner Anbieter Alpen Volt, der sich auf Balkonkraftwerke spezialisiert hat. Geschäftsführer Robert Högler schätzt den Preisnachlass - bezieht man die Steuersenkung mit ein - auf bis zu 40 Prozent. Gegründet hat er das Unternehmen mit einem Partner vor zwei Jahren. "Die Nachfrage ist seit Jahresbeginn durch die Abschaffung der Steuer hoch", sagt er. Systeme mit integriertem Stromspeicher seien mittlerweile öfter Thema, weil auch hier die Preise gefallen seien. Zudem biete eine neue Bundesförderung die Möglichkeit, bestehende Balkonkraftwerke mit Speichern nachzurüsten. Die technische Entwicklung ist rasant: Seit Kurzem sind dünne, biegbare Module am Markt, die auch als Sichtschutz an einem Zaun angebracht werden können. "Oder auf Dächern, die kein hohes Gewicht tragen. Die Anlage hat gerade einmal fünf Kilo."

Rechtliche Klarstellungen sind jetzt wichtig

Auch Högler wünscht sich indes rechtliche Klarstellungen. Fälle von Nachbarschaftsstreit aufgrund der Balkonkraftwerke gebe es immer wieder: "Es ist ratsam, sich mit den Nachbarn abzusprechen, damit es nicht im Nachhinein ein böses Erwachen gibt." In vielen Fällen sei die Rechtslage derzeit nicht eindeutig. "Da gibt es Graubereiche und es wäre besser, wenn es klarere, transparentere Regeln gäbe."

Auch in anderen Bundesländern sind die 800-Watt-Anlagen beliebt. In Niederösterreich warnte der Netzbetreiber Netz NÖ vor wenigen Tagen vor "Guerilla-Anlagen": Zu viele Nutzer würden die Balkonkraftwerke nicht ordnungsgemäß anmelden. Kurt Reinagel von Netz NÖ schätzt die Zahl der "wilden" PV-Anlagen auf 2000 bis 4000 Stück. Da diese nicht in die Netzberechnungen miteinfließen, komme das Netz früher an seine technischen Grenzen. "Im schlimmsten Fall kann es zu Stromausfällen kommen", warnt Reinagel.

In Salzburg sei dies bislang kein Problem, heißt es bei Salzburg Netz. "Sollte eine Kleinsterzeugungsanlage nicht angemeldet sein, registriert der Smart Meter im Regelfall eine Einspeisung", erklärt eine Sprecherin. In so einem Fall werde man aktiv und bitte die Kunden, die Anlagen anzumelden.

Auf was man beim Kauf und der Montage von Mini-PV-Anlagen achten sollte

Balkonkraftwerke - auch Steckersolaranlagen oder Mini-PV-Anlagen genannt - gelten als Kleinsterzeugungsanlagen. Sie bestehen aus PV-Modulen samt Wechselrichter und werden direkt in die Steckdose gesteckt. Sie dürfen pro Stromzähler bzw. Wohneinheit maximal 800 Watt ins Netz einspeisen. Nutzer brauchen dazu keine Genehmigung und keinen Vertrag über die Stromabnahme, allerdings einen Smart Meter. Eine Meldung an den Netzbetreiber zwei Wochen vor der Inbetriebnahme ist nötig, heißt es bei der Regulierungsbehörde E-Control. Salzburg Netz hat ein entsprechendes Formular online hinterlegt.

Der Balkon ist längst nicht der einzige Ort, an dem sie angebracht werden können. Lösungen gibt es auch für Dächer, Außenwände oder Zäune. Selbst Hochbeete werden bereits mit Modulen bestückt.

Konsumenten sollten beim Kauf darauf achten, dass die Anlage über eine CE-Kennzeichnung verfügt, rät die E-Control. Empfohlen wird auch, in älteren Bauten die bestehende Elektroinstallation von einer Fachkraft überprüfen zu lassen. Verlängerungskabel oder die Verwendung von Verteilersteckdosen sind nicht erlaubt.

Bei der Installation sollte man auf die passende Ausrichtung achten und einen Standort ohne Verschattung wählen. "Die größte Stromausbeute gibt es bei Südausrichtung und 30 Grad Anstellwinkel", empfiehlt der VKI. Nutzer sollten zudem ihren Versicherungsschutz prüfen.

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