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EU-Gipfel bringt neue Iran-Sanktionen auf den Weg

Die EU wird nach dem Angriff des Iran auf Israel weitere Sanktionen gegen Teheran beschließen. Der EU-Gipfel in Brüssel verurteilte den iranischen Angriff und versicherte Israel "volle Solidarität". Die EU werde "weitere restriktive Maßnahmen gegen Iran ergreifen, insbesondere betreffend Drohnen und Raketen", heißt es in der in der Nacht auf Donnerstag beschlossenen Gipfelerklärung. Der Gipfel rief alle Parteien zu "äußerster Zurückhaltung" auf.

Gipfelberatungen in Brüssel
Gipfelberatungen in Brüssel

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte, man müsse Teheran klar signalisieren, "dass diese Eskalationsstufe in eine Sackgasse führt". Auch mehr militärische Unterstützung für die Ukraine versicherte der Gipfel.

"Iran ist nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern auch für die Stabilität der Region", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. "Wir müssen den Iran isolieren."

Die EU-Außenminister hätten sich bereits darauf verständigt, das Sanktionsregime gegen den Iran deutlich zu verstärken, sagte Nehammer. Es sei wichtig, alle Möglichkeiten der Verschärfung der Sanktionen zu prüfen. Der Iran sollte zur Kenntnis nehmen, dass die Weltgemeinschaft eine neue Form der Auseinandersetzung, welche die ganze Region in Unsicherheit versetze, nicht akzeptiere.

Wegen iranischer Aktivitäten hat die EU bereits verschiedene Sanktionen gegen Iran verhängt. Der EU-Gipfel beschloss die neuen Sanktionen nicht formell. Dies wird für das Treffen der EU-Außenministerinnen und -minister am Montag in Luxemburg erwartet. Laut EU-Diplomaten gibt es dagegen "keine Widerstände".

Der französische Präsident Emmanuel Macron versuchte bereits vor Gipfelbeginn den Ton anzugeben, indem er einen konkreten Sanktionsvorschlag machte. Demnach sollen iranische Hersteller von Drohnen und Raketen mit Strafmaßnahmen belegt werden, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. Weniger konkret gab sich der deutsche Kanzler Olaf Scholz: "Wir haben schon viele Schritte unternommen, um den Iran zu sanktionieren", erklärte er vor dem Start des Gipfels.

Zur Frage, ob auch die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation eingestuft werden sollten, sagte Scholz: "Es gibt bereits Sanktionslistungen dieser Kräfte. Nun geht es darum, ob wir noch einen weiteren Schritt machen können." Dies sei aber an juristische Prozeduren gebunden. Scholz betonte, es gebe bereits ein Urteil zu den Aktivitäten der Revolutionsgarden, was ein Ausgangspunkt für weitere Sanktionen sein könnte. Der juristische Dienst der EU-Kommission prüfe dies gerade.

Scholz betonte, es sei "gut, dass Israel mit seinen Verbündeten in der Lage war, den (iranischen, Anm.) Angriff weitgehend abzuwehren. Israel muss dies nutzen, um seine Position in der Region zu stärken, und nicht mit eigenem massiven Angriff antworten", appellierte er für eine "Deeskalation".

Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez betonte ebenfalls, eine Eskalation müsse vermieden werden. Er verurteilte den iranischen Angriff auf Israel und forderte erneut einen Waffenstillstand, um u.a. Hilfe im Gazastreifen zu ermöglichen. Er erneuerte seine Forderung nach einer Friedenskonferenz. Sanchez betonte auch die "außergewöhnlich guten Beziehungen" seines Landes zur Türkei. Die Beziehungen der EU zur Türkei sollen ebenfalls diskutiert werden, Knackpunkt ist hier immer noch die Zypern-Frage.

Der belgische Premierminister Alexander de Croo sprach sich klar dafür aus, dass die iranischen Revolutionsgarden auf die Sanktionslisten kommen. Er hoffe beim Gipfel zu erfahren, wie die anderen Regierungschefs hierzu stehen. Mögliche Sanktionen gegen die Revolutionsgarden müssten rechtlich solide sein, die Attacke auf Israel dürfte aber nicht ohne Antwort bleiben.

Der irische Regierungschef Simon Harris ermutigte dann andere Staaten dazu, einen Palästinensischen Staat anzuerkennen. Wenn man an eine Zwei-Staaten-Lösung glaube, sei hier ein "positives Momentum" hilfreich, so Harris. Mit Blick auf den iranischen Angriff auf Israel, meinte er, dass "alle Seiten" Zurückhaltung zeigen müssten.

"Der Europäische Rat verurteilt den iranischen Angriff auf Israel aufs Schärfste und bekräftigt seine uneingeschränkte Solidarität mit dem israelischen Volk sowie sein Engagement für die Sicherheit Israels und für regionale Stabilität", heißt es im neuesten Entwurf der Schlussfolgerungen. Der Iran und seine Proxies (Verbündete wie die Hisbollah im Libanon oder Houthis im Jemen, Anm.) werden dazu aufgefordert, "alle Angriffe einzustellen, äußerste Zurückhaltung zu üben und alles zu unterlassen, was die Spannungen in der Region erhöhen könnte".

Auch auf die Lage im Gazastreifen gingen die EU-Staats- und Regierungschefs ein: Der EU-Gipfel bestätigte, sich weiter mit seinen Partnern für ein "Ende der Krise in Gaza" einzusetzen, einschließlich eines sofortigen Waffenstillstands, der bedingungslosen Freilassung aller Geiseln und der raschen und ungehinderten Bereitstellung von humanitärer Hilfe für die Not leidende palästinensische Zivilbevölkerung. "Die Europäische Union tritt weiterhin für einen dauerhaften und tragfähigen Frieden auf der Grundlage der Zweistaatenlösung ein", heißt es weiter.

Auch die Ukraine war Thema des Gipfels: Scholz forderte seine europäischen Partner auf, mehr zu tun. Der russische Angriffskrieg gehe weiter, "wir müssen mehr machen". Dies gelte vor allem für die Luftverteidigung. Deutschland habe bereits Luftverteidigungssysteme vom Typ Patriot geliefert und ein weiteres zugesagt. Auch sein niederländischer Kollege Mark Rutte erklärte, die Ukraine habe zwei Probleme: Die Munition und die Luftverteidigung.

Der Gipfel unterstrich die Notwendigkeit, die Ukraine dringend mit Luftverteidigungssystemen auszustatten und die Militärhilfe, darunter Munition und Raketen, zu intensivieren. Der EU-Rat und die Mitgliedstaaten sollten dies weiter verfolgen. "Dies ist keine Frage von Monaten, sondern eher von Tagen und Wochen", sagte Michel. "Wir sind extrem entschlossen, die Ukraine weiter zu unterstützen."

Thema des Gipfels war auch eine drohende Einflussnahme Russlands auf die Europawahlen im Juni. Versuche Russlands, Einfluss auf die EU-Wahl zu nehmen, seien nicht mehr nur eine "Bedrohung, sondern eine Möglichkeit", sagte die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola. Die EU müsse bereit sein, gegen russische Desinformationskampagnen vorzugehen. Belgien und Tschechien forderten neue Sanktionen gegen Moskau, in beiden Ländern laufen Ermittlungen zu pro-russischen Netzwerken. Die Zusammenarbeit zwischen EU-Institutionen und nationalen Behörden soll verstärkt werden, sagte Michel. Der Gipfel sende "das klare Signal, dass wir nicht naiv sind. Wir wollen viel effizienter in diesem Bereich werden."