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Wenn dem Staat die Beamten davonrennen

Die Regierung will die Gehälter im öffentlichen Dienst erhöhen. Das allein wird aber nicht reichen.

Alexander Purger

Ein Beispiel von vielen: Ein Unteroffizier des Bundesheers, Experte für Hakenladesysteme, leitet die Bergung eines Heeresfahrzeugs. Am nächsten Tag geht er zu seinem Vorgesetzten und kündigt. Ein privater Transportunternehmer hat ihn bei der Arbeit beobachtet und sofort abgeworben. Sein schlagendes Argument: 1000 Euro mehr.

Solche und ähnliche Fälle bekommt man aus dem gesamten öffentlichen Dienst berichtet. Hervorragend ausgebildete Mitarbeiter werden von der Privatwirtschaft abgeworben, weil der Staat bei den dort gebotenen Gehältern einfach nicht mithalten kann. Das ist keine neue Entwicklung. Schon die Monarchie bezahlte ihre Beamten denkbar schlecht, woher übrigens - um beim Militär zu bleiben - der Ausdruck "Schulden wie ein Stabsoffizier" stammt. Sogar das aktuell so beliebte Modell, junge Mitarbeiter mit unbezahlten Praktika hinzuhalten und auszunutzen, wurde schon in der Monarchie erfunden. "Supernumeräre Beamte" nannte man das damals.

Als Ausgleich für die dürftige Bezahlung stattete der Staat seine Bediensteten damals aber mit drei immateriellen Vergünstigungen aus: mit einem hohen öffentlichen Ansehen, mit schmucken Dienstuniformen samt Säbel (und zwar auch für die zivilen Bediensteten) und mit einer lebenslangen Anstellung.

Alle drei Dinge gibt es nicht oder kaum mehr. Die verbliebenen Uniformen bei Polizei und Bundesheer als schmuck zu bezeichnen fiele kaum jemandem ein. Die Pragmatisierung - das lebenslange Dienst- und Vertrauensverhältnis - wurde weitestgehend abgeschafft. Und das Ansehen des Staatsdienstes scheint verbesserungsbedürftig zu sein, sonst würde es das Beamtenministerium jetzt nicht mit einer Werbekampagne zu heben versuchen. Ob der Slogan "Echt ÖD" (ÖD steht für öffentlicher Dienst) dafür glücklich gewählt ist, sei dahingestellt.

Bleibt also das Geld als Hauptschraube, an der nun gedreht wird, um die Personalprobleme des Bundes zu lösen. Mit einer Besoldungsreform will die Regierung die Anfangsgehälter erhöhen, damit der Staat bei der Rekrutierung neuen Personals konkurrenzfähig wird und die Abwanderung von Mitarbeitern in Richtung Privatwirtschaft verhindern kann.

Die gesellschaftliche Entwicklung zeigt freilich, dass Geld längst nicht mehr alles ist. Mindestens ebenso gefragt sind Teilzeit, Heimarbeit und "Work-Life-Balance". Hier wird sich der Staat etwas einfallen lassen müssen, auch wenn Teilzeit-Landesverteidigung nicht ganz leicht zu organisieren sein wird.

KOMMENTARE (1)

Martin Tippel

Ich habe im Zuge meiner Ausbildung zum Unteroffizier Ende der 1980er Jahre an einem Wehrethikseminar teilgenommen. Während dieser dreitägigen Veranstaltung hat man uns erklärt, dass der Soldatenberuf eine Berufung ist und der moralische Wert über dem monetären Wert zu stellen sei. Mit anderen Worten: ora et labora. Oder auf gut Deutsch: Uniform und Dienstgrad zählen mehr als der schnöde Mammon. Gut, kann man ja so sehen, wenn der Staat knapp bei Kasse ist. Andererseits ist unser Staat im internationalen Vergleich nicht knapp bei Kasse und an der Kasse im Supermarkt kannst du auch nicht mit den Hosenknöpfen der Uniform bezahlen. Im internationalen Vergleich mit der bekanntlich ausgehungerten deutschen Bundeswehr sah es vor 15 Jahren so aus: Stabsfeldwebel der DBW verdient ein Drittel netto mehr und geht mit 50 Jahren in den Ruhestand, bekommt eine Abfertigung und die volle Pension. Vizeleutnant des ÖBH verdient ein Drittel weniger, geht mit 62 in die Korridorpension (wenn er denn die 40 Dienstjahre voll hat) und bekommt keine Abfertigung. Zudem muß er aus der Naturalwohnung ausziehen. Fazit: weniger Pension und zusätzlich Entzug der Naturalwohnung. Der Soldat, der jahrzehntelang dem Staat und seinem Volk gedient hat soll sich mit weniger Geld gefälligst am teuren, freien Wohnungsmarkt versorgen - denn Moral und Ethik stehen weiter über dem bescheidenen Wohlstand im Alter. Ob das dann allerdings ethisch und moralisch gerecht ist, sei anderen überlassen zu beurteilen!
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