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Raab will mit Leitkultur "Grundkonsens" stärken

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) beginnt mit der Ausgestaltung einer österreichischen "Leitkultur". In einer Expertenrunde am Donnerstag sei Thema, wie der Grundkonsens des Zusammenlebens gestärkt werden könne, sagte sie zuvor mit Verweis auf Zuwanderer aus anderen Kulturen. Die Definition einer Leitkultur setzte sich die ÖVP in ihrem Österreichplan zum Ziel. Grüne und SPÖ kritisierten im Vorfeld, dass die Rechtswissenschafterin Katharina Pabel Teil der Runde ist.

Raab diskutiert mit Expertenrunde über Leitkultur
Raab diskutiert mit Expertenrunde über Leitkultur

Dass man sich im Zuwanderungsprozess mit Werten auseinandersetze, sei mittlerweile akzeptiert und gewünscht, sprach Raab die Wertekurse an. Denn hierzulande selbstverständliche Werte wie der Rechtsstaat, die Demokratie, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie die Pressefreiheit seien etwa für jene, die nach Österreich flüchten, nicht immer selbstverständlich. Schließlich kämen sie aus Kulturen, in denen Frauen weniger wert seien und in denen in Österreich verbotene Praktiken wie Genitalverstümmelung oder Zwangsheirat vorherrschen.

Die österreichische Identität sei aber mehr als die Gesetze des Landes - "es geht eben auch um einen klaren Grundkonsens im Zusammenleben." Dieser soll verhindern, dass es statt einem "Miteinander" ein "Nebeneinander" gibt. Für die überwiegende Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund sei es kein Widerspruch, die österreichischen Identität zu leben, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen, betonte die Ministerin. Dass es den von ihr gewünschten Grundkonsens aber noch nicht überall gibt, zeige sich etwa in Beschwerden von Ärztinnen oder Lehrerinnen: Manche Männer würden in Krankenhäusern nach männlichen Ärzten verlangen, manche Burschen hätten keinen Respekt gegenüber Lehrerinnen. Das sei inakzeptables Verhalten, "meistens auf dem Rücken der Frauen und Mädchen."

Man wolle überlegen, wie der Grundkonsens gestärkt werden könne, in der Integrationsarbeit, aber auch andernorts. Besprechen will Raab in der Runde außerdem, wie man Lehrerinnen, Ärztinnen und Polizistinnen den Rücken stärken und welche Hebel man etwa bei Familien- und Sozialleistungen sowie bei der Schulpflicht und Mitwirkungspflichten der Eltern nutzen könne.

Kritik kam bereits vor dem Pressestatement vom Koalitionspartner und der SPÖ, besonders an einer Teilnehmerin der Expertenrunde erhitzten sich die Gemüter. Die Rechtswissenschafterin Katharina Pabel sei eine Abtreibungsgegnerin, meinten die Frauensprecherinnen der Parteien Meri Disoski (Grüne) und Eva-Maria Holzleitner (SPÖ). Pabel ist im Herausgeberbeirat der "Zeitschrift für Lebensrecht" vertreten. "Gehören #Antifeminismus und #Queer-Feindlichkeit zur 'Politik der Mitte', die sich die ÖVP zuletzt litaneiartig auf die Fahnen heftet?", schrieb Disoski auf X (vormals Twitter). Raab würde sich Anleihe an reaktionären Politikern wie Trump und Orban nehmen, monierte Holzleitner in einer Aussendung. Die Ministerin bezeichnete die Vorwürfe auf Nachfrage als "absurd". Neben Pabel nahmen laut Bundeskanzleramt u.a. die Integrationsexpertin Emina Saric, Bevölkerungswissenschafter Rainer Münz, Integrationsexperte Kenan Güngör und Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal am Gespräch teil.

Auch die FPÖ sparte nicht mit Kritik. Generalsekretär Michael Schnedlitz warf der "Nehammer-ÖVP" in einer Aussendung vor, u.a. für "Regenbogen- und Genderideologie statt traditionelle Werte wie Familie, Anbiederung an den politischen Islam und dessen Vereine" zu stehen. Diese würde "rechts blinken, aber links abbiegen."

"Erzkonservativ" ist die ÖVP wiederum für die NEOS. Die Volkspartei vertrete etwa bei der Selbstbestimmung von Frauen oder der Gleichbehandlung von LGBTIQ+-Personen eine "überwiegend rückwärtsgewandte Weltanschauung", meinte Integrationssprecher Yannick Shetty. Statt an einer schwarzen Leitkultur "zu zimmern, sollte die ÖVP ihren Widerstand aufgeben und dem NEOS-Vorschlag eines verpflichtenden Integrationsjahrs für alle Asylwerberinnen und Asylberechtigten folgen", forderte er.

Die Pressekonferenz zum Nachschauen:

KOMMENTARE (4)

Klaus Duschek

Das find' ich lustig, wenn die ÖVP Werte wie "Rechtsstaat", "Pressefreiheit" und "Gleichberechtigung von Mann und Frau" einfordert. _______ Mit Verlaub, wo war denn bei der ÖVP (unter Kurz/Nehammer) die Achtung vor dem Rechtsstaat als massenhaft verfassungswidrige Corona-Bestimmungen erlassen wurden, die der VfGH spät aber doch aufgehoben hat? ______ Wo war denn die Achtung vor dem Recht als solchem, als Nehammer mittels eines rechtlichen Nullums namens Ostererlass "seine" Polizei unter Durchbrechung des verfassungsrechtlich geschützten Hausrechts in die Wohnzimmer schicken wollte? ________ Wo ist denn die Achtung vor dem Recht (es gilt leider zum Teil mangels Rechtskraft noch die Unschuldsvermutung) als Frau Mag. Karmasin (Ministerin unter Kurz) sowie Kurz selbst (nicht rechtskräftige Verurteilung wegen Falschaussage - daher (leider) noch Unschuldsvermutung) massiv gegen österreichisches Recht verstießen?? ___________ Wo war denn in der Coronazeit die Pressefreiheit - als (nach allem Anschein - und auch hier gilt (noch) die Unschuldsvermutung) Medien durch großzügige Inseratengeschenke gekauft wurden und nur noch eine Meinung geäußert werden durfte?? ________ Wo ist die Achtung vor der Gleichstellung von Frau und Mann, wenn die ÖVP (zusammen mit FPÖ) eine Herdprämie für (de facto nur) Frauen vorschlägt??? _______ Keine Frage, es wäre hochdringend an der Zeit "Werte" von jedem zu verlangen, insbesondere dann, wenn es um die Achtung vor dem Recht des säkularen, liberalen Rechtsstaat (z.B. in Form der EMRK) geht - die Achtung vor diesen Werten ist zwingend von jedem zu verlangen, egal ob Einheimischer oder Zugewanderter, egal welcher Hautfarbe, welcher Religion oder kultureller Abstammung - diese Werte sind nicht verhandelbar!! ______ Aber wie gesagt, die Forderung dieser Selbstverständlichkeiten von Seiten der ÖVP ist vor dem Agieren dieser Partei in den letzten Jahren mehr als frivol!
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Anna Gruber

Während manche in Ö bereits die Erhebung eines nationalen Leitbildes verhindern wollen, haben erfahrene Einwanderungsländer wie die USA, einen klaren Konsens, was sie von den Zuwanderern erwarten, und das zieht sich durch alle Bildungseinrichtungen und Behörden. Das ist notwendig, damit die neuen Staatsbürger vom ersten Tag an wissen, wo ihre Grenzen sind und Integration funktionieren kann.
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Klaus Duschek

S.g. Frau Gurber - dann sollten Sie für die Führungsriege der ÖVP und Ihren Liebling Kurz gleich Kurse zuhauf buchen, denn wie die Performance der letzten Jahre zeigt, hat die ÖVP in Sachen Respekt vor dem Recht massiven Aufholbedarf (es gilt natürlich die Unschuldsvermutung - zumindest für jene, die noch (!!) nicht rechtskräftig verurteilt wurden) und wäre wohl (würde man die Forderung der ÖVP nach Respekt vor der Leitkultur samt Konsequenzen ernst nehmen) selbst massiv von Abschiebung bedroht, wobei sich dann die Frage stellen würde, welcher Staat so freundlich wäre, uns die Herrschaften abzunehmen - am Geld sollt's nicht scheitern, ich vermute mal, es würden sich Spender finden, die diese sozialhygienisch wichtige Abschiebung finanzieren würden!

Anna Gruber

Auch wenn es manche nicht wahrhaben wollen, ist ein grundlegender Konsens für das Zusammenleben in Österreich, den die Volkspartei erhebt, sicher notwendig. Das ist Voraussetzung und Maßstab für die Vermeidung von Parallelgesellschaften und eine erfolgreiche Integration.
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