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Klimawandel dürfte 2050 Haupttreiber von Artenvielfalt-Rückgang sein

Studie: Geringerer Temperaturanstieg würde Artenverlust zumindest begrenzen.

Bis Mitte des 21. Jahrhunderts dürfte der fortschreitende Klimawandel zum Haupttreiber des Rückgangs der Biodiversität werden.
Bis Mitte des 21. Jahrhunderts dürfte der fortschreitende Klimawandel zum Haupttreiber des Rückgangs der Biodiversität werden.


Das beispiellose Ausgreifen menschlicher Aktivitäten auf riesige Gebiete unseres Planeten im 20. Jahrhundert hat je nach Datenquelle und Berechnungsmethode die Artenvielfalt global um 2 bis 11 Prozent reduziert, wie Forscher im Fachblatt "Science" darlegen. Lag der Grund für die Biodiversitätsabnahme früher vor allem in den Veränderungen bzw. der Intensivierung der Landnutzung, so dürfte bis Mitte des 21. Jahrhunderts der fortschreitende Klimawandel zum Haupttreiber werden.

Unbestritten ist, dass der menschliche Hunger nach immer mehr einst einigermaßen naturbelassenen Flächen in den vergangenen Jahrzehnten immer größer geworden ist. In der veränderten Landnutzung sieht auch der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) den größten Faktor, der die Zusammensetzung der Arten tiefgreifend verändert und deren Vielfalt reduziert. Der Rückgang der Artenvielfalt wird mittlerweile als eines der ganz großen Zukunftsprobleme angesehen.

Laut der umfassenden Analyse unter der Leitung vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Halle-Wittenberg (MLU) ist damit zu rechnen, dass die Erderhitzung der Landnutzung ihren zweifelhaften Rang ablaufen wird. Das Team, dem u.a. auch Wissenschafter vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien oder Michael Obersteiner vom Environmental Change Institute an der University of Oxford (Großbritannien) angehörten, habe nun die bisher umfassendste Analyse zu dem Thema vorgelegt, heißt es seitens des IIASA.

Beim Blick auf das vergangene Jahrhundert offenbarten sich einmal mehr die massiven Steigerungen in der Nahrungsmittel- und Holzproduktion - also der Praxis der Entnahme von Ressourcen aus der Natur zugunsten des Menschen, wie es die Wissenschafter ausdrücken. Gleichzeitig lasse sich anhand der vielfältigen Daten auch ablesen, wie das Ökosystem im Gleichgewicht haltende Faktoren wie die Bestäubung von Pflanzen oder die Fähigkeit zum Einlagern von Stickstoff und Kohlenstoff in der Natur zurückgingen.

Richteten die Wissenschafter ihre Analysen in Richtung Zukunft, "lassen unsere Erkenntnisse darauf schließen, dass der Klimawandel die Veränderungen der Landnutzung als vorrangiger Treiber des Biodiversitätsverlustes bis zur Jahrhundertmitte ablösen kann", wird IIASA-Forscher David Leclère in einer Aussendung zitiert.

Wurden die Auswirkungen von Landnutzungsänderungen und jene des Klimawandels in Kombination berücksichtigt, ergaben sich - je nach Modellannahmen - Biodiversitätsrückgänge zwischen knapp unter einem bis fünf Prozent pro Jahrzehnt weltweit. Würde das Temperatur-Plus auf zwei Grad Celsius begrenzt, würde das Artenvielfalts-Minus immerhin um 40 bis 74 Prozent niedriger ausfallen als bei einem Szenario ohne Treibhausgas-Eindämmungsmaßnahmen, schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit.

Die Abwägung zwischen Maßnahmen, die zur Energiewende beitragen sollen, wie der Ausbau der Gewinnung von Energie aus Biomasse, und Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität sei jedenfalls nicht einfach: So werde Bioenergie oft als wichtiger Baustein zur Stabilisierung des Klimas angesehen. Dafür brauche es aber wieder große land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, "was eine Gefahr für besondere Lebensräume darstellt", so Petr Havlík, einer der Ko-Autoren der Studie.

Insgesamt seien die Erkenntnisse aus der Studie ein weiteres Argument dafür, regionale Ziele zum Schutz der Artenvielfalt zu definieren und umzusetzen, sowie die Renaturierung von Flächen im Sinne einer natürlichen Klimaschutzmaßnahme voranzutreiben. Leider sei auch klar zu sehen, dass mit der bisherigen Politik die Lösung eines der "größten Probleme des Menschheit" verfehlt wird.

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