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Ein schlaues Rad soll Salzburgs Straßen sicherer machen

Salzburg weiß, welche Infrastruktur es für Radfahrende gibt. Aber wie viele enge und gefährliche Stellen dazugehören, deckt bald ein Fahrrad auf.

Das Sensorfahrrad bei Testfahrten in Puch.
Das Sensorfahrrad bei Testfahrten in Puch.
Das Rad von Boréal Bikes in Großaufnahme.
Das Rad von Boréal Bikes in Großaufnahme.

Künstliche Intelligenz könnte in den kommenden Monaten zum Segen für Salzburgs Radfahrbegeisterte werden - wenn an gefährlichen Stellen im städtischen Verkehr nachjustiert wird. Wo diese liegen und wie viele es sind, das untersuchen Moritz Beeking und das Forscherteam von Salzburg Research. Sie lassen Fahrräder "sehen", und zwar via "Light Detection and Ranging"-Technologie, kurz LiDAR. Bei diesem System geht es darum, hochauflösende 3D-Informationen nur durch Licht zu generieren.

Messfahrzeuge sind auf Autobahnen und Bundesstraßen längst unterwegs. Allzu große Parallelen zum recht bekannten Auto von Google, das weltweit durch die Straßen fährt und Daten für Landkarte und Navigationssystem sammelt, sieht Moritz Beeking, Salzburg-Research-Data-Scientist und technischer Verantwortlicher, nicht. Vielmehr winkt er ab: "Google ist mit einem fertigen Produkt an einem ganz anderen Punkt, als wir das sind. Von Analogien würde ich nicht sprechen - auch, wenn unser Weg in dieselbe Richtung führen könnte."

Für Radwege sind solche Fahrzeuge jedenfalls zu groß und zu schwer. Deshalb hat Salzburg nun sein eigenes, smartes Sensor-Bike, das "Holoscene Edge" von Boréal. Das Mobilitätsunternehmen mit Sitz in Berlin entwickelt Lösungen, mit denen ein Großteil der Verkehrsunfälle mit Fahrradbeteiligung verhindert werden kann. "Das ist der weltweit einzige Anbieter, der solche Fahrräder baut. Ich kenne nichts Vergleichbares aus dem Hochschulbereich an Sensorausstattung und Rechenleistung", sagt Beeking.

Wie das Rad aussieht, das in und um Salzburg Daten sammelt? Ein wenig wie ein starkes, grasgrünes E-Bike, doch vorne und hinten am Gepäckträger und in den Satteltaschen vollgepackt mit Technik. Jeder LiDAR-Sensor am Fahrrad zeigt in eine andere Richtung, um eine vollständige 360-Grad-Ansicht der Umgebung zu erfassen. Dass die Reifen ziemlich viel Gewicht tragen, ist offensichtlich. "Ich habe es nie gewogen und schätze, dass es um die 40 Kilogramm sind. Damit liegt es deutlich über dem Gewicht eines E-Bikes. In den dritten Stock tragen wir es zu zweit. Das ist dann der sportlichste Teil meiner Arbeitswoche", sagt Beeking. Salzburg Research sei in Europa das erste Forschungsunternehmen gewesen, das ein solches Rad hatte. Inzwischen sei man in guter Gesellschaft, ergänzt Beeking - und zwar mit der TU München oder dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Auch dessen Verkehrsforschungsabteilung habe sich das smarte Gefährt beschafft, man sei mit den Kollegen dort im Austausch.

"Wir wollen Aussagen darüber treffen können, was eine sichere Radverkehrsführung wäre. "
Moritz Beeking
Salzburg Research

Wenn Beeking und das Team beim Datenaufzeichnen sind, dann bringen sie das Rad an den Ort, an dem die Untersuchungen stattfinden sollen. "Das Anfahren ist recht anstrengend mit der ganzen Technik an Bord", sagt Beeking. "Doch sobald zwölf Kilometer pro Stunde überschritten sind, fährt es sich ganz angenehm." Bei den Dutzenden Testfahrten, die das Rad absolviert, notiert Beeking jede Menge Zusatzinformationen. Dazu kommen GPS- und Kameradaten - je nach Projekt - und eben die LiDAR-Daten. Alle Daten zusammen werden später auf einen rechenstarken Server übertragen, denn sie sind so groß, dass selbst ein leistungsstarker Laptop einfach schlappmacht. "Im Anschluss suchen wir mit Methoden der künstlichen Intelligenz nach Mustern in den LiDAR-Daten. Dann sehen wir Punktwolken um das Rad in einer 3D-Darstellung. So finden wir heraus, was davon die Straße ist, wo Schilder und Wiesen sind, erkennen Autos und ihre Position sowie Relation zum Fahrrad."

Bisher fuhr das Rad etwa in Wien, Eisenstadt und bei Linz - der Fahrplan für Salzburg 2024 wird gerade erstellt. "Wo auch immer wir forschen, es geht um die Analyse von Infrastruktur und teilweise auch um die Verkehrssituation mit Überholabständen und -manövern an engen Stellen, damit wir Aussagen darüber treffen können, was eine gute, sichere Radverkehrsführung wäre." Darüber hinaus denke das Team in Richtung automatisiertes Fahren. Beeking: "Dafür ist derzeit allerdings noch nicht die richtige Technologie am Markt. Kostengünstige, massenhaft produzierte LiDAR-Technik ist nicht absehbar. Und auch die Hardware, die wir bräuchten, damit ein Rad beispielsweise bremst, ist noch Zukunftsmusik, wenngleich es Forschungsgruppen in den Niederlanden gibt, die sich genau so etwas ansehen."

Apropos ansehen: In der Langen Nacht der Forschung am 24. Mai ist das Boréal-Bike im TechnoZ in Salzburg-Itzling zu begutachten.