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Staatsschützer wollen bei Terroristen mitlesen

Das Innenministerium hat erstmals einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Überwachung von Messengerdiensten erlaubt.

Terror und Spionage: Die Kommunikation spielt sich dort ab, wo heimische Staatsschützer keinen Zugriff haben.
Terror und Spionage: Die Kommunikation spielt sich dort ab, wo heimische Staatsschützer keinen Zugriff haben.

Europa stehen, was die Gefahr terroristischer Anschläge betrifft, herausfordernde Monate bevor. Ab Mitte Juni die Fußball-Europameisterschaft, ab Ende Juli dann die Olympischen Spiele in Paris. Aktuell sei die Terrorgefahr "sehr hoch", warnt die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Großveranstaltungen seien dabei "besonders relevant". Aus diesem Grund würden laufend Gefährdungseinschätzungen für Österreich erstellt.

Allerdings werden die Staatsschützer nicht müde zu betonen, dass ihnen für die Erfüllung ihrer Aufgaben - zu denen auch die Spionageabwehr zählt - schlicht die technischen Hilfsmittel fehlten. Überwachen darf die DSN derzeit lediglich die Telefonie - inklusive SMS-Verkehr. Das Problem: Terroristen und Spione tauschen sich auf diesen Kommunikationskanälen längst nicht mehr aus. Dafür verwenden sie verschlüsselte Messengerdienste wie WhatsApp, Signal oder Telegram. Um ungestört ihrem Tagesgeschäft nachgehen zu können, werden mitunter sogar Chatfunktionen von Onlinespielen (wie zum Beispiel "Clash of Clans") herangezogen. Zahlreiche EU-Staaten überwachen diese Kanäle schon.

Jetzt hat das Innenministerium erneut einen Vorstoß gewagt und einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Darin wird praktisch die Erweiterung des Überwachungsportfolios gefordert. Der Schlüssel dazu läge im Ankauf von Spezialsoftware, die die Sicherheitslücken der Mobiltelefone auszunützen vermag, um sich in ein ganz bestimmtes Smartphone zu hacken.

Im von den Grünen geführten Justizministerium stößt der Vorschlag bislang auf wenig Gegenliebe. Dort ist man der Auffassung, die DSN würde Sicherheitslücken aktiv offen lassen oder gar schaffen. Außerdem wird kritisiert, man hätte nach Einspeisung der Spezialsoftware Zugriff auf sämtliche Informationen auf dem Handy.

Beide Argumente kann man bei der DSN nicht nachvollziehen. Man habe auf das Öffnen oder Schließen von Sicherheitslücken keinerlei Einfluss. Sie könnten nur durch Updates vom Hersteller selbst (z. B. Apple) geschlossen werden. Diese werden gesammelt, bis sich das Programmieren eines Updates rechnet. Die Zeitspanne zwischen zwei Updates würde dazu verwendet, neu entstandene Sicherheitslücken zu nutzen, um Mobiltelefone zu infiltrieren. Etliche Länder in Europa würden derart bereits verfahren. Überdies lasse sich genau einstellen, auf welche Apps man zugreifen wolle.

Um Massenüberwachung einen Riegel vorzuschieben, würden Bewilligungen zum Mitlesen auf Telegram & Co. nur in Einzelfällen erteilt. Wenn also der Verdacht besteht, dass es sich um einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung handelt, für den eine Strafdrohung von mindestens zehn Jahren besteht - oder um Spionage. Sollte sich herausstellen, dass der Anfangsverdacht unbegründet war, muss die Überwachung binnen weniger Tage eingestellt werden.

Erteilt würden, so sieht es der Gesetzesvorschlag vor, die Bewilligungen in zwei Stufen. Zuerst vom Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums und anschließend von eigens darauf spezialisierten Richterinnen bzw. Richtern des Bundesverwaltungsgerichts.

Einen Gesetzesbeschluss wird es in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr geben. Die DSN ist also weiterhin auf Hinweise und Informationen ausländischer Partner angewiesen.

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