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Velobus statt Elterntaxi: Wo das Auto auf dem Weg zur Schule nur noch Gast ist

Gemeinsam unter Aufsicht in die Schule radeln - diese Initiativen erfreuen sich in Österreich wachsender Beliebtheit. Verkehrsexperten finden das super, fordern aber noch mehr.

Sie sind schon eine kleine Macht, wenn sie da anrücken, zu zehnt, zu fünfzehnt, bunt behelmt, mit Schulranzen am Rücken - und eifrig in die Pedale tretend. Bicibus nennt man sie. Oder Velobus. Oder Meet-and-bike, wie etwa in Wels. Da ist es bereits seit 2019 gang und gäbe, dass gemeinschaftlich geradelt wird. Von zu Hause in die Schule. Stets begleitet von Erwachsenen. Es gibt diverse "Haltestellen", wo der Pulk kurz stoppt, um Dazustoßende aufzunehmen. Und weiterzutreten. Wie ein Bus eben. Nur ohne Motor, dafür mit viel mehr Reifen. Das Modell ist bewährt und verbreitet sich aktuell in Windeseile. Wels hat den Anfang gemacht, es folgten Wien, Graz, Innsbruck, aber auch in kleineren Gemeinden findet das Prinzip Anklang. In Klosterneuburg zum Beispiel, in Völs (Tirol), Gaspoltshofen (OÖ), im Laabental (NÖ) oder in Breitenbrunn im Burgenland. Roland Romano, Sprecher der Radlobby Österreich, schätzt, dass es aktuell 20 Initiativen bundesweit gibt. Graz bekommt nun sogar eine eigene städtische Anlaufstelle, wo man Tipps zur Gründung eines Bici- oder Velobusses erhält.

Meist sind es Eltern oder Schulen, die sich dieses ursprünglich in Barcelona ins Leben gerufene Konzept zunutze machen. In Wels hat damit das Bundesrealgymnasium Wallererstraße begonnen. Mittlerweile sind es sieben Schulen, die bei Meet-and-bike dabei sind. 16 Haltestellen im Stadtgebiet stehen zum "Zusteigen" zur Verfügung. 2022 erhielt man dafür den Mobilitätspreis des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ). "Es ist wirklich eine tolle Sache, es läuft sehr gut", sagt der Welser Mobilitätsstadtrat Stefan Ganzert (SPÖ). Ihm ist aber bewusst, dass es mehr braucht, um die Stadt fahrradfreundlicher ergo fahrradsicherer zu machen. Dazu gehören etwa auch sogenannte Schulstraßen, die man temporär für den Autoverkehr sperren kann. Optimalerweise zwischen 7.30 und 8.00 Uhr. Stichwort: Elterntaxi. Dieser Begriff steht für Verkehrschaos, Gefahr und Umweltbelastung. "Geschätzt zehn bis 20 Prozent der Kinder werden täglich mit dem Privat-Pkw direkt vor die Schule gebracht. Das sind ganz schön viele Autos, wenn eine Schule zum Beispiel 600 oder 700 Schüler hat", sagt Radlobby-Sprecher Romano. "Viele schnelle Autos durch schmale Gassen - das ist ein Problem." Gerade Schulgrätzel sollten jedoch verkehrsberuhigt sein. Zonen, "wo das Auto zu Gast ist", wie es Romano beschreibt. Die Niederlande seien diesbezüglich das große Vorbild. Dort müssen Radwege so beschaffen sein, dass schon Volksschüler allein in die Schule fahren können. "Davon sind wir noch sehr weit weg."

Wels hat sich 2022 mittels Gemeinderatsbeschluss dazu entschlossen, den Radverkehr bis 2030 von zehn auf 20 Prozent zu verdoppeln. Dass es dazu nicht nur der Begeisterung der Radfahrer, sondern auch nötiger Infrastruktur bedarf, ist selbstredend. Und das beginnt schon im Kleinen: Nicht nur in Wels gibt es längst beschilderte Kiss-and-go-Zonen. Es soll autofahrende Eltern freundlich darauf hinweisen: Bis hierher und nicht weiter, dein Kind kann ruhig die letzten Meter zu Fuß gehen.

Apropos gehen: Auch dafür gibt es mittlerweile "Busse". Ihnen vorangestellt ist dann nicht Bici oder Velo, sondern Pedo. Das Prinzip ist dasselbe: Der Tross wandert per pedes eine vorgegebene Strecke und gabelt dabei - ebenfalls an "Haltestellen" - Kinder auf. Von Floridsdorf über Langenzersdorf, Hornstein, St. Georgen bei Eisenstadt und Mooskirchen in der Steiermark bis nach Absam und Birgitz in Tirol: Auch Pedibusse erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Was das sichere Radfahren für Kinder in Ballungszentren angeht, so gibt es für Christian Gratzer vom VCÖ drei Hauptzutaten: "Entscheidend sind Verkehrsberuhigung, Tempo 30 statt 50 und eine gute Radinfrastruktur." In Wien zum Beispiel sei das Hauptradverkehrsnetz "ausbaufähig", meint Radlobby-Sprecher Roland Romano. "Was fehlt, sind durchgehende Radwege für jede Altersgruppe und für jede Tages- und Nachtzeit. Gibt es so etwas, steigt die Zahl der Radfahrerinnen und Radfahrer von ganz allein."

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