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Bringt die neue Raumordnung günstigeren Wohnraum?

Aktueller Gesetzeskommentar definiert Begriffe und erklärt Intentionen des neuen Salzburger Raumordnungsrechts 2023. Gemeinden sollen künftig stärker mit Partnern wie der Land-Invest zusammenarbeiten.

Weites Land: Wie lässt sich günstiger Wohnraum schaffen?
Weites Land: Wie lässt sich günstiger Wohnraum schaffen?

Es ist ein schwieriges Thema, eine komplexe Materie, in der sich nur wenige Menschen auskennen, und doch sind viele Menschen davon betroffen: die Raumordnung.

Einer dieser Experten ist Richard Schmidjell, ehemaliger Abteilungsleiter der Wirtschaftskammer Salzburg, Lehrbeauftragter an der Universität Salzburg und in weiteren Funktionen tätig. Seit 2012 ist er allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Fachgebiet Raumplanung.

Ein weiterer Experte ist Alexander Diwald, Büroleiter bei Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Koordinator des neuen Salzburger Raumordnungsgesetzes. Beide haben nun im LIT-Verlag einen 400 Seiten starken Kommentar zum Salzburger Raumordnungsrecht 2023 (ROG) herausgebracht. Darin sind nicht nur Begriffs- und Paragrafenerklärungen zu finden, sondern auch Beispiele, wie diese oder jene Gesetzesstelle zu verstehen ist.

Doch wie helfen solche Gesetze bei der Schaffung und Suche nach günstigem Wohnraum?

Da gibt es zum Beispiel die Vertragsraumordnung. "Dabei geht es um die Umwidmung einer Fläche in Bauland. Vorher wird aber vertraglich geregelt, welcher Teil, oder auch das Ganze, zu einem bestimmten Preis für geförderte Bauvorhaben reserviert wird", sagt Schmidjell. Das ist ein Minenfeld, denn solch ein Ansinnen gab es schon 1992. Doch die Verknüpfung von hoheitlichen und privaten Anliegen in der damaligen Form wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Um dies grundsätzlich zu ändern, bräuchte es eine Änderung der Verfassung auf Bundesebene.

"Das Land Salzburg hat sich in den letzten Jahren um eine verfassungskonforme Lösung bemüht", ergänzt Alexander Diwald: "Dafür wurden die Regelungen 2009 und 2017 adaptiert, damit sind wir auch näher an den Bedürfnissen der Gemeinden und der Bürger." Die neue Regelung in Salzburg werde von den Gemeinden genutzt, auch weil es im Landesentwicklungsprogramm verpflichtend ist zu prüfen, ob geförderter und/oder verdichteter Wohnbau auf dem jeweiligen Grundstück möglich ist.

"Was ,verdichteter Wohnbau' bedeutet, ist allerdings nicht klar definiert", kritisiert Schmidjell. Dabei ist etwa vom "Haus in der Gruppe" die Rede. Im Kommentar wird erläutert: "Das ,Haus in der Gruppe' sind Wohnhäuser, die zur gleichen Zeit auf mindestens drei nebeneinander liegenden Liegenschaften errichtet werden und bei denen der durchschnittliche Grundstücksbedarf 400 Quadratmeter unterschreitet." Laut Schmidjell bedeutet dies eine Geschoßflächenzahl (GFZ ) von bloß 0,4 bis 0,5, um als "verdichtet" zu gelten.

Eine weitere Problemstelle ist die Definition von "förderbarem Wohnraum". In den Anmerkungen zur entsprechenden Passage im Paragrafen 30 heißt es: "Förderfähig sind Wohnhäuser, wie Einfamilienhäuser, Reihenhäuser (Haus in der Gruppe), Geschoßwohnbau, Bauernhäuser, Austraghäuser, Startwohnungen, Kleinwohnungen und Wohnheime." Das sind de facto alle Wohnbauten. Oder wie es die beiden Autoren konkret formulieren: "Insofern kann, wenn ein reiner Wohnbau vorliegt, von einer Widmungskonformität ausgegangen werden."

Land-Invest und Regionalverbände als Hebel für finanzierbaren Wohnraum

Für Diwald sollte künftig bei solchen ROG-Verfahren die Land-Invest ins Spiel kommen: "Sie ist der Hebel für die Gemeinden und wird mehr genutzt werden müssen." Die Land-Invest sei gut aufgestellt, allerdings habe bisher die politische Meinung gelautet: Das geht in Europa beihilfenrechtlich nicht.

Tatsächlich sei die Land-Invest seit 2029 mit zehn Mill. Euro aus Wohnbaufördermitteln budgetiert und könne damit eine aktive Rolle einnehmen. Diwald: "Die Bürgermeister wissen, wo es Grundstücke gibt." Die Land-Invest könnte diese dann erwerben und danach im Sinne des von der Gemeinde beschlossenen Räumlichen Entwicklungskonzepts (REK) die Liegenschaft entwickeln. Somit könnte dies ein Hebel sein, um finanzierbaren Wohnraum zu schaffen. Andere Stellschrauben sind Baulandbefristungen und der Umstieg auf Bedarfswidmung anstelle von Vorratswidmung. Diwald: "Alles steht und fällt aber mit der Umsetzung. Die Gemeinden brauchen dafür Unterstützung, da ist auch schon viel passiert. Große Gemeinden tun sich da leichter als kleine."

"Die Gemeinden haben zahlreiche Stellschrauben."
Richard Schmidjell
Sachverständiger Raumplanung

Eine neue Generation von Bauamtsleitern führe zur verstärkten Nutzung der neuen ROG-Möglichkeiten, aber auch mehr Partnerschaft innerhalb der Interessensträger und auch die im Kommentar konkretisierte Auslegung von Begriffen. "Es gibt eine Reihe von Festlegungen im Gesetz, die erst dann wirksam werden, wenn man die Vorgaben aus dem Landesentwicklungsprogramm (LEP) kennt", sagt der Experte.

Ein weiterer Hebel, wie mithilfe des neuen Raumordnungsgesetzes günstiger Wohnraum geschaffen werden könnte, seien die Regionalverbände, betont Schmidjell. Das Bundesland Salzburg ist in neun solche Regionalverbände eingeteilt, in die die Gemeinden integriert sind, sie haben jeweils eine eigene Geschäftsführung. Schmidjell: "Die Regionalverbände nehmen eine zentrale Rolle im Bezirk oder in Teilbezirken ein vor allem bei Fragen, die über die Gemeindegrenzen hinausgehen, wie etwa Krankenhäuser oder Eisenbahnen." Und die Regionalverbände seien die Basis bei allen Raumordnungsangelegenheiten und helfen auch bei Auslegungsfragen.

Doch wie kann es jetzt konkret auf Basis der neuen Gesetzeslage zu günstigerem Wohnraum kommen?

Diwald: "Als Erstes muss ein räumliches Entwicklungskonzept festgelegt und vom Land bestätigt werden." Dann könnten Baulandsicherungsmodelle greifen, etwa über die Land-Invest oder das Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SIR). Wie solche Baulandsicherungsmodelle funktionieren können, ist im Landesentwicklungsprogramm (LEP) festgelegt. Diwald: "Die Partner für die Umsetzung muss sich der Bürgermeister selbst suchen."

Danach folgt die Positionierung der Partner etwa in Hinblick auf den Grünlandpreis, Eigenflächen etc. Hier geht es um den Ausgleich. "Wenn ein Supermarkt geplant ist, kann man als Gemeinde Wohnraum in den Geschoßen darüber fordern, dafür bekommt der Supermarkt mehr Verkaufsfläche."

Schließlich kommt es zum Vertrag, für dessen Erstellung ebenfalls wieder Partner wie Land-Invest oder Regionalverbände herangezogen werden. Auch der Raumordnungsausschuss der jeweiligen Gemeinde muss befasst sein.

Schließlich gilt es, die Interessenten auszusuchen, also wer zu einem Grundstück oder einer Wohnung kommen kann und soll. "Auch dieses Prozedere bedarf der Festlegung durch die Gemeindevertretung und ist inzwischen objektiv und nachvollziehbar", betont Schmidjell.

Buchtipp: Richard Schmidjell, Alexander Diwald: "Salzburger Raumordnungsrecht 2023". LIT-Verlag, Wien 2023.

Landesentwicklungsprogramm 2022

Sieben Kriterien für ein Baulandsicherungsmodell nach LEP 2022:

  • Ausreichend vorhandener Siedlungsbestand mit Erweiterungspotenzial ohne solche Raumwiderstände, die erhebliche Umweltauswirkungen zur Folge hätten
  • Gesicherte Verfügbarkeit zu finanzierbaren Grundstückskosten
  • Erreichbarkeit einer Haltestelle in angemessener Entfernung und Leistungsfähigkeit
  • Sparsamer Bodenverbrauch durch Festlegung einer entsprechenden Mindestdichte und bodensparende Bauformen. Dabei ist sicherzustellen, dass die künftigen Bauplätze im Durchschnitt dem Richtwert von 700 Quadratmetern entsprechen. Ein Drittel des Planungsgebiets soll für verdichtete Bauformen vorgesehen sein.
  • Der Umbau für ein Mehrgenerationenwohnhaus muss in den festgelegten Bebauungsbedingungen laut Bebauungsplan in vertretbarem Umfang mitgedacht sein.
  • Einfügung in das Orts- und Landschaftsbild
  • Energetische Nachhaltigkeit