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"Therapie für Diabetes ist revolutionär"

Ihren Blutzucker müssen Diabetes-Betroffene stets im Auge behalten. Moderne Hilfsmittel erleichtern ihnen den Alltag jedoch enorm.

Wer seinen Blutzuckerspiegel im Blick hat und gut eingestellt ist, hat heutzutage als Diabetiker deutlich geringere Einschränkungen.
Wer seinen Blutzuckerspiegel im Blick hat und gut eingestellt ist, hat heutzutage als Diabetiker deutlich geringere Einschränkungen.

Seit mehr als 150 Jahren ist Diabetes mellitus in der Medizin bekannt. Die medizinischen Möglichkeiten, Betroffenen trotzdem eine hohe Lebensqualität zu bieten, haben sich seither revolutioniert. Yvonne Winhofer, Fachärztin für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien, berichtet über eine Erkrankung, die sich in der Bevölkerung rasant ausbreitet.

Was genau funktioniert bei Diabetes mellitus im Körper nicht? Yvonne Winhofer: Es gibt drei Typen von Diabetes mellitus, die alle einen Befund gemeinsam haben: einen zu hohen Blutzuckerspiegel, auch Hyperglykämie genannt. Beim Typ 1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der die insulinproduzierenden Zellen zerstört werden. Der Körper kann in Folge kein Insulin mehr produzieren. Typ 2 ist die Folge einer Insulinresistenz, auch metabolisches Syndrom genannt. Es wird Insulin hergestellt, doch es gelangt nicht mehr zu den Muskelzellen. Bei Typ 3 sind Bauchspeicheldrüsenerkrankungen die primäre Ursache. Mit Abstand am häufigsten ist mit 85 bis 90 Prozent aller Diabetes-Betroffenen Typ 2.

Wie kommt es zu den Erkrankungen? Das Risiko für Typ-1-Diabetes steigt, wenn die Eltern ihn bereits hatten. Auch Virusinfektionen können ihn auslösen. Interessanterweise gibt es hier ein Nord-Süd-Gefälle: Menschen in skandinavischen Ländern haben häufiger Diabetes Typ 1 als solche in südlichen. Übrigens kann man, anders, als man lange dachte, das ganze Leben lang an Typ-1-Diabetes erkranken. Typ-2-Diabetes entsteht meist in der Folge von Übergewicht wie auch einer gewissen Veranlagung. Jeder Mensch hat eine individuelle Fetttoleranzgrenze. Manche Menschen, die nur leicht übergewichtig sind, bekommen Diabetes, andere massiv Übergewichtige wiederum nicht. Bei Typ-3-Diabetes können mannigfaltige Erkrankungen dahinterstecken, er ist eher selten.

"Typ-2-Diabetes wird oft erst spät bemerkt, weil er nicht wehtut."
Yvonne Winhofer
Fachärztin für innere Medizin

Was sind die Folgen von Diabetes für die Gesundheit im Gesamten? Die Betroffenen haben ein sehr hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, darunter Herzinfarkt, Schlaganfall, eine Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen. Auch Augen- und Nierenerkrankungen sowie eine Schädigung der Nerven mit Empfindungsstörungen an den Beinen, das sogenannte diabetische Fußsyndrom, können eine Folge sein. Die Folgen sind weniger abhängig vom Typ des Diabetes, sondern mehr von der Dauer der Erkrankung und wie gut die Blutzuckereinstellung reguliert ist.

Welche Symptome sind Alarmzeichen, dass man sich auf Diabetes untersuchen lassen sollte? Bei Typ-1-Diabetes verspüren Betroffene ein erhöhtes Durstgefühl, einen deutlich stärkeren Harndrang und sie verlieren an Gewicht. Typ-2-Diabetes bemerkt man häufig erst spät, weil er nicht wehtut und sich besonders anfangs nicht dramatisch bemerkbar macht. Betroffene erleben möglicherweise eine gewisse Müdigkeit sowie ebenfalls ein erhöhtes Durstgefühl. Meist fällt Typ-2-Diabetes erst im Zuge anderer Erkrankungen auf, beispielsweise, wenn jemand mit Herzinfarkt ins Krankenhaus kommt.

Wie wird Diabetes therapiert, was müssen Betroffene im Alltag beachten? Die Therapie richtet sich nach der Form des Diabetes. Bei Typ-1-Diabetes wird nach wie vor gespritzt. Es wurde eine Zeit lang versucht, das Insulin über Präparate zum Schlucken oder Inhalieren zu verabreichen, doch das hat sich nicht bewährt. Für Typ-2-Diabetes-Patientinnen und -Patienten gibt es mittlerweile tolle Medikamente, darunter auch die GLP-1-Spritzen, besser bekannt als Abnehmspritzen. Die Fortschritte sind revolutionär, in vielen Fällen lassen sich Spätkomplikationen von Typ-2-Diabetes so verhindern. Bei Typ-3-Diabetes sind die Therapieformen sehr vielfältig und richten sich nach der jeweiligen Ursache.

Haben sich die Behandlungsmöglichkeiten auch für Typ-1-Diabetes verbessert? Ja, auch hier hat sich die Therapie in den vergangenen zehn Jahren wahnsinnig verbessert. Die Zuckermessung fällt mit den modernen Glukosesensoren wesentlich leichter und auch die Insulinabgabe ist präziser und erfolgt nicht mehr über Spritzen, sondern über Geräte, die wie Kugelschreiber aussehen. Auch gibt es mittlerweile Pumpsysteme, die ständig im Körper bleiben und zusammen mit einer Handy-App automatisch funktionieren. Das verbessert die Lebensqualität und mindert Komplikationen natürlich enorm.