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Kulturhauptstadt Ebensee gedenkt mit Kunst im KZ-Stollen

20 Kilometer von Bad Ischl entfernt befindet sich die Gemeinde Ebensee. Hier schlägt die Kulturhauptstadt Brücken weniger in die Zukunft als in die Vergangenheit. Im Zeitgeschichtemuseum Ebensee wird in einer Dauerausstellung die politische Geschichte Österreichs und des Salzkammergutes zwischen 1918 und 1955 aufbereitet. Dass sich gleich nebenan auch das Faschingsarchiv befindet, irritiert ein wenig angesichts der vielen Dokumente zu NS-Zeit, Holocaust und Widerstand.

Der Gedenkstollen der KZ-Gedenkstätte Ebensee
Der Gedenkstollen der KZ-Gedenkstätte Ebensee

An den antifaschistischen Widerstand im Salzkammergut erinnern Themenwanderungen, die "Wege des Widerstands" genannt wurden, die zu verschiedenen Schauplätzen in den Bergen der Region führen. Ab 26. April öffnet sich aber auch der Gedenkstollen des ehemaligen Konzentrationslagers Ebensee für eine Kunstinstallation der in Osaka geborenen und heute in Berlin lebenden japanischen Künstlerin Chiharu Shiota. Sie wird am Ende des 130 Meter langen Stollens ein Labyrinth aus von der Decke herabhängenden roten Seilen und 25 überlebensgroßen Kleidern anbringen. "An einem so geschichtsträchtigen Ort ist es nicht einfach, ein Kunstwerk zu schaffen, das dem Ort würdig ist", wird sie vorab zitiert.

"Wir gestatten hier nur Veranstaltungen, die thematisch passend sind", sagt Wolfgang Quatember. Der Historiker hat seit den 1980ern das Zeitgeschichtemuseum aufgebaut und ist mitverantwortlich dafür, dass dem rund 400 Personen umfassenden Betreiberverein von den Bundesforsten einer der Stollen der insgesamt 7,6 Kilometer umfassenden unterirdischen Anlage unentgeltlich zur Nutzung als Gedenkstätte überlassen wurde. Ab 1943 mussten in diesem Außenlager des KZ-Komplexes Mauthausen/Gusen insgesamt 27.000 Häftlinge aus 20 Ländern in Zwangsarbeit Stollen in den Fels treiben. Zu der geplanten unterirdischen Raketenfabrik kam es nicht mehr, dafür mussten über 8.600 Menschen in eineinhalb Jahren unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen ihr Leben lassen.

Auf dem ehemaligen Gelände des Konzentrationslagers wurden schon einige Jahre nach Kriegsende erste Wohnhäuser errichtet. "Einerseits wollte man die historischen Spuren beseitigen, andererseits die schon vorhandene Infrastruktur nutzen", sagt Quatember. Heute erinnert nur noch der Friedhof, eine erst 2011 errichtete Gedenkstätte mit den Namen aller Opfer und der Gedenkstollen an tausendfaches Leid und Tod.

Im Stollen, in dem eine Ausstellung und eine Erinnerungsstätte untergebracht sind, wurden bereits Konzerte veranstaltet. 3000 Leute brachte ein Auftritt von Hubert von Goisern hierher, als 1995 ein "Fest für Demokratie" gefeiert wurde, später wurde hier das Mozart-Requiem oder die Oper "Kaiser von Atlantis" aufgeführt. 2009 kam der Gedenkstollen allerdings unrühmlich in die Schlagzeilen, als Gedenkfeiern durch Jugendliche in Springerstiefeln und Bomberjacken gestört wurden und KZ-Überlebende mit Softguns beschossen wurden. "Es waren keine Neonazis von auswärts, sondern dumme Buben aus der Gegend", erinnert sich Quatember. Umso wichtiger sei es, die Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu intensivieren.

Am 11. April wird im Zeitgeschichtemuseum Ebensee ein Buch von Quatembers Kollegin Nina Höllinger über "Jüdische Familien im Salzkammergut" präsentiert (sowie am 5. April in Bad Ischl, am 21. April in Gmunden). Wie die Installation von Chiharu Shiota aussehen wird, davon hat der Historiker und Museumsleiter noch keine wirkliche Vorstellung. "Ich lasse mich überraschen."

(S E R V I C E - https://www.memorial-ebensee.at; https://www.salzkammergut-2024.at/)

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