SN.AT / Kultur / Kulturhauptstadt 2024 / Kultur

Kulturhauptstadt 2024: Bad Ischl diskutiert über "Europa im Umbruch"

Beim "Katerfrühstück" in der Kaiservilla wurde am Sonntagvormittag über Europa und Politik diskutiert. im Umbruch" diskutiert -

Ein Bild vom Frühschoppen des Trachtenvereins D'Ischler zur Eröffnung der Kulturhauptstadt 2024.
Ein Bild vom Frühschoppen des Trachtenvereins D'Ischler zur Eröffnung der Kulturhauptstadt 2024.

Am Samstag wurde gefeiert, am Sonntag wurde nachgedacht und diskutiert. Beim "Katerfrühstück" in den Stallungen der Kaiservilla von Bad Ischl wurde am Sonntagvormittag über "Europa im Umbruch" debattiert. Mit einer Diskussion zwischen Herfried Münkler, Nava Ebrahimi, Fiston Mwanza Mujila und Aleida Assmann sowie einem anschließenden Konzert wurde der erste "Welt-Salon" abgehalten, mit dem Kulturhauptstadt-Intendantin Elisabeth Schweeger die Perspektive weiten will.

Sie habe gestern bei der Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres nicht wie andere bis 2.00 Uhr früh getanzt, sondern ab 23.00 Uhr "ein wunderbares Konzert von zwei estnischen Zitherspielerinnen gehört" (nämlich das Duo Ruut in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus), sagte Schweeger bei ihrer Begrüßung: "Das hat mich down to earth gebracht."

"Europa ist in einer Krise"

Das schaffte auch der deutsche Politikwissenschafter Herfried Münkler mit seiner Keynote. Es sei "gar nicht leicht, die Feierlaune der Kulturhauptstadt zu stören mit einer schlechten Nachricht: Europa ist in der Krise", meinte er. "Die zentrifugalen Kräfte in Europa haben zugenommen im Vergleich zu früheren Zeiten." Mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine sagte er: "Wenn Putin den Krieg gewinnt, dann haben wir eine Migrationsbewegung, bei der sich fünf Millionen, eher zehn Millionen Menschen sich in Bewegung setzen werden." Münklers Zusammenfassung einer Auflistung vieler aktueller Krisenherde: "Es gibt große Herausforderungen, die die Europäer bestehen müssen - oder es wird keine EU mehr geben."

Kunst und Kultur schaffen Zusammenhalt

Vor einem dicht gedrängten Auditorium, in dem sich etwa auch Hubert von Goisern, Hannes Heide oder der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) befanden, zeigte sich die Autorin Nava Ebrahimi zuversichtlich, dass Kunst und Kultur auf sehr vielen Ebenen Positives beitrage und Zusammenhalt schaffe. Europas Offenheit sei geradezu ein Alleinstellungsmerkmal. "Europa war nie eine Insel. Was Europa ausmacht, ist durch die Auseinandersetzung mit den Rändern, mit dem Gegenüber entstanden."

Aleida Assmann: "Plötzlich war man eine Gemeinschaft"

Die Kulturwissenschafterin Aleida Assmann zeigte sich begeistert von der gestrigen Eröffnung, die vom archaischen, vielstimmigen Jodler über Conchitas Appell an die Menschlichkeit bis zur "Puderorgie" reichte: "Plötzlich war man in einer Gemeinschaft von Menschen. Das ist ein Satz, der für Europa stehen sollte. Das haben wir gestern alle erlebt. Vielen Dank dafür!" Ihr Konzept des Europäischen Traums sei im übrigen ganz einfach, meinte sie: Die EU sei für sie "ein Versicherungssystem für das Projekt, dass aus militanten Nationalstaaten zivile Nationalstaaten werden". Die aktuellen Demos gegen Rechts in Deutschland zeigten, dass den Bürgern die aktuelle Bedrohung des Erreichten immer bewusster werde.

Der aus dem Kongo stammende und heute in Graz lebende Autor und Musiker Fiston Mwanza Mujila kam aus Genf von einer Probe der Oper "Justice" von Hector Parra, für die er das Libretto geschrieben hat. In der Inszenierung von Milo Rau wird sie morgen, Montag (22. Jänner), am Grand Théâtre de Genève uraufgeführt und eröffnet am 30. April die Tangente St. Pölten, jenes Festival, das die niederösterreichische Landeshauptstadt nun ausrichtet, nachdem im Rennen um den Kulturhauptstadttitel gegen Bad Ischl unterlegen war. "Europa ist nicht mehr das Zentrum der Welt", betonte Mwanza Mujila. "Für uns in Afrika war Europa lange das Symbol für Ausbeutung." Er fühle sich als Europäer, als österreichischer Schriftsteller und sei überdies Sturm Graz Fan. Identitäten seien heute eben nicht mehr starr, sondern vielfältig. "Heute kann ich mir sogar vorstellen, in Graz begraben zu werden."

Gemeinsam mit Patrick Dunst am Saxophon und Christian Pollheimer am Schlagzeug gab Fiston Mwanza Mujila anschließend eine Konzert-Performance. "Innere Stadt" war als "langes musikalisches Gedicht" angekündigt, als "Versuch, die Stadt seiner Träume oder seine ideale Stadt zu beschreiben" angekündigt und erwies sich als mitreißende Mischung aus Jazzkonzert und performativer Lesung, die zu Mittag die letzte Katerstimmung vertrieb.

Der nächste von fünf geplanten Welt-Salons gilt am 15. März in der Trinkhalle Bad Ischl dem Thema "Migration aus klimatischen Gründen".

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.

KOMMENTARE (0)